Berlin. Laut einer neuen Umfrage hält sich jeder zweite Pädagoge nicht für kompetent genug, um den sicheren Umgang mit Online-Medien zu lehren.

Viele Lehrer sehen zwar die Risiken der Online-Welt für Kinder, wie etwa Cybermobbing, Gewalt oder Pornografie im Netz. Sie fühlen sich beim Thema Jugendmedienschutz aber überfordert. Das ist eines der Ergebnisse des Jugendmedienschutzindex 2018, den die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM) am Dienstag in Berlin vorgestellt hat.

Im Auftrag der FSM hatten Wissenschaftler des Hans-Bredow-Instituts für Medienforschung sowie des JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis erstmals rund 300 Lehrer und Fachpädagogen zum Jugendmedienschutz befragt. Dabei zeigte sich etwa, dass Lehrer durchaus um Gefahren bei der Online-Medien-Nutzung für ihre Schüler wissen.

Gefahren im Netz werden gesehen

Größtes Problem ist nach Meinung der Pädagogen grundsätzlich, dass Kinder und Jugendliche schlicht zu viel Zeit online verbringen – 92 Prozent der befragten Lehrer stimmen dieser Aussage zu, dicht gefolgt von problematischem Kontakt mit Online-Werbung ( 88 Prozent) und der Preisgabe persönlicher Daten im Netz (86 Prozent).

86 Prozent der befragten Lehrer und Fachpädagogen berichten zudem von Online-Mobbing bei den von ihnen betreuten Kindern, 80 Prozent glauben, dass manche ihrer Schützlinge online bereits mit verstörenden Inhalten wie Gewalt- oder Sexdarstellungen in Kontakt gekommen seien. Fast alle Pädagogen sind der Meinung, dass Kinder und Jugendliche bei vielen Online-Themen Hilfestellung benötigen. Dabei steht jedoch weniger die Vermittlung technischer als vielmehr kommunikativer Kompetenzen im Mittelpunkt.

Fast alle (99 Prozent) sehen etwa Unterstützungsbedarf beim Erkennen von Fake News. Auch die Risiken im Bereich Datenschutz (97 Prozent) oder In-App-Käufe (92 Prozent) seien nach Ansicht der meisten Lehrer von den Kindern nicht ohne Hilfe zu erkennen.

Eine Frage der Verantwortlichkeit

Wer aber soll diese Hilfestellungen leisten, und wer trägt eine besondere Verantwortung beim Jugendmedienschutz? Bei einer Antwort sind sich alle befragten Pädagogen einig: die Eltern. Und gerade hier sehen sie offenbar auch große Defizite. Nur jeder Fünfte (19 Prozent) glaubt, dass Mutter und Vater ihre Sache beim Jugendmedienschutz „eher gut“ oder „sehr gut“ machen.

Weiter stark in der Verantwortung stehen laut Umfrage Webseiten-Betreiber und Spielehersteller, Video- oder Bildplattformen wie Youtube und Instagram oder soziale Netzwerke wie Facebook. Sie tragen nach Ansicht der Lehrer und Fachpädagogen eine große Verantwortung (jeweils über 90 Prozent) – kommen dieser aber nicht ausreichend nach. Kaum besser schneidet die Politik bei den Befragten ab.

Interessanterweise sehen Lehrer und Fachpädagogen Schulen (76 Prozent) und außerschulische Einrichtungen (68 Prozent) deutlich seltener in der Verantwortung, Hilfestellung beim sicheren Umgang mit Online-Medien zu leisten.

Gleichzeitig erhalten Schulen und Bildungseinrichtungen mit 63 und 56 Prozent die höchsten Zustimmungswerte im Hinblick auf die angemessene Wahrnehmung dieser Verantwortung.

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    Grenzen der Online-Kompetenz

    Bei der Frage, wer denn der richtige Ansprechpartner sei, wenn etwa Eltern fragwürdige Online-Inhalte entdecken, zeigen sich klare Defizite: Nur 37 Prozent gaben an, geeignete Stellen zu kennen, an die man sich bei Beschwerden über Online-Angebote wenden kann, nur elf Prozent haben solche Stellen bereits einmal kontaktiert.

    Tatsächlich beurteilen sich die befragten Lehrer auch durchaus selbstkritisch und benennen klare Grenzen ihrer Medienkompetenz: Nur 49 Prozent von ihnen glauben, Kinder und Jugendliche im Umgang mit Online-Risiken gut oder sehr gut unterstützen zu können. Die Einschätzung der eigenen Fähigkeiten fällt kaum besser aus.

    Wie geht es weiter?

    „Die Ergebnisse des Jugendmedienschutzindex 2018 werfen bildungspolitische Fragen auf“, erklärte Uwe Hasebrink, Direktor des beteiligten Hans-Bredow-Instituts, am Dienstag bei der Vorstellung. So bedürfe es vor allem einer übergreifenden Perspektive auf den Jugendmedienschutz und einer gemeinsamen Beschreibung, welche Aufgaben Schulen und außerschulische Einrichtungen hier künftig wahrnehmen sollen. Gleichzeitig müssten in den Einrichtungen Konzepte entwickelt werden, die Medienschutz explizit thematisieren, und Ansprechpartner zu medienpädagogischen Fragen benannt werden.

    Auch das Informationsmanagement müsse verbessert werden, fordert Martin Drechsler, Geschäftsführer des FSM: „Es gibt unendlich viele Materialien zum Thema“, sie seien bislang aber zu schwer auffindbar. Angeboten wie Klicksafe.de käme hier eine außerordentliche Bedeutung zu.

    Doch auch die Pädagogen selbst müssten ein Stück weit umdenken: „Für uns war schon überraschend, dass die Lehrer den Eltern sehr viel Verantwortung zuschreiben und gleichzeitig so enttäuscht sind, wie diese Verantwortung durch die Eltern wahrgenommen wird“, sagt Drechsler. Auch Hasebrink glaubt, dass die Erwartungshaltung der Pädagogen hier nicht unbedingt realistisch sei: „Sie können sich meiner Meinung nach wenig vorstellen, in welchen Herausforderungen Eltern im normalen Erziehungsalltag stecken.“

    Vielmehr sei wichtig, dass Eltern und Lehrer mehr über Jugendmedienschutz in Kontakt kämen. Letztlich seien Lehrer und Fachpädagogen auch wichtige Ansprechpartner für Eltern im Hinblick auf sichere Mediennutzung.