Cortina d'Ampezzo. Von so einer WM hätte vor wenigen Wochen noch kaum einer im deutschen Alpin-Team zu träumen gewagt. Vier Medaillen nimmt die Truppe mit nach Hause. Auch wenn das Finale in den Dolomiten im Slalom mit Linus Straßer vermasselt wird, überwiegt die Freude.

Diese letzte deutsche Szene der Ski-WM in Cortina d'Ampezzo passte so gar nicht ins Bild. Linus Straßer winkte kurz in die Kamera, legte den Kopf zur Seite und wollte nach einem völlig verpatzten Slalom einfach nur weg.

"Mir war das Ergebnis ziemlich egal", sagte der enttäuschte Münchner, als bei frühlingshaften Bedingungen am Fuße des Tofane-Massivs andere rund um Weltmeister Sebastian Foss-Solevaag aus Norwegen jubelten. Statt der fünften DSV-Medaille sprang für Straßer nur ein 15. Platz heraus.

Auch wenn der Abschluss des Saisonhöhepunkts in den Dolomiten für das deutsche Team daneben ging, trübte das den sehr positiven Gesamteindruck nur marginal. Die silbern funkelnde erste WM-Woche mit den drei Vizeweltmeistern Romed Baumann, Kira Weidle und Andreas Sander sowie die emotionale Bronzemedaille im Mannschaftswettbewerb machten aus der Truppe des Deutschen Skiverbands (DSV) in Italien das "Highlight-Team", wie Alpinchef Wolfgang Maier resümierte. "Vier Medaillen sind deutlich mehr, als man sich von uns erwartet hat."

Die erfolgreichsten Weltmeisterschaften seit 2013 sorgten für viel Genugtuung im DSV-Tross, der in einem schwierigen Winter ohne die zurückgetretene Viktoria Rebensburg und weitgehend ohne den verletzten Top-Abfahrer Thomas Dreßen pünktlich zum Höhepunkt in Topform war.

Straßer verpatzte hingegen als Mitanwärter auf eine Medaille den ersten Durchgang komplett und wurde weit hinter der Spitze - und auch hinter einem Belgier, Bulgaren, Russen und sogar einem Griechen - 23. Weil das Start-Reglement geändert worden war und er im Finale erst als 23. antreten musste, war ein vorderer Platz futsch.

"Der ganze Tag war wie geschaffen für mich: meine Verhältnisse, mein Hang, ich mag alles sehr gerne und wollte es auch unbedingt", sagte Straßer. "Aber das ist dann auch die Krux. Da fängt man an, dumm und deppert Gas zu geben." Wie man geschickt Gas gibt, zeigten neben Weltmeister Foss-Solevaag auch Adrian Pertl (Österreich) mit Silber und Foss-Solevaags Landsmann Henrik Kristoffersen auf dem Bronzerang.

Die größte Weltmeisterschaft der Geschichte mit 13 Events produzierte mehrere Stars, allen voran Katharina Liensberger (Österreich) und Lara Gut-Behrami (Schweiz) mit je zweimal Gold und einmal Bronze. Auch Speed-Ass Vincent Kriechmayr (Österreich) und Überraschungsmann Mathieu Faivre (Frankreich) wurden Doppel-Weltmeister. Und Foss-Solevaag hatte vor dem Einzelgold auch im Team den Titel geholt.

Die erst 23 Jahre alte Liensberger verblüffte die Ski-Welt am Vortag mit einem atemberaubenden Slalom, bei dem sie Mitfavoritin Petra Vlhova (Slowakei) um eine Sekunde auf den Silberrang verwies und die langjährige Torlauf-Dominatorin Mikaela Shiffrin (USA) als Dritte gar um zwei Sekunden distanzierte. Von einem "Traum, der wahr wird", sprach Liensberger nach ihrem ersten Sieg in einem Elite-Slalom.

Für Shiffrin ging indes eine famose Serie nach viermal WM-Gold im Slalom zu Ende. Aber die Amerikanerin schrieb dennoch Ski-Geschichte: Mit vier Medaillen bei einer WM egalisierte sie einen Damen-Rekord, zudem hat nur noch die Deutsche Christl Cranz mehr Einzelmedaillen (15) bei Weltmeisterschaften gewonnen als die die 25-Jährige (11). In ihren jüngsten zehn WM-Rennen raste Shiffrin jedes Mal auf Podest.

Damen-Slalom und -Riesenslalom waren in Cortina die Disziplinen, in denen dem DSV-Team allerdings auch Grenzen aufgezeigt wurden. Klar war, "dass wir da nicht konkurrenzfähig sind", sagte Maier. "Das ist auch meine selbstkritische Einstellung dazu. Da gibt es massivste Baustellen zu beheben, damit wir da wieder besser werden." Die Motivation dafür sind die anderen Erfolge dieser zwei WM-Wochen.

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