Hannover. Niedersachsens Ministerpräsident und der VW-Vorstand prüfen rechtliche Schritte gegen den Ex-Aufsichtsrat.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil holt zum Gegenschlag aus. Obwohl er sich bereits am Vorabend geäußert hatte, wies er am Donnerstag vor laufenden Kameras erneut die Vorwürfe von Ex-VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch als falsch zurück – und unterstellte ihm indirekt Rache. Es sei bekannt, dass Piëch 2015 im Streit ausgeschieden sei. „Möglicherweise besteht da ein Zusammenhang“, sagte Weil. Wie auch der VW-Vorstand kündigte er an, rechtliche Konsequenzen zu prüfen. Die Opposition im Landtag warf ihm Salamitaktik vor und forderte die Veröffentlichung des internen Untersuchungsberichts der US-Kanzlei Jones Day.

„Ich bedaure, dass ein Mann mit unbestreitbaren Verdiensten wie Ferdinand Piëch inzwischen zu Mitteln greift, die man neudeutsch eigentlich nur als ’Fake News‘ bezeichnen kann“, sagte Weil vor Journalisten. Piëch hat laut Medienberichten gegenüber der Staatsanwaltschaft Braunschweig ausgesagt, im Frühjahr 2015 nach dem damaligen Konzernchef Martin Winterkorn auch Mitglieder des Aufsichtsratspräsidiums über einen möglichen Betrug bei den Abgaswerten informiert zu haben: Weil, Konzernbetriebsratschef Bernd Osterloh, Ex-IG-Metall-Chef Berthold Huber und Wolfgang Porsche. Der aktuelle Aufsichtsrat wies das umgehend in einer Pressemitteilung „mit allem Nachdruck als falsch“ zurück. Der Vorstand werde „mögliche Maßnahmen und Ansprüche gegen Herrn Piëch sorgfältig prüfen“.

Es steht Aussage gegen Aussage. Die Staatsanwaltschaft führt bislang aber kein Ermittlungsverfahren gegen den Ministerpräsidenten oder andere Mitglieder des Aufsichtsrates, wie eine Sprecherin auf Anfrage mitteilte. Auch gegen Piëch werde nicht ermittelt. Ob die Medienberichte über Piëchs Aussage stimmen, wollte sie nicht kommentieren. Die Staatsanwaltschaft mache keine Angaben zu Zeugen, um weitere Ermittlungen nicht zu gefährden. Ob Piëch angezeigt wurde, wollte sie ebenfalls nicht verraten.

Piëch selbst will die Information vom früheren israelischen Botschafter Avi Primor erhalten haben. Wie der „Spiegel“ berichtete, soll dieser Piëch ein Papier des israelischen Inlandsgeheimdienstes Schin Bet gezeigt haben, laut dem US-Behörden Winterkorn frühzeitig über den Betrug informierten. Primor wies diese Darstellung jedoch zurück: Er habe niemals mit Piëch über Themen im Zusammenhang mit der Diesel-Affäre in den USA gesprochen, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. Der ehemalige Schin-Bet-Chef, Juval Diskin, bezeichnete Piëchs Aussage gegenüber „Spiegel Online“ als „kompletten Nonsens“. Damit wird die Luft für Piëch dünner.

Auch gegenüber Jones Day hatte Piëch nach Angaben des VW-Aufsichtsrates gegen die vier Aufsichtsratsmitglieder ausgesagt. Weil kennt die Vorwürfe bereits seit einigen Monaten. Die US-Kanzlei sei jedoch zu dem Ergebnis gekommen, dass Piëchs Behauptungen „unglaubwürdig und auch unwahr“ seien. „Für meine Person kann ich das ausdrücklich bestätigen“, sagte Weil. Auch der übrige Aufsichtsrat betont diese Einschätzung.

Doch die Opposition lässt Weil nicht so einfach davonkommen. Den Anschuldigungen Piëchs müsse nun nachgegangen werden, forderte Björn Thümler, CDU-Fraktionschef im Landtag. Er verlangte die „unverzügliche Veröffentlichung des Jones-Day-Abschlussberichts“.

Keinen Durchbruch gab es indes im Streit um den „Zukunftspakt“ zwischen VW-Betriebsrat und -Vorstand. In der Auseinandersetzung geht es unter anderem um die Übernahme von Leiharbeitern. Die Arbeitnehmervertreter fordern eine befristete Übernahme der Zeitarbeiter und wiederholten in einem offenen Brief, der an die Mitarbeiter verteilt wurde, ihre Kritik am Vorstand. Der treffe Entscheidungen, „die gegen Wesen, Kern und Inhalt des Zukunftspaktes gerichtet sind“.

Der Betriebsrat hat dem Vorstand ein Ultimatum gesetzt, sich bis Montag schriftlich zu erklären, wie die weitere Zusammenarbeit mit der Arbeitnehmervertretung gestaltet werden soll. VW-Personalvorstand Karlheinz Blessing kündigte der Deutschen Presseagentur an: „Wir werden miteinander reden und Missverständnisse klären, dann wird das auch.“ Nach Informationen unserer Zeitung gibt es im Hintergrund nach wie vor Gespräche zwischen Betriebsrat und Vorstand.