Berlin. Influencer sind Vorbild für Teenager. Eine neue Studie zeigt, mit welchen Strategien Jugendliche in sozialen Medien beeinflusst werden.

Es geht um Mode, trendige Hobbys, coole Getränke, die neueste Kosmetik und vieles andere mehr, das Spaß macht, aber auch Geld kostet: Influencer-Werbung richtet sich oft auch an Kinder und Jugendliche. Eine neue Studie zeigt, welchen Kaufanreizen die 9- bis 13-Jährigen in sozialen Medien ausgesetzt sind – und vor welchen Herausforderungen die Eltern dadurch stehen.

Laut der Untersuchung, erstellt im Auftrag der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM), bedienen sich Influencerinnen und Influencer auf Instagram, Youtube, der Videoplattform Tiktok und dem Spieleportal Twitch insgesamt 43 „teils höchst problematischer“ Formen der Werbung bei Kindern. „Kaum ein Kind, das sich an Social Media beteiligt, kommt an Werbung vorbei“, sagt KJM-Vorsitzender Marc Jan Eumann.

Influencer: Manche Kanäle haben mehr als eine Million Follower

Nach Angaben des Zentrums für Wissenschaft und Forschung | Medien (ZWF), das die Studie erstellte, läuft Influencer-Werbung oft unterschwellig ab. Auf den Bildern und Videos sind meist unverfänglich wirkende Alltagsszenen zu sehen – die sich aber junge Leute, die sich den Influencern persönlich nah fühlen, regelmäßig ansehen. Manche Kanäle, die sich an Minderjährige richten, haben mehr als eine Million Follower.

Beispiele zeigen, wie Werbung dort funktioniert: Eine angesagte Influencerin wäscht ihre Haare mit einem bestimmten Produkt und betont, dass anschließend unbedingt ein Leave-in-Conditioner derselben Marke aufgetragen werden muss. Ein anderer Influencer erklärt, dass er nur noch Nudeln einer bestimmten Marke isst, und hält die Packung in die Kamera.

Druck zum Kauf: So werden Kinder beeinflusst

Das ist brisant, weil die Hauptfiguren der Aufnahmen für viele Kinder Idole und Vorbilder sind – so wie es für ihre Eltern früher die Popstars aus dem Fernsehen oder der Zeitschrift Bravo waren. Der Wunsch, die präsentierten Waren zu kaufen, ist der Studie zufolge dann besonders groß, wenn mehrere Dinge zusammenkommen: Influencer benutzen das Gezeigte selbst und sind begeistert davon – und es kommen unbewusste Kaufverstärker hinzu.

Identifiziert wurden drei Verstärker-Varianten, gegen die selbst Erwachsene nicht immer gefeit sind: Gewinnspiele, bei denen Produkte zu erhalten sind, eine zeitliche Limitierung von Kaufangeboten und Rabattcodes, die bei einer Bestellung im Onlineshop eingegeben werden können.

Der Rabattcode ist im Video eingebettet

Ein weiteres Beispiel: Die Influencerin hat sich von einem Brillenhändler Markenbrillen mit Blaufiltergläsern zuschicken lassen. Zwei davon hat sie für sich ausgewählt und weist nun darauf hin, dass andere Besteller einen im Clip eingeblendeten Rabattcode nutzen können – „für das gesamte Sortiment“ des Händlers, aber nur innerhalb einer festgelegten Frist.

Zum schnellen Kauf animiert werden die Kinder auch durch Links zu Onlineshops, die in zahlreiche Werbepostings eingebettet sind. Mitunter reicht ein Wischen nach oben auf dem Display aus, um zum Shop zu gelangen. „Das ist eine Bewegung, die schon Zwei- und Dreijährige erlernen“, sagt Markus Schubert vom ZWF, einer der Autoren der Studie.

Viele Influencerinnen geben vor laufender Kamera etwa Schminktipps – und werben dabei offensiv für den Kauf bestimmter Kosmetikprodukte.
Viele Influencerinnen geben vor laufender Kamera etwa Schminktipps – und werben dabei offensiv für den Kauf bestimmter Kosmetikprodukte. © iStockphoto | iStockphoto/Viktoriia Hnatiuk

Influencer-Werbung oft nur ungenügend gekennzeichnet

Eine Kennzeichnung als Anzeige fehlt der Untersuchung zufolge häufig vor allem bei Tiktok und Twitch – oder sie kann leicht übersehen werden. „Da erscheint der Hinweis ‚Werbung‘ schon mal in heller Schrift auf hellem Hintergrund“, erklärt der Medienwissenschaftler. Entdeckt wurden auch Postings, die Kinder veranlassen, ein Amazon-Prime-Konto mit ihrem Twitch-Konto zu verknüpfen.

Verbraucherschützer stehen der Verlinkung höchst skeptisch gegenüber. „Für Kinder ist der Werbecharakter eines Posts bei Instagram, der einen Link zu einem Onlineshop hat, viel weniger gut ersichtlich als für Erwachsene“, sagt etwa Jennifer Kaiser, Rechtsexpertin der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz.

Sie warnt: „Die Vernunft wird da schnell ausgeblendet, und die Kinder bestellen, was ihr Idol besitzt, ohne groß nachzudenken, was und bei welchem Shop sie bestellen.“ Oder aber sie bedrängten die Eltern, das Produkt für sie zu kaufen.

Exklusiven Zugang zum Star nur nach Produktkauf

Noch verstärkt wird der Kaufanreiz durch die Bildung von Gruppen im Netz, denen junge Leute angehören möchten. So beantworten Influencer laut Studie Fragen aus ihrer Community und nennen dabei bestimmte Produkte, sie veranstalten Livestreams mit Fans und blenden dazu Werbeinfos per Chat-Bot ein, oder sie teilen Inhalte aus der Community auf ihrem Kanal.

„Als besonders bedenklich fielen uns Werbeformen auf, die Kinder zu Kaufhandlungen verleiten, damit sie Zugang zu exklusiven Communitys der Influencer erhalten“, sagt ZWF-Experte Schubert. So habe ein Influencer einen Server beim Chatprogramm Discord, auf den nur Personen zugreifen dürften, die seine Merchandise-Produkte erworben hätten. Auch interessant: Ärzte - Führen Instagram und Co. wirklich zu psychischen Problemen?

Um zu einem „geheimen Chat“ auf Discord eingeladen zu werden, „muss man also vorher auf einem anderen Server zeigen, dass man zum Beispiel ein T-Shirt bei ihm gekauft hat“, erläutert der Wissenschaftler.

Jüngere Kinder mit Smartphone besonder anfällig für Werbung

Einen Effekt hat die Werbung nach Einschätzung der Fachleute vor allem bei jüngeren Kindern, die im Alter zwischen sieben und neun Jahren ein Smartphone bekommen und damit ohne elterliche Kontrolle erste Erfahrungen sammeln.

Als stark beeinflussbar angesehen werden darüber hinaus junge Leute, die teils mehreren Communitys angehören. Die gute Nachricht: Laut der Studie gibt es durchaus Kinder – insbesondere ältere ab zehn Jahren –, die das Influencing als Werbung durchschauen und sich weniger beeindrucken lassen.