Wolfenbüttel. Eine gut zugängliche Ausstellung im Schloss Wolfenbüttel erklärt einfallsreich, was KI kann und was nicht. Gute Fütterung ist wichtig!

„Bitte mal mir ein Schaf“, wünschte sich der Kleine Prinz von Saint-Exupéry, was anschaulich gelang. Mit einem Schaf hätte wohl auch der Wolfenbütteler Barockmaler Tobias Querfurt keine Probleme gehabt, die kannte er aus eigener Anschauung. Aber einen Löwen nicht, und so kritisieren noch heute viele Besucherinnen, dass ihm das Tier auf seinem Gemälde im Schloss nicht besonders gelungen sei. Er war eben auf Beschreibungen angewiesen.

Heute würde uns das die KI am Computer im Handumdrehen liefern, meint man. Schauen wir mal. Die wirklich sehr gut gemachte Sonderausstellung „Alles Kunst. KI schreibt Geschichte(n)“ im Wolfenbütteler Schloss stellt sehr anschaulich und oft zum Mitmachen die Chancen und Grenzen der Künstlichen Intelligenz vor. Gibt man der KI nun auch nur Beschreibungen über einen Löwen, wie sie etwa in einem Lexikon von 1731 zu finden sind, ohne das Wort Löwe selbst zu verraten, kommt sie, wie an den Ausdrucken zu sehen ist, auch zu einer sehr vielfältigen Darstellung des Königs der Tiere, die zwischen disneymäßigem Mähnentier, wolfsartigem Räuber und mythischem Höllenwesen schwankt.

Wechselnde ethische Grenzen bei KI-erstellten Bildern

Mag dem Menschen noch die Fantasie helfen – oder Streiche spielen, so kann die KI immer nur so gut sein, wie das Material, das ihr zur Verfügung steht. Bildaufträge mit Beschreibungen, den sogenannten Prompts, einer Vorgängerschau in Rinteln wurden nun ein Jahr später für Wolfenbüttel nochmal neu an die KI vergeben, und die Ergebnisse unterscheiden sich deutlich. Ein mürrischer Trump auf der Christbaumkugel ließ sich gar nicht mehr erzeugen. „Die ethischen Einschränkungen gerade bei Promis und Politikern haben zugenommen. Nur der Papst lässt noch immer fast alles mit sich machen“, erläutert Museumsleiterin Sandra Donner. Auch dystopische Bilder würden stark eingeschränkt. Die KI soll offenbar eher positive Stimmung verbreiten.

Zum Wolfenbütteler Schloss soll nun während der Ausstellungslaufzeit auch mithilfe der Besuchenden eine Bildersammlung angelegt werden, die die KI zum Abbild des geschichtsträchtigen Gemäuers zusammenfassen soll. Dazu müssen die Mitwirkenden Vorschläge wie das Schloss Salzdahlum oder das Zeughaus aussortieren. Tun sie es nicht, dürfte ein eher merkwürdiges Abbild entstehen. Den Begriff „Maximalabweichung ignorieren“, um offenbar falsch zugeordnete Objekte auszusondern, müsste die KI erst lernen und erlaubt bekommen.

Als der Venussaal noch Turnsaal war

Donner betont immer wieder die Parallelen zum menschlichen Arbeiten – und die Abweichungen. „Auch wir legen in einem Objekt wie dem Wolfenbütteler Schloss unterschiedliche Quellen übereinander, um uns ein Bild zu machen von einer Epoche und dem Zustand des Gebäudes zur Barockzeit. Oft haben wir nicht die originale Einrichtung, holen Objekte aus der Zeit von woanders hinzu, um den Eindruck zu erzeugen, wie es hätte gewesen sein können.“

Prominentes Beispiel ist der Venussaal, der erst 1970 von anderer Stelle ins Schloss transferiert wurde, in sich original ist, aber nicht zum Schloss gehörte. Und es gab Zwischennutzungen. „Lange Zeit war die Anna-Vorwerk-Mädchenschule in diesen Räumen untergebracht und betrieb hier einen Turnsaal. Wir haben leider keine Fotozeugnisse, nur Beschreibungen von ehemaligen Schülerinnen“, so Donner. Daraus hat KI im Abgleich mit Bildern anderer solcher Turnsäle eine maßgenaue 3D-Vision entworfen, die nun im Schloss via VR-Brille betrachtet werden kann – der Venussaal wird wieder Turnsaal. Mit von der Decke hängenden Ringen. Deren Halterungen, so Donner, habe man unter der später eingebauten Venusdecke auch gefunden.

