Königslutter. Täter verwüsten Rettungswagen, in den die Sanitäter flüchten. Braunschweigs Polizeivizepräsident: Vorfall macht mich fassungslos.

Nach dem tätlichen Angriff auf zwei Rettungssanitäter in Königslutter sind beide wieder im Einsatz. Dies teilte ein Sprecher des Malteser Hilfsdienstes, der die Rettungswache in Königslutter betreibt, am Freitag auf Anfrage unserer Zeitung mit. Die 23 und 44 Jahre alten Kräfte waren nach dem Vorfall am späten Mittwochabend zunächst dienstunfähig.

„Beide Sanitätskräfte sind derzeit wieder im Dienst. Sie sind körperlich unversehrt, aber noch immer sehr geschockt von dem Erlebten“, machte Pressesprecher Michael Lukas deutlich. Eine der beiden angegriffenen Personen habe ihm dazu im Gespräch gesagt: „Wir lassen uns nicht einschüchtern und tun weiterhin das, was wir gelernt haben.“ Den Rettungssanitätern sei seitens der Malteser Hilfe angeboten worden. Direkt nach dem Angriff hätte eine der betroffenen Personen die interne Hotline für psychosoziale Notfallversorgung in Anspruch genommen.

Einsatz am Mittwochabend in Königslutter eskaliert

Das war passiert: Ein Rettungseinsatz in Königslutter war am späten Mittwochabend eskaliert. Der 24-jährige Patient, zu dem zwei Rettungssanitäter (23 und 44 Jahre) wegen eines medizinischen Notfalls gerufen worden waren, griff gemeinsam mit einem Freund (28) die Helfer tätlich an. Der Übergriff ereignete sich gegen 23 Uhr in der Marktstraße. Polizeisprecherin Melanie aus dem Bruch hatte zunächst mitgeteilt, dass „die Sanitäter zwar körperlich unverletzt geblieben sind“, jedoch nicht mehr dienstfähig waren. Am Rettungswagen entstand hoher Schaden. Die Täter wurden nicht verletzt.

Sanitäter wurden zu einem medizinischen Notfall in Königslutter gerufen

„Die Rettungswagenwagenbesatzung war vom Mieter der Wohnung, in der die beiden späteren Täter zu Besuch waren, gerufen worden“, schildert die Polizeisprecherin den Hergang. Es habe Verdacht bestanden, dass der 24-Jährige eine erhebliche Menge an Tabletten zu sich genommen habe, die zu einem lebensbedrohlichen Zustand führen könnten. Der 24-Jährige lehnte jedoch eine medizinische Behandlung ab und bedrohte stattdessen mit seinem 28 Jahre alten Freund die Rettungssanitäter. Diese flüchteten sich deshalb ins Rettungsfahrzeug und alarmierten die Polizei.

Angreifer in Königslutter verwüsten Rettungswagen

Dabei wurden sie von den Männern verfolgt, die im weiteren Verlauf den Rettungswagen mit Gegenständen bewarfen und versuchten, in das Fahrzeug einzudringen. „Als ihnen dies nicht gelang, öffneten sie die nicht verschlossene Fahrerkabine und verwüsteten das Innere. Dabei wurden Funkgeräte, Laptops, Handys und Bedienteile erheblich beschädigt.“ Bis zum Eintreffen der alarmierten Beamten, eilten laut Polizei Gäste eines benachbarten Lokals den Rettungskräften zu Hilfe. Doch erst einer Vielzahl von Streifenbesatzungen gelang es, die Angreifer zu stoppen und die Lage zu beruhigen.

„Aufgrund des tätlichen Angriffs standen die beiden Sanitäter erheblich unter Schock und konnten ihren Dienst nicht weiter ausüben“, berichtet die Polizeisprecherin. Der Rettungswagen sei durch die Männer so stark beschädigt worden, dass er nicht mehr einsatzbereit war.

Strafverfahren wegen tätlichen Angriffs und gemeinschädlicher Sachbeschädigung eingeleitet

Der 24-Jährige wurde schließlich mit einem anderen Rettungswagen in die Klinik nach Helmstedt gefahren. „Dort wurde er aufgrund seines ursprünglichen Krankheitsbildes medizinisch behandelt“, berichtet Melanie aus dem Bruch. „Sein 28 Jahre alter Freund wurde nach Abschluss der polizeilichen Maßnahmen entlassen.“ Gegen beide Täter wurden Strafverfahren wegen tätlichen Angriffs und gemeinschädlicher Sachbeschädigung eingeleitet.

