Hannover. Die FDP will das Landesschulgesetz ändern, die Familie der Nikab-Schülerin gerät immer mehr in den Fokus.

Unser Leser Klaus Reisdorf aus Wolfsburg fragt:

Nikab-Trägerinnen, in diesem Fall sogar eine Schülerin, können doch in einer Schule oder einer Behörde von Lehrern oder dem Personal gar nicht mehr erkannt werden. Das hat überhaupt nichts mehr mit religiöser Toleranz bzw. Intoleranz zu tun.

Die Antwort recherchierte Michael Ahlers

Falsch verstandene Toleranz – dieses Stichwort fiel gleich mehrfach, als die FDP-Politiker Christian Dürr, Björn Försterling und Christian Grascha am Donnerstag den Entwurf eines geänderten Schulgesetzes für Niedersachsen vorstellten.

Die ganz praktischen Schwierigkeiten, die unser Leser anspricht, führte auch Bildungspolitiker Försterling ins Feld. Tag für Tag die Frage der Identität klären zu müssen, das passe doch nicht zum Bildungsauftrag der Schule und erschwere den Unterricht erheblich, meinte Försterling.

Niedersachsens Landesregierung und die Schulbehörden, an der Spitze das Kultusministerium, sind in einer schwierigen Lage. Seit Jahren duldet eine Oberschule im Kreis Osnabrück, dass eine Schülerin mit einem Nikab zur Schule geht. Die Schulleiterin meldete den Fall den Schulbehörden erst, als ein anderer Fall Schlagzeilen machte. Dass der „Nikab von Belm“ weiter toleriert wird, begründet das Land mit dem nicht gestörten Schulfrieden. Das Mädchen sei außerdem integriert, man wolle ihm seinen Abschluss an der Schule nicht verbauen. Nach dem Abschluss, bei einem Schulwechsel, werde ein Nikab nicht mehr geduldet werden, bekräftige Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). Denn nicht nur die Oppositionsfraktionen von CDU und FDP, sondern auch SPD und Grüne sehen im Nikab-Tragen einen Verstoß gegen das Schulgesetz. Sie sprechen aber von einem Sonderfall, auch weil das Mädchen zunächst noch unverschleiert an der Schule war. Dass nicht gehandelt werde, liege zum einen am Druck der Grünen, zum anderen an der Angst vor juristischen Niederlagen, heißt es in Landtagskreisen. Denn explizit verbietet das Schulgesetz den Schleier nicht. Auch dass der Schulfriede gestört sei, wäre nicht leicht nachzuweisen. Bliebe das Argument, dass für Unterricht gemäß Bildungsauftrag offene Kommunikation möglich sein müsse. Das sieht auch die Landesregierung so. Doch von Konsequenzen ist im Fall Belm zumindest nichts bekannt. Es gebe weiter Gespräche mit der Schülerin, heißt es.

Auch der Gesetzentwurf der FDP enthält kein explizites Burka- oder Nikab-Verbot. Weil jede Aufzählung von Bekleidungsstücken unvollständig wäre, sagt Försterling. Aber auch, weil man keine populistischen Stimmungen bedienen wolle. Stattdessen hebt die FDP nach eigener Aussage Mitwirkungspflichten von Schülern von der Erlass- auf die Gesetzesebene und definiert sie klarer. „Die Schülerinnen und Schüler haben alles zu unterlassen, was den Schulbetrieb oder die Ordnung (...) stören könnte“, heißt es im FDP-Gesetzentwurf. Auch die Landesregierung hatte Änderungen in Aussicht gestellt.

Unterdessen verdichten sich Hinweise, dass Familienmitglieder des Mädchens einem radikalen Islam anhängen sollen. „Spiegel Online“ berichtete, dass sowohl Vater als auch ein Bruder der Schülerin bei Verfassungsschützern als Anhänger des seit 2001 verbotenen „Kalifatsstaates“ geführt würden. Ein jüngerer Bruder sei mit Gebetskette und Kaftan im Unterricht erschienen. Leichter machte das den Fall nicht.