Braunschweig. Die Braunschweigische Stiftung startet in die neue Förderphase. Der Staat sei zum Teil überfordert, sagen die Macher im Interview.

In Deutschland gibt es immer mehr Stiftungen. Trotz Niedrigzinsphase liegt deren Vermögen bei etwa 100 Milliarden Euro, Tendenz steigend. Eine große Stiftung in unserer Region ist die Braunschweigische Stiftung, die in eine neue Förderphase startet. Über das Rollenverständnis von Stiftungen, förderungswürdige Projekte und neue Schwerpunkte sprachen Vorstands-Chef Gerhard Glogowski, sein Stellvertreter Christoph Schulz und Axel Richter, geschäftsführendes Vorstandsmitglied, mit Armin Maus und Andre Dolle.

Nicht nur Sparer und Banken ächzen unter der Niedrigzinsphase, auch die Stiftungen leiden darunter. Doch Gewinne aus der Anlage ihres Vermögens sind für viele Stiftungen unverzichtbar, denn sie finanzieren damit ihre Projekte. Wie steht es um die Braunschweigische Stiftung?

Gerhard Glogowski: Wir haben uns gut beraten lassen, dennoch gehen auch unsere Zinseinnahmen zurück. Wir wollen aber auch weiter Rücklagen bilden, um den Wert des Kapitals zu erhalten. Aus unserem Trägerkapitalanteil an der Öffentlichen Versicherung Braunschweig erwachsen uns weitere Einnahmen.

Stiftungen

Christoph Schulz: Wir bremsen die Reservebildung etwas ab, um im gewohnten Umfang Projekte in der Region fördern zu können.

Wie groß sind die Einnahmen denn für die Stiftung insgesamt?

Axel Richter: Das sind 1,2 bis 1,3 Millionen Euro pro Jahr. Damit schütten wir Geld aus, bilden Rücklagen und bestreiten auch den Verwaltungsaufwand. Pro Jahr schütten wir bis zu 700 000 Euro aus. Das überlappt sich zum Teil auf mehrere Jahre.

Im Kuratorium, Vorstand und im Beirat befinden sich wichtige Akteure aus der Region: Minister, Oberbürgermeister, Landräte, Uni-Präsidenten, Bischöfe, Unternehmer, Banker und Versicherer sind dabei. Hat sich dieser breit angelegte Pool an Förderern bewährt?

Glogowski: Das sind alles Menschen, die hier leben. Wir haben uns durchgesetzt in der Region, die Stiftung ist zu einem wichtigen Faktor geworden. Wir sind nicht nur Geldgeber, wir sind auch Initiatoren, wollen gestalten, anregen. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die Braunschweigische Identität zu stärken.

Was sind denn Projekte der vergangenen Jahre, an denen die Stiftung einen besonderen Anteil hat?

Schulz: Das Paläon, das Forschungs- und Erlebniszentrum Schöninger Speere, würde es ohne die Stiftung nicht geben. Wir haben damals die Machbarkeits-Studie erstellt. Diese hat viel Geld gekostet.

Glogowski: Das waren immerhin 150 000 Euro.

Schulz: So war gleich auch ein Konzept für das Paläon vorhanden. Wir haben uns ganz bewusst eingebracht.

Die Braunschweigische Stiftung zählt zu den Großen in Deutschland...

Richter: Unser Anlagevermögen liegt bei etwa 50 Millionen Euro. Die große Mehrheit der Stiftungen liegt bei unter einer Million. Wir haben das, was in der Republik als Stiftungsboom bezeichnet wird, ab Mitte der 90er Jahre von der ersten Stunde an miterlebt und mitgestaltet. Wir hatten von Beginn an exzellente Verbindungen in die Landespolitik, in die Wirtschaft, ins Bankwesen und in die Städte und Landkreise der Region. Wir sind bis in die kleinsten Facetten der Region vernetzt. Dieser Weg hat uns dazu gebracht, das zu leisten, was wir machen: Wir fördern das Eulenspiegel-Museum in Schöppenstedt, das Schloss Fürstenberg in Holzminden mit seiner Porzellanmanufaktur und vieles andere mehr. Da, wo wir Ja sagen, wird etwas ermöglicht. Da, wo wir Nein sagen, vielleicht nicht.

