Berlin. Verbraucher wollen zunehmend Fleisch aus artgerechter Tierhaltung. Aber es soll günstig sein. Aldi und Lidl reagieren jetzt darauf.

Konsumenten verknüpfen die Akzeptanz des Fleischessens zunehmend mit einem guten Leben der Nutztiere. Laut einer Umfrage im Auftrag der Verbraucherzentralen traf dies bereits im Jahr 2015 auf etwa 68 Prozent der Befragten zu.

Der Anteil der verkauften Bioware, der bessere Haltungsbedingungen für Huhn, Schwein oder Rind bedeutet, ist zwar auch beim Fleisch zuletzt gestiegen, nach Angaben des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft lag er aber auch 2017 bei unter zwei Prozent. Vor allem niedrigere Preise ließen die Kunden zu konventionellen Fleischprodukten greifen, stellte die Unternehmensberatung PwC fest.

Mindestkriterien des Deutschen Tierschutzbundes

Der Lebensmittelhandel sucht nun offenbar verstärkt nach einem Ausweg aus dem Dilemma. Vorreiter sind hier die großen Discounter. Aldi bietet seit Mitte Januar in ersten Regionen, auch in Berlin, unter dem Label „Fair & Gut“ Geflügelprodukte aus Ställen an, die Hähnchen etwas mehr Platz, Stroh im Stall, Zugang zu frischer Luft und gentechnikfreies Futter bieten.

Das Label orientiere sich an den Mindestkriterien des Deutschen Tierschutzbundes, teilt Aldi mit. Beim Preis und den zu erfüllenden Haltungsbedingungen bewege sich das Angebot, das nach und nach ausgebaut werden soll, „zwischen Fleisch aus konventioneller Tierhaltung und Biofleisch“, wie der Discounter erklärt.

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    Einen Schritt weiter geht Rivale Lidl. Ab April will er bei allen Frischfleischprodukten seiner Eigenmarken – egal ob Schwein, Rind oder Geflügel – eine Haltungskennzeichnung aufdrucken, die den Kunden informiert, wie gut oder schlecht es das Tier im Stall hatte. Für abgepacktes Frischfleisch sei ein freiwilliges Vier-Stufen-Modell geplant, ähnlich wie es Verbraucher vom Eierkauf kennen. Es reiche von der Stallhaltung nach gesetzlichem Mindest- bis zur Tierhaltung nach Biostandard.

    Lidl erwartet höheren Absatz von Fleisch aus besserer Haltung

    Lidl erwartet, dass Kunden wegen der Kennzeichnung mehr Produkte aus besserer Haltung kaufen. Sie könnten jetzt beweisen, dass ihnen tierwohlgerechtere Haltung etwas wert sei, sagte Lidl-Einkaufschef Jan Bock.

    Für Martin Fassnacht, Marketingexperte der Wirtschaftshochschule WHU, reagieren die Discounter mit den Angeboten in erster Linie auf die veränderte Haltung der Konsumenten. „Die Verbraucher erwarten mehr Engagement des Einzelhandels beim Thema Tierschutz. Denn sie wollen beim Einkauf kein schlechtes Gewissen haben“, sagt Fassnacht. Allerdings seien die meisten Verbraucher nicht bereit, für bessere Haltung auch deutlich mehr zu bezahlen.

    Darüber hinaus gilt nach Angaben von Branchenexperten generell: Qualitätslabel spielen im Handel eine wachsende Rolle. Laut einer Studie des Marktforschers Nielsen orientieren sich Kunden immer stärker an solchen Kennzeichnungen. „Viele Konsumenten unterscheiden inzwischen nach guten und bösen Lebensmitteln, wie unsere Umfragen zeigen“, berichtet Nielsen-Experte Fred Hogen. Dem wolle der Handel jetzt Rechnung tragen.

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      Verbraucherschützer wünschen sich einheitliche Linie

      Verbraucherschützer nennen die Labelinitiativen von Aldi und Lidl „grundsätzlich begrüßenswert“, wie es beim Verband der Verbraucherzentralen (vzbv) heißt. Kritik üben sie aber an der Vielzahl von Kennzeichnungen. Eine eindeutige Orientierung für Konsumenten fehle. Das behindere nicht zuletzt auch die Vergleichbarkeit von Produkten. Der vzbv fordert deshalb „ein staatliches Label, das höhere Standards in der Tierhaltung garantiert“, wie Verbandschef Klaus Müller im Januar am Rande der Landwirtschaftsmesse Grüne Woche bekräftigte.

      Unterstützt wird diese Forderung auch von Umwelt- und Tierschutzorganisationen. Die halten von freiwilligen und unkontrollierten Labelinitiativen des Handels wenig. Zwar attestiert Greenpeace Lidl weitgehende Fortschritte und hofft, dass andere große Handelsketten dem Beispiel folgten, für Landwirtschaftsexpertin Stephanie Töwe bestehe jedoch die Gefahr, „dass jede Kette eigene Standards setzt und der Verbraucher am Ende komplett verwirrt ist“. Deshalb sei eine verpflichtende gesetzliche Kennzeichnung ähnlich wie bei den Eiern die beste Lösung. Hier sei die nächste Bundesregierung gefordert.

      Und die könnte liefern, wenn sie denn zustande kommt. Im Entwurf des Koalitionsvertrages heißt es zumindest auf Seite 86: „Wir wollen die Erkennbarkeit von tierischen Lebensmitteln, die über die gesetzlichen Vorgaben der Haltung hinausgehen, verlässlich, einfach und verbraucherfreundlich gestalten.“ Anhand verbindlicher Kriterien für Fleisch aus besserer Tierhaltung soll bis zum Jahr 2020 eine mehrstufige, staatliche Kennzeichnung geschaffen werden. (mit dpa)