Berlin. Ministerpräsident Stephan Weil gibt sich im Untersuchungsausschuss zum Abgasskandal betont gelassen. Es bleiben einige Fragen offen.

Unser Leser William Rossmann aus Königslutter fragt:

Wie kann ein Journalist hier noch erkennen, was Taktik, Lüge oder Wahrheit ist? Oder bleiben ihm – wie dem Leser – nur Vermutungen oder Ratlosigkeit?

Die Antwort recherchierte Michael Ahlers

Für großes Drama sind beide nicht gemacht, die Bühne nicht und auch nicht der Hauptdarsteller aus Niedersachsen. Und was Taktik, Lüge und Wahrheit ist, wie unser Leser fragt, das lässt sich oft nur an Plausibilitäten festmachen.

Am Stoff allerdings würde das Drama wohl nicht scheitern. Es geht um Macht und große Egos bei VW, um Milliarden Euro und um die alte Frage, wer wann was wusste. Verhandelt wird all dies in einem Sitzungsgebäude neben dem Reichstag in Berlin. Es gibt viel Glas, einen langen breiten Mittelgang und kompakte, runde Sitzungssäle an den Seiten. Leicht und transparent, gar elegant wirkt trotzdem wenig im Paul-Löbe-Haus, vieles eher kantig. Das wiederum passt gut zum Thema.

Der Hauptdarsteller, Stephan Weil, ist niedersächsischer Ministerpräsident und VW-Aufsichtsrat. An diesem Donnerstag soll er als Zeuge im Abgas-Untersuchungsausschuss des Bundestages aussagen. Enthüllungen werden zwar nicht erwartet, aber die Sache ist trotzdem heikel. Denn die Turbulenzen bei und um VW wollen nicht enden, und Weil steht im Januar 2018 eine Landtagswahl bevor. Besonders wichtig ist es Weil, eines erneut klarzustellen. Seit jeher hat der SPD-Mann erklärt, er habe von der VW-Dieselaffäre erst bei Bekanntwerden des Skandals im Herbst 2015 erfahren. Dass der später gestürzte VW-Patriarch Ferdinand Piëch behauptet haben soll, das Präsidium des VW-Aufsichtsrats inklusive Weil bereits im Frühjahr 2015 über Probleme mit Abgaswerten in den USA informiert zu haben, hatte Weil postwendend als „Fake news“ dementiert.

Im Ausschuss erzählt er nun fast genüsslich, wie er am 19. September 2015 beim abendlichen Betrachten der „Tagesschau“ von der Sache erfahren habe. Als dann die Sonntagszeitungen berichteten und VW sich immer noch nicht rührte, habe er am Montag nachfragen lassen, wann sich VW denn mal beim Anteilseigner Land melden wolle. „Ich hab’s mir gemerkt, wie Sie merken“, sagt er zu den Abgeordneten.

Insbesondere bei den Abgeordneten von CDU, Grünen und Linken fragt man sich allerdings eher, warum VW-Aufseher Weil denn so gar nichts mitbekommen hat von den Problemen. Etwa von großen Rückruf-Aktionen in den USA, deren hartnäckiges Hinterfragen vielleicht früher zur Wahrheit geführt hätte. Weil hält sich bedeckt, verweist darauf, dass Details dazu ja noch ermittelt würden. Und dass der VW-Aufsichtsrat für solche zulassungstechnischen Fragen nicht zuständig sei.

Es ist nicht die einzige offene Frage. Nach dem Grund für jene öffentliche Ehrenerklärung, die das VW-Präsidium beim Ausscheiden Martin Winterkorns für den VW-Chef abgab, fragt der CDU-Abgeordnete Carsten Müller. Das Präsidium ist der innerste Machtzirkel. „Das war unser gemeinsamer Eindruck nach einer sehr sehr intensiven Diskussion“, antwortet Weil – und lässt durchblicken, dass das vielleicht nicht der Weisheit letzter Schluss war.

Als Weil dann auch noch auf den Fall der gescheiterten VW-Vorstandsfrau Christine Hohmann-Dennhardt angesprochen wird, verweist er dann doch mal auf den Untersuchungsauftrag des U-Ausschusses. Und der richtet sich naturgemäß auf den Bund. Auch in der Geschichte um die mit Millionen abgefundene frühere Fachfrau für „Integrität und Recht“ bei VW gibt es für Weil schließlich wenig zu gewinnen.

„Der amtierende Ministerpräsident handelt ausschließlich juristisch-taktisch“, kommentiert später der CDU-Landesvorsitzende Bernd Althusmann den Auftritt. Weil jedenfalls gibt sich mit sich und der Welt im Reinen. „Ich habe persönlich nichts zu befürchten“, hat er im Zusammenhang mit der Frage gesagt, ob die internen Ermittlungsergebnisse der US-Kanzlei Jones Day zu „Dieselgate“ im Auftrag von VW nichtöffentlich gemacht werden könnten. Das war einst zugesagt, soll aber nun doch nicht kommen. Auch Weil spricht sich im Ausschuss dagegen aus – selbst was Teile des Berichts angeht. Das gehöre doch alles zusammen.

Nach seiner Aussage muss Weil schnell zum Zug, aber ein Statement vor dem Saal gibt es noch. Er habe gerne die Gelegenheit wahrgenommen, einige Dinge etwa zur Arbeit eines Aufsichtsrats zu erläutern, sagt Weil also in Kameras und Mikrofone. Dass das bei ihm nicht von oben herab wirkt, sondern wie bei einem Volkshochschuldozenten, der nach Kursusende nach Hause geht, das ist allerdings auch eine Leistung.