Wo steht die Stiftung im Vergleich zu einer weiteren großen Stiftung aus der Region, der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz?

Glogowski: Wir sind die einzige Stiftung, in der maßgebliche Akteure aus der Region auch in den Stiftungsgremien vertreten sind. Das gibt es keine zweites Mal, dass aktiv Verantwortliche derart in einer Stiftung integriert sind. Die Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz ist öffentlich-rechtlich, wir sind es nicht. Wir sind daher unabhängiger.

Schulz: Wir verstehen uns als eine Art Treuhänder aus dem Hauptamt heraus. Die Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz ist eher ein Bewahrer – das ist wichtig. Dieser Stiftung gehört ja zum Beispiel der Kaiserdom in Königslutter. Wir wollen anstoßen, Projekte auf die Beine stellen.

Sie haben zum Abschluss der vergangenen Förderperiode Ende 2016/Anfang 2017 eine Art Kassensturz gemacht. Was waren denn die Tops und Flops?

Richter: Wir haben festgestellt, dass wir an einigen Projekten, an denen wir sehr gehangen haben, nicht festhalten dürfen. Wir sind kein Konzertveranstalter und auch kein Sozialversorger. Die Stiftung hatte bei bestimmten Projekten ihr Ziel längst erreicht, diese haben sich – auch durch unsere Unterstützung – hervorragend entwickelt. Es war also der Zeitpunkt gekommen, sich aus Projekten zu verabschieden.

Welche Projekte meinen Sie?

Richter: Das gilt zum Beispiel für „Kunst – Hier und jetzt“. Wir wollten anhand eines Tages des offenen Ateliers zeigen, wie viel Kunst und wie viel Kunstschaffende wir in der Region haben. Nach zehn Jahren sagen wir: Das ist gelungen. Jetzt muss man sehen, ob sich das Projekt trägt. Wenn es sich alleine nicht trägt, hat es keine Zukunft.

Ein weiteres Beispiel ist das fantastische Festival Tastentaumel oder die Buchreihe Braunschweigisches Kunsthandwerk.

Glogowski: Wenn wir immer so weitermachten, braucht es am Ende keine Stiftung mehr, sondern nur noch Überweisungsträger.

Wo bleibt die Stiftung am Ball?

Richter: Wir betreuen „Jugend forscht“ an der Schnittstelle zur Wissenschaft. Die Bildung liegt uns am Herzen. Wir engagieren uns auch im Bereich der populären Kultur, etwa bei den Stadtfindern, bei Poetry Slams und der Theaterförderung.

Sie starten in die fünfte Förderphase. Was müssen Projekte in der Region mitbringen, um von der Braunschweigischen Stiftung finanziell unterstützt zu werden?

Richter: Ein Projekt muss satzungskonform sein. Es muss aus der Region stammen, muss aus den Bereichen Wissenschaft, Forschung, Kunst, Kultur, Bildung und Sport kommen. Ganz entscheidend ist, dass wir mit den Machern ins Gespräch kommen. Wir diktieren zwar nichts, es geht uns aber um die Zielsetzung und die Wirkung der Projekte in der Region. Das läuft auf einer partnerschaftlichen Ebene.

Wie viel Geld nehmen Sie in der Förderphase bis 2021 in die Hand?

Glogowski: Das sind rund fünf Millionen Euro. Wir haben in den vergangenen 23 Jahren rund

25 Millionen Euro ausgeschüttet.

Schulz: Wir suchen aber auch immer nach weiteren Partnern, nach Stiftungen und Sponsoren, die ebenfalls Geld in die Hand nehmen, um ein Projekt zu unterstützen. Projekte sind sicherer, wenn sie auf mehreren Schultern ruhen. Beim Schloss Fürstenberg etwa haben die Nord LB und die Landessparkasse fünf Millionen auf den Tisch gelegt, um das Schloss zu sanieren. Das Geld war daran geknüpft, dass weitere Spender gewonnen werden können, um eine Gesamtsumme von zehn Millionen Euro zu stemmen. Unsere Aufgabe lag darin, die Sponsoren zu finden. Sonst wäre die Ausschüttungssumme für das Schloss gleich Null gewesen. Wir sind zwar auch finanziell beteiligt, in diesem Fall lag unsere Aufgabe aber vorrangig im Sammeln der Beiträge.