Sprechende Gemälde und ein Chat mit dem Herzog

Belebt wird der Parcours vor allem durch die Interventionen von HBK-Studierenden, die im Studiengang Kunstwissenschaft versuchten, das Medium KI für das barocke Leben im Schloss, seine Geschichte und Geschichten nutzbar zu machen. Da unterhält sich dann das KI-generierte Herzogspaar als belebtes Gemälde über seinen Tagesablauf. Alles ist dabei fake, die grelle Aufmachung, die umständliche, aber nicht barock saftige Sprache, und der Inhalt. Anton Ulrich behauptet, sich gleich morgens an die Geschäfte zu begeben, die Gattin korrigiert, er würde sich erst frisieren und rasieren. Aber auch dem so verlebendigten Dialogen darf man nicht trauen. Der Herzog wird natürlich von einem Diener frisiert, wie er im immersiven Smartphone-Interview an anderer Stelle, wo man ihn direkt fragen kann, auch zugibt.

Ergänzungen im Parcours durch HBK-Studierende: So kann man am Smartphone mit Herzog Anton Ulrich chatten. Er beantwortet Fragen.
Ergänzungen im Parcours durch HBK-Studierende: So kann man am Smartphone mit Herzog Anton Ulrich chatten. Er beantwortet Fragen. © JDG_Museum Wolfenbüttel | JDG_Museum Wolfenbüttel

Wie viel Sinn es macht, Musik oder Gedichte des Barock per KI zu generieren, wo es doch genug Aufnahmen der originalen Alten Musik gibt, kann der Besuchende selbst entscheiden, es geht hier auch darum darum, zu zeigen, was geht. Ob so ein Ergebnis künstlerisch überzeugt und überhaupt Kunst ist, muss diskutiert werden. Wir brauchen keinen Pseudo-Barock und nicht Beethovens X. Mit sichtlich nachgemachten barockartigen Vasen aus dem KI-Drucker legen gerade die Studierenden Wert darauf, dass Imitat nicht für Original gehalten wird. Was zuvor bei den Fälschungen auf dem Sims im Thronsaal der Fall war. Wie HBK-Institutsleiter Burkhard Krüger betont: „Man kann KI affirmativ, aber eben auch kritisch nutzen.“

Malen im Selbstgespräch mit dem KI-erzeugten Resümee seiner Bilder

Für den zeitgenössischen Künstler Alexander Iskin, Goslarer Kaiserring-Stipendiat 2020, ist die KI ein Medium zum Ausprobieren. Als Mischung aus Dada und Tinguely kommt seine „Professorin Kaffeemaschine“ daher, ein Saugroboter, der Kaffee bereitet, aber durch KI auch trainiert ist, Iskins farbkräftige Gemälde zu erkennen. Er scannt sie durch und liefert eine noch etwas kryptische Analyse per Quittungsdrucker am Gerät.

Der Berliner Künstler Alexander Iskin nutzt KI auch für seine Werke. So präsentiert er die „Professorin Kaffeemaschine“, die Bewertungen aus dem KI-gesteuerten Quittungsdrucker auswirft.
Der Berliner Künstler Alexander Iskin nutzt KI auch für seine Werke. So präsentiert er die „Professorin Kaffeemaschine“, die Bewertungen aus dem KI-gesteuerten Quittungsdrucker auswirft. © Andreas Berger | Andreas Berger

Iskin hat aber auch seine Gemälde in die KI gefüttert, die daraus ein Resümee-Bild konzentrierte, quasi sein Urmotiv. „Ich habe es neunmal auf Leinwände gedruckt und dann übermalt, das war ein intensives Selbstgespräch, das ich sonst so nicht hätte haben können.“ An sich betreibt er malerischen „Interrealismus“, mit dem er das digitale 0/1-Entweder/Oder, die Himmel/Hölle-Strategie, aufbrechen will. Und so heißt sein ohne KI entstandenes Gemälde auch „Sugar Hell“. Viel zu erleben, in dieser Schau.

Bis 1. September, Di.-So. 10-17 Uhr.
Infos: www.https://www.museumwolfenbuettel.de/Schloss-Museum/