Berlin. Gründer von Merantix ist Informatiker Rasmus Rothe. Ziel ist es, künstliche Intelligenz für den industriellen Einsatz zu entwickeln.

Luftige Flure, Unmengen an Computern und noch etliche unausgepackte Kartons: Das Start-up Merantix hat gerade erst neue Räume am Oranienburger Tor in Mitte bezogen.

Gegründet vor zweieinhalb Jahren und vor einem Jahr bereits 13 Mitarbeiter stark, hat sich die Zahl der Angestellten noch einmal verdreifacht. Kein Wunder, denn künstliche Intelligenz (KI), das Geschäftsfeld von Merantix, ist ein Megatrend.

Industrie könnte sich fundamental wandeln

„Künstliche Intelligenz wird in den nächsten zehn Jahren in allen Industriezweigen angekommen sein, und einige werden sich sogar fundamental wandeln“, sagt Merantix-Gründer Rasmus Rothe.

Sein Unternehmen soll dabei eine wichtige Rolle spielen. Dafür konnte der 29-Jährige mehrere Investoren gewinnen, die an sein Projekt glauben – Einzelpersonen wie auch institutionelle Anleger.

Roboter für Wettbewerb Jugend forscht gebaut

Der gebürtige Bremer hat früh angefangen, sich mit KI und deren Vorläufern zu beschäftigen. Rothe baute Roboter für Jugend forscht, studierte später Informatik in Oxford und Princeton. Ein Praktikum bei Google hätte ihm die Türen im Silicon Valley öffnen können. Doch er zog es vor, in Zürich zu promovieren.

Daneben baute Rasmus Rothe den Hackathon HackZurich auf, eine Veranstaltung, die sich vor Bewerbern mittlerweile kaum mehr retten kann. Mit Hackern, wie der Name nahelegen könnte, hat das Event aber weniger zu tun. „Eher ist das eine Party für Programmierer, ein kollegialer Wettbewerb“, erklärt Rasmus Rothe.

Dabei machen sich die Teilnehmer in Teams daran, Lösungen für ein digitales Problem zu finden. Die jeweiligen Fälle sind real – sie werden von Unternehmen eingebracht. Manche von ihnen stellen auch gleich Schnittstellen und Daten zur Verfügung.

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    Plattform und Netzwerk

    Rothes Geschäftsidee funktioniert ähnlich. Merantix soll eine Plattform sein, auf der Unternehmen Unterstützung finden, die KI für den industriellen Einsatz entwickeln. Gleichzeitig bietet Merantix Experten, Forschungseinrichtungen und der In­dus­trie die Möglichkeit, sich zu vernetzen.

    „Merantix ist ein Dach, unter dem spezialisierte Firmen entwickelt werden sollen, die an ganz konkreten Anwendungen arbeiten“, sagt Rothe. „Oft ist die Grundlagenforschung schon länger an bestimmten Themen oder Aufgabenstellungen dran. Die Herausforderung für uns ist, Forschungs­-­ergebnisse in robuste und verlässliche Anwendungen zu bringen.“

    Das sei der Zweck von Merantix, erklärt der 29-Jährige: „Der Wissenstransfer in sinnvolle Anwendungen, die po­ten­zielle Kunden auch wirklich benutzen wollen.“

    Diagnoseverfahren in der Radiologie

    Etliche Projekte sind bei Merantix im Aufbau begriffen, zwei Firmen bereits im fortgeschrittenen Stadium. Eine davon entwickelt Diagnosemöglichkeiten in der Radiologie. Es geht dabei um Bilderkennungsverfahren, die Ärz­ten viel Arbeit abnehmen können.

    Denn Radiologen müssen für ihre Diagnosen eigentlich viele Aufnahmen anschauen. Bei Merantix arbeitet man nun daran, die Ärzte bei der Bildauswertung maschinell zu unterstützen. Einerseits soll das Zeit sparen, andererseits soll mit dem Verfahren ausgeschlossen werden, dass der Mensch etwas übersieht.

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      KI fürs autonome Fahren

      Die zweite fortgeschrittene Firma ist im Automobilbereich aktiv, wo die künstliche Intelligenz für umwälzende Entwicklungen sorgt – Stichwort autonomes Fahren. Doch bevor es so weit ist, müssen entsprechende Systeme getestet werden.

      Zu diesem Zweck werden bei Merantix virtuelle Umgebungen programmiert, in denen das autonome Fahren simuliert und getestet werden kann. Das ist kompliziert und anspruchsvoll, denn vom Wetter bis zur Verkehrssituation können unzählige Eventualitäten zusammenkommen.

      „Das ist momentan die große Herausforderung im Automobilbereich, wir arbeiten diesbezüglich schon mit mehreren großen deutschen Konzernen zusammen“, erzählt Rasmus Rothe.

      Bester Standort Berlin

      Bewusst hat er Merantix in Berlin angesiedelt. „Berlin ist attraktiv, und viele aus dem Fach haben Lust, hierher zu ziehen“, sagt Rothe. „Die Stadt ist einerseits sehr international, andererseits ermöglicht die Nähe zur Politik einen regelmäßigen Austausch zur gemeinsamen Förderung von KI in der Industrie.“

      Angesichts vergleichsweise stark regulierter Märkte in Deutschland und Europa ist dies ein wichtiger Vorteil. Allerdings ist Lobbying nichts für Einzelkämpfer. „Aus der Politik bekamen wir den Rat, wenn wir gehört werden wollten, müssten wir uns zusammenschließen.“

      Deswegen wurde 2018 der KI Bundesverband gegründet, in dessen Vorstand Rothe sitzt und in dem mittlerweile rund 150 Firmen und Experten Mitglied sind.

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        Unterstützung für andere Gründer im Bereich KI

        Mit den wachsenden Aufgaben hat sich auch Rasmus Rothes Arbeit verändert. Er programmiert inzwischen nicht mehr selbst, sondern konzentriert sich darauf, Merantix als Inkubator (Brutkasten) für Gründer weiterzuentwickeln.

        Vieles, was er tut, ist trotz allem noch sehr technisch. Vor allem in der ersten Entwicklungsphase unterstützt er die Projekte unter dem Merantix-Dach mit seiner Expertise. „Das wird dann aber sukzessive immer weniger“, erklärt er.

        Teilnahme an internationalen Konferenzen muss sein

        So oder so muss Rothe auf dem neuesten Stand sein. „Die Branche ist sehr dynamisch. In kurzer Zeit kann viel passieren, und einfach mal drei Jahre lang die Scheuklappen aufzusetzen, funktioniert überhaupt nicht.“

        Ein- bis zweimal im Jahr reist Rothe auf einschlägige internationale Konferenzen, und in der Firma wird sehr genau verfolgt, was sich in der Grundlagenforschung tut. „Wöchentlich gibt es bei uns eine Paper Discussion Group, in der wir dann ein oder zwei aktuelle wissenschaftliche Aufsätze diskutieren“, sagt Rothe. „So bleiben wir am Puls der Zeit.“