Essen. Mit seinem Beschluss zur doppelten Staatsbürgerschaft provoziert der Parteitag Angela Merkel. Die Kanzlerin stellte klar: Es gibt keine Änderung.

Innenminister Thomas de Maizière hat abgeraten, Fraktionschef Volker Kauder die Chancen relativiert. Vergeblich. Gegen den Willen vieler CDU-Führungsleute kündigten die 1001 Delegierten des Essener Parteitages am Mittwoch den Kompromiss mit der SPD zur doppelten Staatsbürgerschaft auf.

Parteichefin Angela Merkel hielt dagegen. „Es wird in dieser Legislaturperiode keine Änderung geben.“ Sie halte den Beschluss der Delegierten persönlich für falsch. „Ich glaube auch nicht, dass wir einen Wahlkampf über den Doppelpass machen, wie wir das früher mal gemacht haben.“ Merkel hat schon viel ausgesessen – nun versucht sie es an einem ganzen CDU-Parteitag.

„Es war ein erfolg- reicher Parteitag – die CDU hat ihr konservatives Profil geschärft.“
„Es war ein erfolg- reicher Parteitag – die CDU hat ihr konservatives Profil geschärft.“ © Gerda Hasselfeldt, CSU-Landesgruppenchefin im Bundestag

Anders als ihre Getreuen ging die Kanzlerin nicht in die Bütt. Dabei hätte sich der Einsatz womöglich gelohnt. Die Entscheidung fiel knapp aus, mit 319 zu 300 Stimmen. Nur im Fernsehen machte Merkel klar, was sie von der Position hält. Die CDU entfernt sich von Merkel – und die Kanzlerin von ihrer Partei.

Der Jungen Union, die für den Beschluss kämpfte, geht die Aufregung zu weit. „Ich wehre mich dagegen, dass das als Angriff auf Angela Merkel interpretiert wird“, sagte ihr Vorsitzender Paul Ziemiak. „Ich finde es nicht in Ordnung, wenn unser Antrag als Aktion gegen die Parteiführung interpretiert wird.“ Man komme doch zusammen, „um auch über Themen zu streiten“.

Für in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern soll es nach der Beschlusslage der CDU wieder eine Optionspflicht geben. Sie sollen sich zwischen ihrem 18. und 23. Lebensjahr für eine Nationalität entscheiden. Betroffen wären nicht die EU-Bürger, sondern de facto Deutschtürken. Es wäre die Rückkehr zum alten Recht. Darüber hinaus plädierten die Christdemokraten in der Flüchtlingspolitik für schnellere Abschiebungen und verschärfte Grenzkontrollen.

Einer wird es gern vernehmen: CSU-Chef Horst Seehofer. Seine Partei ist hingerissen. Für Gerda Hasselfeldt, CSU-Landesgruppenchefin im Bundestag, war es „ein erfolgreicher Parteitag“. Die CDU habe mit Merkels Rede und mit dem Leitantrag „ihr konservatives Profil geschärft und klare Positionen zu gesellschaftlich relevanten Themen bezogen“, sagte sie dieser Zeitung. Hasselfeldt meint damit ein Verbot der Vollverschleierung oder das Plädoyer für Transitzonen für Flüchtlinge. „Zusammen mit den Maßnahmen zur verschärften Abschiebepraxis decken sich viele Positionen mit denen der CSU.“

Was die Unionsschwestern noch trennt, ist die „Obergrenze“. Zwar verfolgen beide Parteien dasselbe Ziel, nämlich die Zuwanderung zu begrenzen. Aber mit der Obergrenze von 200 000 Menschen im Jahr setzt die CSU eine Marke. Was macht Merkel, wenn wieder mehr Flüchtlinge nach Europa und Deutschland kommen? Als Antwort darauf griff die CDU originäre CSU-Positionen auf. Auch sie setzt sich für Transitzonen an der Grenze ein. In den Zonen sollen abgelehnte Asylbewerber nach einem Schnellverfahren des Landes verwiesen werden.

Anfang Februar treffen sich die Führungen beider Parteien zu einer Klausur. Dort sollen die Leitlinien für ein gemeinsames Wahlprogramm verabschiedet werden, das dann im Frühsommer beschlossen werden soll. Fraglich ist nur, mit wem die Union ihre härteren Positionen durchsetzen will. Mit SPD und Grünen sind sie nicht umsetzbar. In der FDP sprachen sie von einer „Klatsche“ für die Kanzlerin.

Fraktionschef Kauder kennt die Probleme. Er gab zu bedenken, nur die CSU könne Positionen „eins zu eins“ umsetzen, weil sie in Bayern allein regiere. Er bereitete die Delegierten darauf vor, „dass nicht jeder Beschluss gleich in einen Gesetzestext gegossen wird“. Das störte die Partei nicht. In Essen ging es darum, klare Kante zu zeigen. Die CDU ist im Wahlkampfmodus.