Wenn Rettungskräfte in Ausübung ihrer Tätigkeit angegriffen werden, und dann noch unter anderem von der Person, der geholfen werden sollte, dann ist eindeutig eine Grenze überschritten.
Jens aus dem Bruch, Leiter des Polizeikommissariats Königslutter

„Wenn Rettungskräfte in Ausübung ihrer Tätigkeit angegriffen werden, und dann noch unter anderem von der Person, der geholfen werden sollte, dann ist eindeutig eine Grenze überschritten“, so Jens aus dem Bruch, Leiter des Polizeikommissariats Königslutter, der den Angriff auf die Rettungssanitäter auf Schärfste verurteilt.

Braunschweigs Polizeivizepräsident Lange: Solche Vorfälle machen mich fassungslos

Auch der Vizepräsident der Polizeidirektion Braunschweig (PD), Uwe Lange, zeigte sich entsetzt über den Vorfall. Gegenüber unserer Zeitung erklärte er: „Für Menschen, die Gewalt gegen unschuldige Personen anwenden, habe ich keinerlei Verständnis. Richtet sich die Gewalt dann sogar gegen Menschen, die anderen Hilfe leisten, bin ich fassungslos.“ Die Polizeidirektion Braunschweig nehme dieses Thema sehr ernst und werde weiterhin entschieden gegen jede Form von Gewalt vorgehen, so Lange.

Uwe Lange, Vizepräsident der Polizeidirektion Braunschweig, äußert sich zu dem Vorfall in Königslutter.
Uwe Lange, Vizepräsident der Polizeidirektion Braunschweig, äußert sich zu dem Vorfall in Königslutter. © FMN | Lars Bernert

Dass das notwendig ist, verrät auch der Blick in die polizeiliche Kriminalitätsstatistik. So bleibt die Zahl der Angriffe auf Einsatzkräfte der Polizei sowie andere Mitglieder von Rettungsdiensten im vergangenen Jahr landesweit und regional auf einem hohen Niveau. So registrierte die Polizeidirektion Braunschweig in Fällen von Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten mit 637 nur einen leichten Rückgang von Straftaten im Vergleich zum Jahr 2022 (662). Insgesamt seien dabei 1465 Polizistinnen und Polizisten Opfer einer Straftat geworden. 250 von ihnen wurden nach Angaben der PD verletzt, zwei von ihnen schwer.

Polizeidirektion: Etwas mehr Angriffe auf Rettungskräfte

Bei Angriffen auf Rettungskräfte erhöhte sich laut Polizeiangaben die Zahl noch einmal minimal. Für das Jahr 2023 führt die Statistik 43 Taten (plus 4) auf, 61 Personen werden hier als Opfer der Attacken geführt. Aus dem Vor-Corona-Jahr 2019 sind nur 27 Fälle bekannt, bei denen Helfer im Einsatz angegriffen worden waren.

Experten sprechen hier jedoch von einem sehr hohen Dunkelfeld. „Nur ein Bruchteil der Anzeigen wird am Ende vor Gericht verhandelt, die meisten wegen zu geringer strafrechtlicher Relevanz eingestellt. Das ist ärgerlich, gehört aber zur Wahrheit, wenn man über Angriffe auf Einsatz- und Rettungskräfte spricht“, erklärte Marco K. König, Vorsitzender des Berufsverbandes Deutscher Rettungsdienst, gegenüber unserer Zeitung.

Eine derartige Eskalation, aus welchen Gründen auch immer, ist durch nichts zu rechtfertigen.
Gerhard Radeck, Landrat in Helmstedt

Entsetzt über den Angriff auf die Rettungskräfte ist auch Helmstedts Landrat Gerhard Radeck: „Wenn der Rettungsdienst zu Hilfe gerufen wird, ist eine derartige Eskalation, aus welchen Gründen auch immer, durch nichts zu rechtfertigen. Das können wir als Staat nicht dulden.“ Das Verfolgen der Sanitäter und das Zerstören des Einsatzfahrzeuges sei ein aktives fortgesetztes Handeln, das durch nichts zu entschuldigen sei. „Ich hoffe, dass die beiden Sanitäter den Vorfall gut verkraften und wünsche ihnen alles Beste.“

Vorsorglich zur Unterstützung alarmiert worden, war nach eigenen Angaben auch die Feuerwehr Königslutter. Sie musste dank des schnellen Eintreffens der Polizei jedoch nicht eingreifen. „Wir wünschen der Rettungswagenbesatzung viel Kraft bei der Bewältigung dieses nicht akzeptablen Einsatzes“, so Robert Ütze, Ortsbrandmeister von Königslutter.

Mehr wichtige Nachrichten aus dem Landkreis Helmstedt lesen:

Täglich wissen, was in Helmstedt passiert: