Berlin. Aufforstungs-Projekte sollen dabei helfen, den CO2-Ausstoß auszugleichen. Experten erklären, wann solche Projekte sinnvoll sein können.

Nach Mallorca fliegen und den Ausstoß des Klimagases CO2 durch das Pflanzen von Bäumen ausgleichen? Klingt praktisch: Mit wenig Aufwand wird die schädliche Wirkung des Gases verringert – zumindest dann, wenn man den Aussagen glaubt, mit denen für solche Kompensationen geworben wird. Und das geschieht nicht nur beim Fliegen, sondern auch beim Einkauf im Supermarkt oder beim Tanken.

In der Theorie ergeben Aufforstungsprojekte durchaus Sinn: Bäume nehmen bei der Photosynthese CO2 auf und können den enthaltenen Kohlenstoff langfristig binden. Damit tragen sie zum Klimaschutz bei. In der Praxis ist die Rechnung allerdings nicht ganz so einfach.

Eine Studie der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich machte 2019 Hoffnung. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kamen zu dem Schluss, dass die Erde 900 Millionen Hektar Wald mehr tragen könnte als jetzt. Würden diese Flächen aufgeforstet, könnten 205 Gigatonnen Kohlendioxid aufgenommen werden, was knapp zwei Drittel der menschengemachten Emissionen wären. Doch die Studie erntete heftige Kritik. Die Untersuchung, urteilten andere Forscherinnen und Forscher, sei zu ungenau. Sie ließe wichtige Faktoren außen vor, und auch die Zahlen seien viel zu optimistisch.

CO2-Reduktion: Aufforstungen erst in zehn bis zwanzig Jahren wirksam

„Es wird oft so dargestellt, als wäre es das Einfachste der Welt, rauszugehen und Bäume zu pflanzen. Aber in der Realität ist das Aufforsten keine Universallösung“, sagt Christopher Reyer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Der Wissenschaftler forscht vor allem zu den Auswirkungen des Klimawandels auf Wälder und andere Ökosysteme.

Grundsätzlich sei es natürlich sinnvoll und wichtig, Bäume zu pflanzen, sagt Reyer. Kritischer sieht er aber den „Ausgleichshandel“, der durch die CO2-Kompensation geschaffen werde. „Das Komplizierte daran ist, dass die Bäume über einen langen Zeitraum wachsen müssen, während die Emissionen mit einem Flug oder einer Industrietätigkeit ausgestoßen werden. Das heißt: Man geht erst mal in Vorkasse“, erklärt Reyer.

Das sieht auch Sandra Hieke so, Waldexpertin der Umweltorganisation Greenpeace. „Bis eine Aufforstung eine positive CO2-Bilanz hat, können zehn bis zwanzig Jahre vergehen“, sagt die Forstwirtin. Wichtiger sei es, Emissionen zu senken und Wälder zu schützen. Gerade die kommenden 20 Jahre, da sind sich Forschende einig, seien entscheidend, wenn es um die Eindämmung des Klimawandels geht. „Um das Zwei-Grad-Ziel oder besser noch das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, müssen wir die Emissionen schnell senken“, betont Reyer. So weiterzumachen wie bisher und gleichzeitig zu kompensieren, mache keinen Sinn.

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Schwer sicherzustellen, dass Bäume lange wachsen

Hinzu kommt, dass der in Pflanzen gespeicherte Kohlenstoff nicht mit fossilem Kohlenstoff vergleichbar ist. „Im Wald ist Kohlenstoff nie so langfristig gebunden wie in fossilen Energieträgern“, sagt Hieke. Denn würden Wälder brennen oder abgeholzt oder zu kurzlebigen Produkten verarbeitet, könnte der Kohlenstoff wieder freigesetzt werden. Genau das ist eine große Gefahr bei Aufforstungsprojekten.

Zwar sei es leicht, CO2-Emissionen zu beziffern und mit einem Preis zu versehen, sagt Reyer. „Aber sicherzustellen, dass diese Bäume auch gepflanzt werden, dass sie überleben, wachsen und nicht etwa durch Waldbrände zerstört oder aufgrund eines hohen Landnutzungsdrucks abgeholzt werden, ist sehr schwierig“, so der Waldexperte.

Außerdem muss Reyer zufolge bei Aufforstungen immer beachtet werden, welche Baumarten wo gepflanzt werden. „Wird auf der Fläche, die dann aufgeforstet wird, eine andere Landnutzung verdrängt, was dann dazu führt, dass anderswo auf der Welt ein höherer Druck zur Entwaldung entsteht, ist das problematisch“, sagt er.

Bäume pflanzen nicht immer sinnvoll

Ein weiterer Kritikpunkt: Bei Aufforstungsprojekten würden häufig Monokulturen angelegt. Diese sind laut Greenpeace anfälliger für Schädlinge oder Brände und haben eine geringere Biodiversität. Schließlich spiele auch der soziale Aspekt eine Rolle. „Wenn ausländische Firmen darin investieren, vor Ort Bäume zu pflanzen, ist es wichtig, dass die lokale Bevölkerung mit eingebunden wird, langfristig davon profitiert und dass der gesamte Prozess fair vonstattengeht“, sagt Sandra Hieke.

Sie betont zudem, dass der Wald in vielen Gebieten auch ohne menschliche Eingriffe zurückkomme und eine Pflanzung somit nicht notwendig sei. Ein Punkt, den auch Uwe Sayer betont. Er ist Geschäftsführer von Forest Stewardship Council (FSC) Deutschland. Der Verein zertifiziert nachhaltige Forstwirtschaft: „Umso stabiler ein Waldökosystem ist, umso wahrscheinlicher ist es, dass es alt wird, und umso größer ist die CO2-Senke.“ Und wenn auf Flächen schon Bewuchs da sei, müsse man sich die Frage stellen, ob es vielleicht klüger sei, mit dem zu arbeiten, was da sei. „Erst mal, weil es eben schon da ist und nichts kostet. Aber auch, weil Pflanzen ein komplizierter Eingriff ist und ein gewisses Risiko birgt.“

CO2-Kompensation muss mit Nachdenken einhergehen

Grundsätzlich aber, so Sayer, sei das Pflanzen von Bäumen positiv. Wichtig sei, dass dabei intakte Waldökosysteme entstünden. Außerdem müsse mehr darüber nachgedacht werden, welche anderen Möglichkeiten der Wald zur CO2-Senkung biete, etwa indem man Bäume älter werden lasse oder den Boden schütze: „Wenn man ein stabiles Waldökosystem hat, finden CO2-Senken an ganz vielen Stellen im Wald statt.“

Für PIK-Wissenschaftler Reyer ist das Pflanzen als CO2-Kompensation auch aus einem anderen Grund positiv. „CO2-Kompensationen führen dazu, dass man sich Gedanken macht“, sagt er. Wenn also eine Kompensationszahlung mit einem Nachdenken einhergehe und man künftig vielleicht weniger fliege, sei die Kompensation gut. „Wenn man aber einfach nur immer ein Feld anklickt und ansonsten nichts ändert, weder an seinem Lebensstil noch in seiner Denkweise, dann hat man sich quasi selber grün gewaschen.“