Ist das eine neue Aufgabe von Stiftungen?

Schulz: Ja, es geht auch darum, sich gesellschaftlich einzubringen. In unserem Vorstand und in unserem Kuratorium sitzt ein repräsentativer Querschnitt des gesellschaftlichen Lebens. Dieses Pfund gilt es einzusetzen.

Damit treten Stiftungen aber in Bereiche ein, für die eigentlich der Staat zuständig ist.

Schulz: Das ist genau das Thema. Das ist heikel. Stiftungen dürfen keine Ersatzrolle spielen. Wir tun Vermögenden in gewissen Bereichen aber einen riesigen Gefallen, indem wir aufzeigen: „Das, was dir am Herzen liegt, das können wir über eine Stiftung regeln.“ Wir haben Hochvermögende, die ihren Besitz aus dem Nichts aufgebaut haben. Sie wissen genau, was sie dieser Gesellschaft zu verdanken haben. Es ist eine hochverantwortungsvolle Aufgabe, solche Anliegen im Sinne der Stifter auch nach deren Ableben weiter fortzusetzen. Das gilt besonders in einer Zeit, in der der Staat in gewissen Bereichen überfordert ist. Wenn eine Zeit für Stiftungen reif ist, dann jetzt.

Richter: Stiftungen gehen sehr präzise mit ihren Mitteln um. Sie schauen ganz genau, was etwa Aufgabe einer Kommune ist, und in welchen Bereichen eine Stiftung sich einsetzen sollte. Wir haben es mit einem gesellschaftlichen Umverteilungsprozess zu tun. Dieser ist wichtig.

Aber sind das nicht Entscheidungen, die in den Haushaltsausschüssen der Städte und Kreise getroffen werden müssten – statt von einzelnen Vermögenden?

Schulz: Das Stiftungswesen darf sich nicht zu weit vom Souverän, den Bürgern, entfernen. Es braucht eine Balance.

Glogowski: Es gibt Parteien, die schon beim Gedanken daran, dass eine Stiftung sich einsetzt, Kontra geben. Das sei ein Kreis von wenigen Leuten, die geheim tagen, heißt es dann. Diese Diskussion ist aber tödlich. Denn nur unter diesen Bedingungen fließt das Geld von Stiftungen. Es wäre sonst gar nicht vorhanden.

Am Ende gibt es vielleicht einen Teil der Bevölkerung, der nicht oder kaum berücksichtigt wird, wenn Stiftungen wesentliche Prozesse regeln.

Glogowski: Stiftungen sind ein zusätzlicher, aber wichtiger gesellschaftlicher Faktor.

Schulz: Jeder Stifter muss willkommen sein. Stiftungen sind nicht regulierbar, sie leisten aber einen wichtigen Anteil für die Gesellschaft. Wer sein Geld in die Hand nimmt, will bestimmen, wofür es ausgegeben wird. Das ist doch ganz klar.

Mit welchen Aufgaben will sich Ihre Stiftung in den kommenden fünf Jahren schwerpunktmäßig beschäftigen?

Richter: Das werden zum Beispiel die Nachlässe von Künstlern aus der Region sein. Ich denke da an Malte Sartorius, an Gerd Winner und andere. Da arbeiten wir zusammen mit den Künstlern und weiteren Partnern an einem Modellkonzept.

Schulz: Wenige wissen, dass wir in unserer Region viele namhafte Künstler haben. In Summe ist das faszinierend. Wir wollen Kunst und Kultur fördern, wir wollen auch das Braunschweigische fördern. In dieser Kombination fördern wir beides.

Einen Kommentart zum Thema finden Sie hier: Die Milliarden der Stifter