Berlin. Die Organisation Öko-Test verklagt Händler wegen unlauterer Werbung mit Test-Siegeln. Der Streit geht zum Europäischen Gerichtshof.

Gute Noten, verliehen von angesehenen Verbraucherorganisationen wie Stiftung Warentest oder Öko-Test, schaffen Vertrauen. Genau deswegen kleben sie wie Gütesiegel auf vielen beworbenen Produkten: Müssen sich Kunden zwischen zwei Artikeln entscheiden, wählen die meisten wohl den, auf dem ein „sehr gut“ steht. Dumm nur, wenn mit Qualitätsurteilen Schindluder getrieben wird.

Immer wieder mahnen Verbraucherschützer Firmen ab oder ziehen wegen „unlauterer Werbung“ gegen sie vor Gericht. Mal hat das abgebildete Produkt nichts mit den tatsächlich getesteten Modellen zu tun, mal stimmen Größe oder Farbe nicht überein. Der Streit ums Markenrecht hat nun europäische Dimension erreicht: Am Donnerstag setzte der Bundesgerichtshof ein aktuell laufendes Verfahren aus, um auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu warten.

Der Vorwurf: unlautere Werbung mit Qualitätsurteilen

In dem aktuellen Fall sieht das Magazin „Öko-Test“, das Waren und Dienstleistungen prüft, seine Markenrechte verletzt. Es hat die Versandhändler Otto und Baur auf Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von insgesamt über 4500 Euro verklagt. Der Klägeranwalt warf den Händlern vor, sich des guten Rufs der Marke „Öko-Test“ zu bedienen, ohne eine eigene wirtschaftliche Leistung dafür zu erbringen.

Test-Siegel gibt es in Deutschland eine Menge. Öko-Test klagt nun, weil angeblich mit den Labels geschummelt wird.
Test-Siegel gibt es in Deutschland eine Menge. Öko-Test klagt nun, weil angeblich mit den Labels geschummelt wird. © FMG | FMG

Dabei geht es nicht allein um Markenrechte, sondern auch darum, ob Verbraucher in die Irre geführt werden können. Im aktuellen Fall hatte Otto in seinem Internetportal eine blaue Baby-Trinkflasche und einen grünen Baby-Beißring angeboten und ein Testlabel von Öko-Test abgebildet. Die Organisation aber hatte die Produkte in einer anderen Farbe getestet – was für Verbraucher durchaus einen relevanten Unterschied machen kann, wie der Bundesverband der Verbraucherzentralen betont: Eine andere Farbe eines Produktes könne andere Inhaltsstoffe und so teilweise andere Eigenschaften beinhalten, sagt eine Sprecherin.

In dem anderen Fall warb Baur mit einem Testlabel für einen Lattenrost in verschiedenen Größen und Ausführungen – Öko-Test hatte jedoch einen bestimmten Lattenrost in einer bestimmten Ausführung getestet. Bei der mündlichen Verhandlung in Karlsruhe wies der Anwalt der Beklagten am Donnerstag eine missbräuchliche Markenausnutzung zurück. Mit dem Hinweis auf das Testergebnis habe man lediglich den Verbraucher informieren wollen. „Das kann nicht unredlich sein.“

Hubertus Primus: „Klarheit und Wahrheit, die der Verbraucher braucht“

Für „Öko-Test“-Chefredakteur Jürgen Stellpflug hingegen ist es schlicht Irreführung, wenn ein Label neben einem Produkt prangt, das gar nicht getestet wurde – selbst wenn es noch so ähnlich ist. „Wenn wir uns darauf einlassen, weiß der Verbraucher am Ende nicht mehr, was wirklich getestet wurde.“ Stellpflug hatte gehofft, dass der BGH mit einem Urteil dem „wachsenden Label-Missbrauch einen Riegel vorschiebt“. Nun gebe es möglicherweise erst in zwei Jahren Rechtssicherheit, sagt er.

Auch für Hubertus Primus, Vorstand der mit Abstand bekanntesten Verbraucherorganisation in Deutschland, Stiftung Warentest, gehe es bei der korrekten Verwendung der Testlabels um „die Klarheit und Wahrheit, die der Verbraucher braucht, um die richtige Kaufentscheidung zu treffen“. „Aus unseren Matratzentests wissen wir, dass es sehr wohl einen Unterschied macht, ob das Produkt 90 oder 140 Zentimeter breit ist. Denn das ist jeweils ein ganz anderer Test“, sagt Primus. Stiftung Warentest nimmt nach eigener Aussage pro Jahr über 1000 Produkte unter die Lupe und lässt den Missbrauch ihrer im Lizenzverfahren vergebenen Testsiegel durch die Organisation RAL verfolgen. Primus spricht von 300 gravierenderen Fällen, die die Stiftung bislang betrafen.

Was Verbraucher tun können

Verbraucherschützer raten, sich nicht blind von den Qualitätsurteilen der Testsiegel leiten zu lassen. Seriöse Organisationen sollten diesen Test durchgeführt haben, etwa Stiftung Warentest, Öko-Test oder ADAC. An manchen Siegeln findet sich ein Hinweis darauf, in welcher Zeitschrift der Test nachzulesen ist oder wann das Produkt getestet wurde. Diese Quellen sollte man nutzen, rät Hubertus Primus: „Verbraucher sollten sich informieren. Steckt überhaupt ein Test dahinter? Werden die Kriterien offengelegt?“ Das ist, sagt Primus, eine Frage von Klarheit und Ehrlichkeit.

Öko-Test listet auf der Webseite www.labelmissbrauch.de Fälle auf, in denen die Organisation ihr Markenrecht verletzt sieht. Verbraucher erfahren im Text neben Produktbildern, aus welchen Gründen nicht mit dem Siegel geworben werden darf. Stiftung Warentest informiert auf der Seite bit.ly/2mMLBZp, wie Verbraucher falsche Werbung mit Testurteilen erkennen können. Auf der Seite bit.ly/2DjVCIC der Organisation RAL kann nachgeprüft werden, ob die Lizenznummer auf dem abgebildeten Test-Siegel noch aktuell ist.

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