Lissabon. Noch nie schien es so einfach für Paris Saint-Germain, die Champions League zu gewinnen - beim Finalturnier in Portugal reichen drei Siege dazu. Entscheidend aber dürfte sein, ob der beste Torjäger von Coach Tuchel fit wird. Gegner Bergamo hat mehr als nur Fußball im Sinn.

Paris Saint-Germain hofft auf die Klasse Neymars und eine Wunderheilung bei Kylian Mbappé, Atalanta Bergamo setzt alles auf die Unbekümmertheit des Außenseiters.

Zum Start des Finalturniers der Champions League in Lissabon kann sich Fußball-Europa womöglich gleich auf ein unerwartetes Spektakel freuen. "Für mich ist das ein Geschenk", sagte PSG-Coach Thomas Tuchel vor dem K.o.-Duell im Viertelfinale am Mittwoch (21.00 Uhr/DAZN) im Estadio da Luz.

Während die Franzosen beim einmaligen Corona-Turnier am Atlantik als Mitfavoriten antreten, hat Atalanta nichts zu verlieren. "Das ist eine große Ehre für eine kleine Stadt wie Bergamo", sagte Trainer Gian Piero Gasperini der Sportzeitung "L'Équipe". Die von der Corona-Pandemie heftig betroffene Stadt fiebert der Partie im fernen Portugal entgegen. "Wir wollen den Leuten ein Lachen schenken nach dieser vielen Trauer", kündigte der Coach an.

Für die Pariser zählt nur der Sieg - und nie schien es so einfach, den europäischen Fußball-Thron zu erklimmen. Weil in den Playoffs in Lissabon je nur eine Partie entscheidet, ist man mit drei Siegen Champion. Tuchels Millionentruppe kann mit einem Erfolg gegen das Überraschungsteam die erst zweite Halbfinalteilnahme in der europäischen Königsklasse nach 25 Jahren Wartezeit feiern.

Neben Vorfreude herrscht beim Serienmeister aber vor allem Bangen um Weltmeister Mbappé, der sich am 24. Juli im Pokal-Endspiel am Knöchel verletzt hatte. In dieser Woche aber stieg der Offensivstar in das Training ein, wenigstens als Joker könnte er - im Gegensatz zum ebenfalls verletzten Italiener Marco Verratti - dabei sein. "Seine Anwesenheit auf der Auswechselbank scheint gesichert", schrieb etwa "Le Parisien". Mbappé war der erfolgreichste Torjäger der abgebrochenen Meisterschaft in Frankreich und könnte neben Neymar für das gewisse Etwas sorgen, das in so einem Spiel wohl nötig ist.

Die Vorzeichen sind nämlich einmalig, und das nicht nur wegen des Turnierformats ohne Zuschauer: Bis auf die beiden Endspiele jüngst im französischen Pokal und Ligapokal hat PSG seit gut fünf Monaten kein Pflichtspiel mehr bestritten. Mit lockerer Stimmung und Scherzen im Training versuchen die Pariser, sich auf Temperatur zu bringen für das Rennen um den fünften Titel in dieser Saison. "Wir müssen selbstbewusst bleiben", forderte Tuchel, der wegen eines Mittelfußbruchs mit einer schützenden Schiene und Krücken am Spielfeld stehen wird.

Atalanta dagegen beendete die Serie A zuletzt mit einer Reihe von kräfteraubenden Englischen Wochen, wusste aber zu überzeugen und schoss sich mit 98 Treffern erneut auf einen Champions-League-Rang. Mehr Tore erzielten in den großen Ligen nur Manchester City (102) und der FC Bayern (100). "Wir haben schon ein bisschen was getroffen in dieser Saison", scherzte Coach Gasperini. Verzichten muss er aber auf Topstürmer Josip Ilicic, der im Achtelfinal-Rückspiel kurz vor dem Corona-Lockdown noch alle vier Tore beim 4:3-Sieg geschossen hatte.

Der Slowene ist ein Beispiel dafür, dass Fußball lange Zeit unwichtig war - und wie speziell ein Sieg nun sein könnte. Ilicic fehlt aus persönlichen Gründen: Die Pandemie mit all den Toten und furchtbaren Bildern aus Bergamo hatte ihn aus der Bahn geworfen. "Ich werde ihn vor oder nach der Partie mal anrufen", sagte Vereinspräsident Antonio Percassi der "Gazzetta dello Sport". Und vielleicht können die beiden dann über ein Fußball-Märchen nach all dem Alltags-Horror plaudern.

Indes macht sich PSG-Coach Tuchel wegen der Corona-Fälle bei Atlético Madrid keine Sorgen. "Wir haben keine Angst", sagte er. "Toi, toi, toi" habe es in seiner Mannschaft keine positive Fälle gegeben. "Wir sind sehr wachsam", sagte Tuchel. Die Gegebenheiten vor Ort in Portugal seien "exzellent".

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