Berlin. Facebook muss offenlegen, welche Inhalte das Netzwerk nach Beschwerden löscht. Vier Straftaten liegen im Ranking vorn.

Seit dem 1. Januar müssen Facebook, YouTube und Twitter halbjährlich penibel Bericht darüber führen, welche Inhalte sie nach Beschwerden gesperrt oder gelöscht haben. Der Grund dafür ist das umstrittene Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), das am 1. Oktober 2017 in Kraft getreten ist und nach einer Übergangsfrist seit dem 1. Januar greift. Facebook hat nun den ersten Transparenzbericht zu Löschungen und Sperrungen nach dem NetzDG veröffentlicht. Die Bilanz des sozialen Netzwerks unterscheidet sich aber stark von denen der Konkurrenz. Hintergrund ist eine andere Zählweise.

Die Veröffentlichung des Berichtes kommt kurz nachdem Facebook seine Quartalszahlen bekanntgegeben hat. Weil das Wachstum die Erwartungen von Anlegern nicht erreichte, verlor die Facebook-Aktie von Mittwoch auf Donnerstag massiv an Wert. Facebook erklärte die Bilanzzahlen auch mit gestiegenen Kosten durch neue Gesetze wie dem NetzDG. Der nun vorgelegte Bericht stützt diese Erklärung.

Seit dem 1. Januar wurden Facebook insgesamt 886 Beschwerden gemeldet, darin enthalten: 1704 gemeldete Inhalte wie Texte, Bilder und Videos. Eine Beschwerde kann mehrere Inhalte umfassen. Jede Beschwerde wurde laut Facebook in zwei Schritten von Teams mit über 60 Mitgliedern überprüft – externe Rechtsberater nicht eingerechnet. Insgesamt arbeiten 1500 Mitarbeiter für Facebook Deutschland an der Überprüfung von Inhalten.

Diese Straftaten wurden am häufigsten bei Facebook gemeldet

Das NetzDG fordert von den Betreibern großer sozialer Netzwerke in dem Bericht die Beschwerden nach Art der Straftat aufzuschlüsseln. Zu diesen Straftaten gab es die meisten Beschwerden:

  1. Beleidigung (460)
  2. Üble Nachrede (407)
  3. Verleumdung (343)

Auf Platz vier folgt der Straftatbestand der Volksverhetzung (247). Unter den Beschwerden, die zu einer Löschung oder Sperrung führten, finden sich ebenfalls diese Straftaten an der Spitze wieder, allerdings in anderer Reihenfolge:

  1. Beleidigung (114)
  2. Üble Nachrede (90)
  3. Volksverhetzung (74)

Auf Platz vier in dieser Rubrik liegt die Verleumdung (66). Die Aufschlüsselung zeigt: Hassbotschaften sind immer noch ein Problem in sozialen Netzwerken und bei Facebook noch nicht verschwunden. Allerdings lässt der erste Transparenzbericht noch keinen Schluss darauf zu, ob Hassbotschaften nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz schneller oder häufiger gelöscht wurden. Unklar bleibt auch, ob Inhalte vorschnell gelöscht wurden, obwohl keine Straftat hinter dem Beitrag stand. Genau das hatten Kritiker des NetzDG nämlich befürchtet.

An einem Punkt weist der Transparenzbericht jedoch noch ein Ungleichgewicht auf. So werden Beschwerden mit Löschfolge von Privatpersonen offensichtlich langsamer bearbeitet. Während 82,9 Prozent aller Meldungen mit folgender Sperrung von Organisationen (Vereine o.ä.) innerhalb eines Tages bearbeitet werden, sind es bei Privatpersonen nur 76,42 Prozent. Private Beschwerden mit Löschfolge werden in 9,35 Prozent der Fälle innerhalb von 24 bis 48 Stunden bearbeitet. Bei institutionellen Beschwerdestellen gab es solche Fälle gar nicht.

YouTube meldet wesentlich mehr Beschwerden

Auf der Videoplattform YouTube sind in den ersten sechs Monaten 214.827 Inhalte gemeldet worden, wie die Google-Tochter am Freitag mitteilte. Bei YouTube wurden etwa 27 Prozent der knapp 215.000 gemeldeten Inhalte entfernt, da sie gegen die entsprechenden NetzDG-Straftatbestände oder die Community-Richtlinien des Videodienstes verstießen. 92 Prozent davon wurden innerhalb von 24 Stunden gesperrt oder gelöscht.

Dass Facebook wesentlich weniger Beschwerden ausweist, hat mit der Form der jeweiligen Berichte zu tun. Facebook hat lediglich die Beschwerden aufgelistet, die aufgrund des NetzDG erfasst werden müssen, YouTube hingegen zählt auch Beschwerden auf, die im Zusammenhang mit den von der Plattform aufgestellten Community-Richtlinien stehen. Diese Richtlinien entsprechen nicht in jedem Punkt deutschen Straftatbeständen und gelten weltweit bei dem Unternehmen.

Twitter berichtet von 264.818 Beschwerden

Der Kurznachrichtendienst Twitter hat für das vergangene halbe Jahr über 260.000 Beschwerden in seinem Transparenzbericht genannt. Wie bei YouTube listet Twitter sämtliche Beschwerden auf, also nicht nur solche, die nach den Bestimmungen des NetzDG zu bisherigen Sperr- und Löschanfragen hinzugekommen sind. Bei 28.645 Fällen wurden Inhalte gesperrt oder gelöscht. Damit führten unter zehn Prozent der Beschwerden zu einer „Maßnahme“, wie es Twitter nennt.

Fazit: Die Transparenzberichte von Facebook, YouTube und Twitter bieten wenig Vergleichmöglichkeiten. Zum einen sind es die ersten ihrer Art, zum anderen haben die Netzwerke die Statistik unterschiedlich geführt. Ein Trend wird jedoch deutlich: Die sozialen Netzwerke betreiben seit Inkrafttregen des Netzwerkdurchsetzunggesetzes wesentlich mehr Aufwand, um verbotene Inhalte von ihren Plattformen zu verbannen. Die Mehrkosten für Personal und Technik schlagen sich mittlerweile auch in den Konzernbilanzen nieder – wie bei Facebook zuletzt gesehen.

Auffällig ist auch, dass die Löschquote bei Twitter wesentlich niedriger ist als bei der Konkurrenz. Die Gründe dafür finden sich jedoch nicht in den Berichten.