Berlin. Ärzte bieten Behandlungen an, die die Kassen nicht erstatten. Deren Nutzen ist oft umstritten. Lesen Sie hier, welche Regeln gelten.

Bei Augenärzten werden Patientinnen und Patienten teils schon am Empfang gefragt, ob sie ihren Augeninnendruck messen lassen möchten – auf eigene Kosten. Das sei sinnvoll zur Früherkennung von grünem Star, heißt es dann. Solche Situationen sind in vielen Praxen normal. Menschen bekommen Leistungen angeboten, die die gesetzlichen Krankenkassen nicht zahlen. Die Extras reichen von Zusatztests in der Schwangerschaft über Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung bis hin zur professionellen Zahnreinigung.

Etwa eine Milliarde Euro geben die Deutschen jährlich für solche individuellen Gesundheitsleistungen – kurz IGeL – aus, schätzt das Wissenschaftliche Institut der Allgemeinen Ortskrankenkassen. Doch ihr Nutzen ist umstritten. Was also tun, wenn mir Ärztin oder Arzt IGeL anbieten?

Selbstzahler-Leistungen: Weniger ist manchmal mehr

Besonders beliebt sind zusätzliche Vorsorgeuntersuchungen. Aber Früherkennung kann auch schädlich sein. Der häufig angebotene Ultraschall zur Früherkennung von Eierstockkrebs etwa führt Studien zufolge dazu, dass drei von 100 Frauen gesunde Eierstöcke entfernt werden. Gleichzeitig senkt er nicht die Zahl der Todesfälle durch Eierstockkrebs, zeigen Vergleichsstudien. Medizinische Fachgesellschaften raten von der Untersuchung ohne konkreten Krebsverdacht ab, dennoch bieten Frauenarztpraxen sie weiterhin an.

Das verdeutlicht ein Problem: Jeder Arzt kann selbst entscheiden, welche Leistungen er anbietet. Viele IGeL werden von den gesetzlichen Krankenkassen nicht bezahlt, weil der Nutzen der Untersuchung oder Behandlung wissenschaftlich (noch) nicht ausreichend nachgewiesen ist.

Versicherte sollten sich in Ruhe informieren

Gerade weil es für Laien schwierig ist, Sinn oder Unsinn einer Untersuchung einzuschätzen, sollten Patienten nichts überstürzen. IGeL sind so gut wie nie dringend. Wenn ein konkreter Krankheitsverdacht besteht, dann sind medizinisch notwendige Tests eine Kassenleistung.

Wer über eine Selbstzahler-Leistung nachdenkt, lässt sich am besten von Arzt oder Ärztin Nutzen und Risiken erklären. Gibt es Nachweise für die Wirksamkeit der Untersuchung? Warum zahlt die Krankenkasse sie nicht? Versicherte sollten sich Bedenkzeit nehmen und sich bei weiteren Quellen informieren.

Hilfreich ist zum Beispiel der IGeL-Monitor. Das von den Krankenkassen finanzierte Projekt wertet seit zehn Jahren wissenschaftliche Studien zu beliebten Selbstzahler-Leistungen aus und beurteilt deren Nutzen. Von 55 untersuchten IGeL erhalten derzeit nur zwei eine positive Bewertung: Akupunktur zur Migräneprophylaxe und Lichttherapie bei einer saisonal depressiven Störung. 29 dagegen seien tendenziell negativ oder negativ.

Weitere Informationen finden Patienten auch bei der Unabhängigen Patientenberatung, dem Portal „Igel-Ärger“ der Verbraucherzentralen und auf der Webseite patienten-information.de von Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung.

Vielleicht zahlt die Krankenkasse ja doch

Einige sinnvolle Angebote wie Reiseimpfungen oder die sportmedizinische Untersuchung gehören nicht zu den Kassenleistungen, weil sie eher unter Freizeitvergnügen fallen. Viele Krankenkassen erstatten solche Untersuchungen trotzdem, als freiwillige Zusatzleistungen. Neben Impfungen gilt das auch für einige Tests zur Krebsfrüherkennung und für die professionelle Zahnreinigung.

Es ist also ratsam, zunächst bei der eigenen Krankenversicherung nachzufragen, bevor man etwas selbst zahlt. Nimmt ein Versicherter bestimmte Extras häufig in Anspruch, kann sich ein Wechsel zu einer Kasse mit passenden Zusatzleistungen lohnen. Der Geld-Ratgeber Finanztip vergleicht jedes Jahr Krankenkassen und empfiehlt Anbieter mit einem besonders guten Verhältnis aus Beitragshöhe und angebotenen Extras.

Behandlungsvertrag und Rechnung sind Pflicht

Mediziner und Medizinerinnen sind verpflichtet, Patienten zu informieren, bevor sie eine Untersuchung machen, die die Krankenkasse nicht übernimmt. Auch die voraussichtlichen Kosten müssen sie mitteilen. Versicherte sollten am besten einen schriftlichen Kostenvoranschlag verlangen, damit sie wissen, was auf sie zukommt.

Denn für individuelle Gesundheitsleistungen gibt es keine festen Preise. Ärzte rechnen solche Leistungen nach der gültigen Gebührenordnung ab. Die Kosten hängen unter anderem vom Aufwand ab.

Einen Eindruck von der üblichen Preisspanne können Versicherte auf der Webseite des IGeL-Monitors gewinnen. Dort ist neben der Bewertung des Nutzens einzelner Leistungen jeweils auch ein Kostenrahmen angegeben.

Bevor es mit einer Selbstzahler-Leistung losgeht, muss der Arzt einen schriftlichen Behandlungsvertrag mit dem Patienten schließen. Ist das nicht passiert – hat also der Patient der kostenpflichtigen Behandlung nicht schriftlich vorab zugestimmt –, kann der Arzt die Leistung nicht abrechnen.

Patienten haben außerdem Anspruch auf eine der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) entsprechende Rechnung. Darin müssen alle erbrachten Leistungen aufgelistet sein, das Datum der Behandlung, die Gebührenziffern nach GOÄ und der jeweilige Steigerungssatz sowie die Kosten jeder Einzelleistung und der Gesamtrechnungsbetrag.

Nur wer eine korrekte Rechnung erhalten hat, muss individuelle Gesundheitsleistungen bezahlen. Vorkasse sollten Versicherte nicht zustimmen. Nach der Behandlung dürfen sie die Rechnung in Ruhe prüfen. Es gibt keine Verpflichtung, noch in der Arztpraxis zu zahlen.

Dieser Beitrag erscheint in Kooperation mit finanztip.de. Der Geld-Ratgeber für Verbraucher ist Teil der Finanztip-Stiftung.