Berlin. Im Homeoffice für Meetings dauernd auf den Bildschirm starren: Das schadet Körper und Psyche. Diese Tipps geben Arbeitsschutzexperten.

Corona hat vielen Beschäftigten das Homeoffice gebracht – und damit auch ständige Online-Meetings und Video-Konferenzen. Das dauernde Starren auf den Bildschirm, die Blicke der anderen in die eigenen privaten Verhältnisse und der fehlende Small Talk im Kollegenkreis zwischendurch können zum gesundheitlichen Risiko werden, sagen Arbeitsschutzexperten. In einer neuen Praxishilfe zeigen sie Auswege auf.

Die Ratschläge der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), dem Dachverband der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen, beruhen auf wissenschaftlichen Studien in Deutschland und den USA. Demnach wurde eine sogenannte „Zoom-Müdigkeit“ oder „Zoom-Erschöpfung“ unter den Teilnehmenden häufiger Online-Besprechungen festgestellt. In der international gebräuchlichen Bezeichnung steht der Name der bekannten Plattform „Zoom“ stellvertretend für alle verwendeten Videokonferenz-Programme.

Risiko Video-Konferenzen: Rücken- oder Kopfschmerzen bis Burn-out

Die Betroffenen beklagten den Studien zufolge sowohl psychische Probleme bei der Konzentration als auch physische Beschwerden wie Rücken- oder Kopfschmerzen. Die DGUV warnt vor möglichen gesundheitlichen Folgeschäden wie Burn-out, Depressionen oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen

In zwei Studien hat das Institut für Beschäftigung und Employability (IBE) der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft in Ludwigshafen die Erfahrungen von Beschäftigten mit Online-Meetings erhoben. Demnach beklagten die Menschen nach zahlreichen Besprechungen per PC oder Notebook vor allem eine abnehmende Konzentration (etwa 80 Prozent) und ein „Genervtsein“ (54 Prozent). Rund je 30 Prozent litten unter Kopf- oder Rückenschmerzen, etwa 23 Prozent über Seh- und 14 Prozent unter Schlafstörungen.

Immerhin 40 Prozent der Befragten betrachten die Anpassung ihres Arbeitsplatzes und ein abwechselndes Stehen und Sitzen als geeignete Gegenmittel. Wie sich die heimische Arbeitsumgebung ergonomisch umgestalten lässt, zeigt die Übersicht „Check-up Homeoffice“ der DGUV.

Videokonferenzen geben das „Gefühl, ständig beobachtet zu werden“

„Videokonferenzen sind für viele Menschen anstrengender als persönliche Meetings“, sagt Christine Heitmann, Referentin am DGUV-Institut für Arbeit und Gesundheit (IAG) in Dresden. Den größten Stressfaktor sieht sie im stundenlangen Sitzen immer im Blickfeld der Bildschirm-Kamera. „Außerdem entsteht das Gefühl, ständig beobachtet zu werden – und zwar aus einer Nähe, die wir sonst nur im privaten Bereich gewohnt sind“.

Weitere belastende Faktoren sind dem IAG zufolge „durchgetaktete Meetings“, die keine Zeit für Small Talks lassen, Probleme beim Entschlüsseln und Senden von nonverbalen Signalen (Gestik, Mimik) sowie die ungewollten Einblicke der anderen Teilnehmer in die eigene Privatsphäre. Sich permanent selbst auf dem Bildschirm zu sehen, könne außerdem zu einer „selbstfokussierten Aufmerksamkeit“ führen. „Wenn dann auch noch die Technik streikt, ist die Erschöpfung programmiert“, so das Institut.

Tipp: Video-Sitzungen besser vorbereiten und moderieren

Als Gegenmittel empfiehlt das IAG eine bessere Vorbereitung der Sitzungen. „Ideal sind möglichst kurz gehaltene Online-Meetings mit guter Moderation, klarer Tagesordnung sowie ausreichend Pausen“, sagt Expertin Heitmann. So sollte spätestens jede Stunde eine zehnminütige Online-Pause eingelegt und für die körperliche Bewegung genutzt werden.

„Das bedeutet, lieber ein paar Lockerungsübungen zu machen, statt Privates auf dem Handy zu erledigen“, rät Heitmann. Helfen könnten einheitliche Regeln im Unternehmen, wonach einstündige Online-Besprechungen schon nach 50 Minuten und halbstündige Treffen bereits nach 25 Minuten enden. Statt Inhalte nur live zu vermitteln, könnten sie auch vorab aufgenommen und zum selbstorganisierten Lernen verwendet werden.

Kamera bei Bedarf ausgeschaltet lassen

Um nicht ständig auf einen Bildschirm mit vielen Gesichtern blicken zu müssen, empfiehlt das Institut wechselnde Bildschirmansichten. So könne der Blick beispielsweise auch nur auf die gerade vortragende Person gerichtet werden. Vor Beginn der Sitzung sollte außerdem abgeklärt werden, ob und wann die Kamera ausgeschaltet werden darf, um Augen- und Lockerungsübungen machen oder etwas trinken und essen zu können.

Wird an Sitzungen überwiegend passiv teilgenommen, sollte das Einschalten der Kamera generell optional sein, wenn die vortragende Person damit einverstanden ist, rät das IAG. Wer durch den Anblick von sich selbst an Konzentration verliert, könne bei eingeschalteter Kamera ein Post-it auf das eigene Bildschirmbild kleben.

Neben der Arbeit im Plenum empfiehlt das Institut den Austausch in kleineren Gruppen (Breakout-Räume) und das Einplanen von Zeit für einen Small Talk zu Beginn der virtuellen Treffen. Schon vor den Meetings sollte außerdem sichergestellt werden, dass Hard- und Software reibungslos funktionieren.

Video-Konferenz im Homeoffice: Muss ich wirklich dabei sein?

Das Institut appelliert an die Selbstfürsorge der Beschäftigten. So sollte überlegt werden, ob die eigene Anwesenheit an einer Online-Sitzung wirklich nötig ist. Möglicherweise reiche es, sich mit anderen bei der Teilnahme abzuwechseln und die wichtigsten Punkte anhand des Protokolls oder per E-Mail zu erfahren.

Nicht alle Besprechungen erforderten außerdem, sich gegenseitig zu sehen. „Bietet eine Videokonferenz keine Vorteile, empfiehlt sich die Kommunikation per Telefon“, sagt Referentin Heitmann.

Ein großer Bildschirm kann die Belastung senken

Die Homeoffice-Beschäftigten sollten zudem auf gute Arbeitsbedingungen achten. So ließen sich die Belastungen bereits durch einen großen Bildschirm mit einer Diagonale von mindestens 17 Zoll (44 Zentimeter), mit einer externer Tastatur, um den Abstand zum Gesicht vergrößern zu können, sowie der richtigen Einstellung von Beleuchtung, Helligkeit und Kontrast verringern.

Die Betroffenen müssten gute Arbeitsbedingungen allerdings auch vom Unternehmen einfordern. IAG-Referentin Christine Heitmann: „Hier sind speziell die Führungskräfte in der Pflicht, die Bedürfnisse der Mitarbeitenden im Blick zu behalten.“