„Die Kanzlerin wird in dennächsten Monaten Störungen und Anfeindungen erleben.“

Die CDU weiß, was sie an Angela Merkel hat, und braucht sie im Wahlkampf. Ihr Typ ist noch gefragt. Sie ist der Anti-Trump. Aber Teile der Partei haben sich nie und werden sich auch nicht mehr mit der Flüchtlings- und Ausländerpolitik der Kanzlerin abfinden können. Dieser Zwiespalt war auf dem CDU-Parteitag spürbar, zuletzt mit dem Beschluss zum Doppelpass. Dass Merkel diese Entscheidung nicht verhindern konnte und sich am Ende darüber hinwegsetzte, ist heimtückisch und eine Erschütterung ihrer Macht. Die Partei ignoriert Merkel – und umgekehrt. Von Essen geht kein Signal des Aufbruchs aus.

So unbekümmert, so kess wie sie vor vier Jahren „Sie kennen mich“ den Wählern zurief, wird man Merkel 2017 nicht erleben. Viele fremdeln, auch in der CDU, wie ihr Wiederwahl-Ergebnis von 89,5 Prozent in Essen gezeigt hat.

Wenn ein Satz in Erinnerung bleiben wird, dann Merkels „Ihr müsst mir helfen“. Diese Unterstützung hat ihren Preis. Er drückt sich in den Beschlüssen zum Burka-Verbot, zur inneren Sicherheit, zu Zuwanderung und in der Absage an den Doppelpass aus. Unausgesprochen, aber faktisch gilt das nur für eine Bevölkerungsgruppe, für die Deutsch-Türken und nicht für alle EU-Bürger. Das ist fatal. Es würde nur weiteren Unfrieden stiften und die Gesellschaft spalten. Nun gilt erst recht, was sich seit langem abzeichnete: Dass Merkel der härteste Wahlkampf bevorsteht. Es gibt sie, die „Merkel-muss-Weg“-Stimmung. Die Kanzlerin wird in den nächsten Monaten Störungen und Anfeindungen erleben. Merkel hat in Essen keine Orientierung gegeben. Was sie nicht leistete, nahm ihr die Partei ab, zum Beispiel mit einem Rollback beim Staatsangehörigkeitsrecht, beim Doppelpass. Die Union wird noch viel mehr Positionen zuspitzen müssen und Merkel sich ihre Wahlkampfgegner nicht mehr auf Abstand halten können, indem sie einem Schlagabtausch aus dem Weg geht, Reizthemen weglässt, Handlungsalternativen kleinredet. Diese Methode war in den Wahlkämpfen 2009 und 2013 erfolgreich. Inzwischen ist sie aus der Zeit gefallen.

Schon vor längerer Zeit hat der frühere Bundespräsident Roman Herzog gemahnt, wer eine sinkende Wahlbeteiligung für seinen eigenen Erfolg in Kauf nehme, „bekommt irgendwann die Retourkutsche“.

Die ist jetzt da. Man nennt sie Alternative für Deutschland. Ob Merkel sie kleinhalten kann, ist offen, aber hier liegt der Schlüssel zum Erfolg. Die CDU hat es begriffen und eine Reihe knallharter Beschlüsse gefasst. Die CDU emanzipiert sich von Merkel und erleichtert es der CSU und ihrem Chef Seehofer, ihren Frieden mit der Schwester zu machen.