Leverkusen. Jahrelang gab sich Bayer Leverkusen immer sehr vorsichtig. Und scheiterte letztendlich an den großen Zielen, die es eigentlich im Stillen hatte. Doch nun ist alles anders. Titel sind für Bayer nicht mehr nur ein stiller Traum. Sondern ein klar formuliertes Ziel.

Die Zeiten des Leisetretens sind vorbei bei Bayer Leverkusen. Nach dem Einzug ins Achtelfinale des DFB-Pokals reden beim langjährigen "Vizekusen" viele erfrischend offen vom Traum des ersten Titels nach 28 Jahren.

"Wir wollen wieder nach Berlin. Und das nicht nur am Freitag zum Spiel bei Union", sagte Sportchef Rudi Völler nach dem 4:1 (1:1) im nachgeholten Zweitrunden-Spiel gegen Eintracht Frankfurt mit Blick auf das Endspiel in der Hauptstadt. Nadiem Amiri wurde sogar noch deutlicher. "Wir standen letztes Jahr im Finale", sagte der Nationalspieler: "Das ist Gier genug, den Pokal diesmal zu holen. Und das wiedergutmachen, was wir im Finale verkackt haben."

Trainer Peter Bosz hatte schon vor dem Frankfurt-Spiel klar das Ziel ausgegeben, wieder das Finale in Berlin erreichen zu wollen: "Und diesmal wollen wir es gewinnen." Es sind neue, ungewohnt mutige Töne bei Bayer und Ausdruck einer neuen Kultur, die Club-Chef Fernando Carro bewusst in den Verein transportiert hat. Jahrelang sprach man nur Mindestziele offen aus, womöglich aus Sorge vor späterem Spott und des Vorwurfs der Arroganz. Doch vielleicht fehlten den Leverkusenern auch deshalb immer die letzten Schritte. Was ihnen dann eben doch Spott und Häme der Medien und gegnerischen Fans einbrachte.

Carro kündigte nun mehrfach an, dass Titel das Ziel sein müssen. Und dass er die Kultur, "immer mehr zu wollen noch weiter in den Verein hineintragen" will. Seit dem verlorenen Finale gegen den FC Bayern München im Juli (2:4) habe sich seine Mannschaft "noch mal weiterentwickelt", sagte Torhüter Lukas Hradecky am Dienstag: "Solche Enttäuschungen brauchst du auch, um dich mental weiterzuentwickeln. Die Bayern haben diese Siegermentalität. Wir vielleicht noch nicht. Aber wir gehen mit kleinen Schritten immer mehr in diese Richtung." Das vergangene Finale habe er "ein bisschen verkackt", sagte der 31-Jährige, der beim 0:3 gepatzt hatte: "Aber ich hoffe, ich habe noch fünf bis zehn Karriere-Jahre vor mir. Und da will ich noch das eine oder andere Finale bestreiten."

Nun war der Sieg gegen Frankfurt trotz des klaren Ergebnisses auch glücklich. Nach dem Rückstand durch Amin Younes (7.) brachten Bayer ein glücklicher Handelfmeter von Lucas Alario (27.), ein Abseitstor von Edmond Tapsoba (49.) und zwei Konter von Moussa Diaby (67./87.) weiter. Und es ist auch erst die Runde der besten 16. Doch der Gegner dort ist Rot-Weiss Essen, der letzte verblieben Regionalligist. "Die wollen wir weghauen", kündigte Amiri schon mal an.

Dann wären es eben nur noch zwei Spiele zurück nach Berlin. Und im Endeffekt gibt es ja sogar drei theoretische Titel-Chancen. In der Europa League steht die Werkself nach dem Gruppensieg in der K.o.-Runde. In der Liga werden die kommenden vier Spiele gegen Union (Tabellen-5.), Dortmund (4.), Leipzig (2.) und Wolfsburg (6.) zeigen, wohin die Reise geht für den aktuellen Dritten. Doch auch da ist die Losung klar für Völler: "Wir wollen uns vorne festbeißen."

© dpa-infocom, dpa:210113-99-07595/2