Berlin. In manchen Ländern wird Avigan im Kampf gegen Covid-19 schon eingesetzt. Die Wirkweise macht Hoffnung. Jetzt startet eine neue Studie.

Weltweit suchen Forscher nach neuen Therapieoptionen im Kampf gegen Covid-19. Auch bereits existierende Medikamente werden dabei immer wieder auf ihre Wirksamkeit gegen Sars-CoV-2 getestet. Eines davon, ein japanisches Grippemittel, könnte helfen. In vielen Ländern wird es bereits eingesetzt. Die positiven Ergebnisse einer ersten Studie sollen nun überprüft werden.

Bereits im Herbst 2020 hatte der Hersteller positive Nachrichten verbreitet: Eine klinische Phase-3-Studie mit 156 Covid-19-Patienten hatte signifikante Ergebnisse gezeigt. Die mit dem Mittel behandelten Menschen erholten sich den Angaben zufolge nach etwa zwölf Tagen von einer Corona-Infektion, drei Tage schneller als die Placebo-Patienten. Kein Durchbruch, aber ein Ansatz.

Notfallhilfe im Kampf gegen Epidemie in Guinea

Das Medikament, das unter dem Namen Avigan vertriebenen wird, enthält den Wirkstoff Favipiravir. Dieser hemmt die sogenannte RNA-Polymerase von Viren und so deren Verbreitung im Körper. Auch im Kampf gegen Grippe und Ebola kommt Favipiravir zum Einsatz. 2016 etwa lieferte Japan Avigan als Nothilfe zur Bekämpfung der Ebola-Epidemie nach Guinea.

Die Wirkweise des Medikaments ist prinzipiell die, nach der die Medizin seit Beginn der Pandemie sucht: „Ich würde hoffen, dass wir in einer schlecht abschätzbaren Zeit Wirkstoffe haben, die bei früher Gabe die Virusvermehrung hemmen und damit auch alle Folgeerscheinungen, die dadurch ausgelöst werden“, sagt Prof. Ralf Bartenschlager, Präsident der deutschen Gesellschaft für Virologie. Wenn ein solches Mittel nach einer Infektion früh eingenommen werde, könne man schweren Verläufe blockieren. „Mit einem solchen Wirkstoff wäre es von Anfang an deutlich leichter gewesen“, so Bartenschlager.

Das angebliche Wundermittel entpuppte sich als Flop

Bisher aber gibt es den Stoff nicht. Hydroxychloroquin, ein Rheuma- und Malariamittel, wurde im März 2020 fälschlicherweise als solcher gefeiert. Die antivirale Wirkung, so hieß es zunächst, sei bemerkenswert. Der US-Präsident Donald Trump tat so, als sei es ein Wundermittel. Es sei einer der größten Durchbrüche der Medizingeschichte, sagte er. Dann löste sich die Hoffnung auf. Es konnte nicht nur keine positive Wirkung festgestellt werden, die Gabe entpuppte sich gar als gefährlich. Lesen Sie hier: Dexamethason: Durchbruch bei der Behandlung von Covid-19?

„Hydroxychloroquin ist ein gutes Beispiel, bei dem man zu schnell und die Hoffnung zu groß war. Wir sollten wirklich schauen, dass vernünftige Studien gemacht und diese dann auch vernünftig ausgewertet werden“, sagt Prof. Jörg Meerpohl, Direktor des Instituts für Evidenz in der Medizin am Universitätsklinikum Freiburg.

Ob Avigan mehr verbreiten kann als einen Hoffnungsschimmer, muss sich zeigen: Die jetzt gestartete neue Studie, so berichtet die Tagesschau, dient der Überprüfung der Wirksamkeit bei Covid-19-Patienten, die älter als 50 Jahre sind oder ein hohes Risiko für einen schweren Verlauf haben. Die Studie werde doppelblind durchgeführt.

Antrag auf Zulassung in Japan im Oktober?

Das bedeutet, dass weder Versuchsleitung noch Patienten wissen, ob das Medikament oder ein Placebo verabreicht wird. Das ist der höchste wissenschaftliche Standard. Wann mit Ergebnissen zu rechnen ist, ist offen. Im Oktober, so die Tagesschau, wolle der Hersteller die Zulassung des Mittels zur Behandlung von Covid-19 in Japan beantragen.

In Ländern wie Russland, Indien oder Indonesien ist Avigan bereits zur Behandlung von Covid-19 zugelassen. In weiteren Ländern wird es als Notfall-Medikament für Erkrankten genutzt, für die es keine andere Behandlungsoption gibt. Auch in Deutschland kann es laut Tagesschau im Rahmen eines individuellen Heilungsversuches zum Einsatz kommen.

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Abwägen müssen die Behandler dabei, dass Avigan deutliche Nebenwirkungen hat. Laut Tagesschau führte das Medikament bei Tierversuchen zu fetalen Fehlbildungen. Es dürfe daher auf keinen Fall Schwangeren gegeben werden und könne auch in Sperma nachgewiesen werden.

Eine Vorbereitung auf die nächste Pandemie

Dennoch: Der Ansatz, die Wirkung solcher Mittel im Kampf gegen Corona gründlich zu untersuchen, wird von Experten positiv gesehen: „Die zukünftige Forschung sollte sich in die Richtung bewegen, Wirkstoffe zu identifizieren, die gegen Coronaviren generell und gegen andere Virusgruppen wirken“, sagt Ralf Bartenschlager.

Denn wenn man betrachte, welche Viren in der Vergangenheit hauptsächlich Pandemien verursacht hätten, „sind es Influenzaviren, Coronaviren, vielleicht noch die Viren aus der Gruppe der Ebola oder Flavi“, so Bartenschlager. Die Entwicklung von Breitbandvirustatika gehöre daher zur Vorbereitung auf zukünftige Pandemien: „Ich denke, wir sollten da deutlich zulegen.“