Göttingen. Die Polizei schlug am frühen Donnerstagmorgen in Göttingen und Kassel zu. Zwei Männer sollen einen Terror-Anschlag geplant haben.

Die Polizei hat am frühen Donnerstagmorgen in Göttingen und Kassel zwölf Gebäude durchsucht, zwei Männer festgenommen und etliche Schusswaffen sichergestellt. Laut Polizei gehören die beiden zur salafistischen Szene, sie sollen konkrete Pläne gehabt haben, einen oder mehrere Terror-Anschläge zu begehen.

Einige Stunden später drängen sich Medienvertreter in einem großen Saal einer Polizeidienststelle am nördlichen Stadtrand Göttingens. An mehreren langen, braunen Tischen sitzen Göttingens Polizeipräsident Uwe Lührig, sein Stellvertreter Bernd Wiesendorf und Volker Warnecke, Leiter der Göttinger Kriminalpolizei.

„Die polizeilichen Maßnahmen waren mit einem hohen Risiko für die Einsatzkräfte verbunden.“
„Die polizeilichen Maßnahmen waren mit einem hohen Risiko für die Einsatzkräfte verbunden.“ © Uwe Lührig, Polizeipräsident von Göttingen

Lührig und seine Kollegen wirken entspannt. Sie sehen es als großen Erfolg, die beiden Islamisten dingfest gemacht zu haben. „Die Hinweise auf eine Gefahrenlage haben sich im Laufe dieser Woche verdichtet“, sagt Lührig. Zu den Durchsuchungen seien Spezialkräfte und Sprengstoffspürhunde hinzugezogen worden, weil die beiden Männer nach Überzeugung der Polizei sehr gefährlich sind. „Wir waren uns bewusst, dass die polizeilichen Maßnahmen mit einem hohen Risiko auch für die Einsatzkräfte verbunden waren“, so Lührig. Der Einsatz habe an allen Orten gleichzeitig um 5 Uhr morgens begonnen und etwa eine Stunde gedauert – „in einzelnen Fällen etwas länger“.

Auch Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) ist voll des Lobes. Er spricht von einem „sehr wichtigen Schlag gegen die Szene“. Pistorius sagt weiter: „Durch die konsequente Ermittlungsarbeit aller Beteiligten konnte in diesem Fall sehr schnell und konsequent eingegriffen und eine konkrete Gefahrenlage verhindert werden.“

„Es drohten Anschläge, wie wir sie schon in den vergangenen Monaten in Deutschland erleben mussten.“
„Es drohten Anschläge, wie wir sie schon in den vergangenen Monaten in Deutschland erleben mussten.“ © Volker Warnecke, Leiter der Göttinger Kriminalpolizei

450 Beamte seien insgesamt im Einsatz gewesen, teilt die Polizei mit. Verletzt wurde niemand, betont Polizeivizepräsident und Einsatzleiter Bernd Wiesendorf. „Es gab nur ein paar Sachschäden an Türen.“ Durchsucht wurden zehn Wohnungen und ein Geschäftsgebäude in Göttingen sowie eine Wohnung in Kassel – religiöse Einrichtungen waren laut Polizei nicht darunter.

Bei den beiden Verdächtigen, die nun in Gewahrsam sind, handele es sich um einen 27-jährigen Algerier und einen 23-jährigen Nigerianer, so Lührig. Sie seien aber keine Flüchtlinge, betont Kripo-Chef Warnecke. Beide Männer hätten zwar keinen deutschen Pass, seien aber hier geboren und lebten mit ihren Familien schon seit Jahren in Göttingen. Sie hätten auch Kontakte zu Salafisten in Hildesheim (Moschee des Deutschsprachigen Islamkreises) und Wolfsburg gehabt.

Die konkrete Gefahr sei nun gebannt, sagt Warnecke. „Aber wir ermitteln weiter. Wir können noch nicht abschließend sagen, ob nicht auch von weiteren Personen Gefahr ausgeht.“ Kontakte der Männer ins Ausland oder Aufenthalte in Kampfgebieten des „Islamischen Staates“ seien nicht bekannt.

Was für eine Art Anschlag die Männer geplant haben sollen, dazu macht niemand konkrete Angaben. „Es drohten unserer Überzeugung nach Anschläge, wie wir sie schon in den vergangenen Monaten in Deutschland erleben mussten“, sagt Warnecke nur. Später spricht er von vagen Hinweisen auf einen Anschlag mit Schusswaffen, der unmittelbar bevorstand. Wo, das sagt er nicht.

Waffen haben die Polizisten jedenfalls reichlich gefunden. Sie liegen jetzt auf einem Tisch neben den drei Polizisten, auf zwei verbotenen Flaggen der Terrororganisation Islamischer Staat, die ebenfalls sichergestellt wurden. Dort liegen unter anderem eine Art Maschinenpistole, Pistolen, Revolver, eine Machete. Zwei auffallend altmodische Pistolen mit großen Holzgriffen sind auch darunter. Wo die Festgenommenen sie herhätten, wisse sie nicht, sagt Julia Huhnold, Leiterin der Pressestelle der Göttinger Polizei. „Aber mich erinnern die total an einen Piratenfilm“, sagt sie und lacht.

Alle Waffen konnten laut Polizei ohne Waffenschein erworben werden, da es sich ursprünglich nicht um scharfe Waffen gehandelt habe. Mindestens zwei Handfeuerwaffen wurden aber nachträglich scharf gemacht, einige der übrigen werden erst noch untersucht. Auch scharfe Munition stellten die Beamten sicher.

Die Verdächtigen sind nun auf Anordnung des Göttinger Amtsgerichts im sogenannten Langzeitgewahrsam. Er kann gegen Personen verhängt werden, von denen eine Gefahr ausgeht. Ob die beiden Männer nun in Untersuchungshaft kämen, müssten Staatsanwalt und Richter im Laufe der Ermittlungen entscheiden, so Warnecke. Ziel sei es, die Männer abzuschieben. Das betonen sowohl Warnecke als auch Innenminister Pistorius.

Die beiden Verdächtigen rückten schon im März 2016 ins Fadenkreuz der Ermittler, so Warnecke. Es ging um den Verdacht, dass zwei Mitglieder der Salafisten-Szene illegal Waffen kaufen wollten. Damals sei eine siebenköpfige Ermittlungsgruppe gegründet worden. Mehr Details nennt Warnecke nicht. Einer der seinerzeit Festgenommenen war allerdings nach Informationen des NDR ein damals 26-jähriger Algerier – womöglich also derselbe Mann, der nun wieder verhaftet wurde.