Wer Paracetamol nimmt, will meist Schmerzen bekämpfen. Doch wer das Medikament einnimmt ist offenbar eher bereit, Risiken einzugehen.

Es ist eines der am meisten gekauften Medikamente in Deutschland: Jährlich gehen rund 13,4 Milliarden Packungen Paracetamol-ratiopharm über die Ladentheke. Das schmerzlindernde und fiebersenkende Präparat ist bei vielen fester Bestandteil der Hausapotheke, wird etwa bei Kopfschmerzen oder leichtem Fieber eingenommen.

Forscher der Ohio State University fanden jetzt heraus, dass der Hauptwirkstoff Paracetamol aber nicht nur physische Schmerzen lindert. Die Einnahme des Präparats beeinflusst den Forschern nach auch unsere Psyche. Wer ein paracetamol-haltiges Schmerzmittel einnehme, sei bereit, öfter und höhere Risiken einzugehen.

Schmerzmittel-Studie: Probanden nach Einnahme risikofreudiger

Für ihre Studie befragten die Forscher 189 Studenten, wie sie das Risiko einer Situation einschätzen würden. Die Gruppe, die vor der Befragung die empfohlene Dosis Paracetamol für Kopfschmerzen eingenommen hatte, bewertete Bungee-Jumping, nachts alleine nach Hause laufen oder auch einen Karrierebruch mit Mitte 30 weniger risikoreich als die Probanden, die nur ein Placebo konsumiert hatte.

Die Erkenntnisse bestätigten sich in einem Experiment, das die Forscher durchführten: In einer Art Computer-Spiel blasen die Probanden per Mausklick einen Ballon auf. Bei jedem Luftstoß verdienen sie virtuell Geld. Sie können zu jeder Zeit aufhören, das Geld „auf die Bank legen“ und den nächsten Luftballon aufblasen. Platzt ein Ballon, verlieren sie das angesammelte Geld.

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Hemmt Paracetamol negative Gefühle?

Die Studenten, die vor dem Test Paracetamol einnahmen, zeigten sich eher bereit, das Risiko einzugehen, dass der Ballon platzen könnte. Am Ende des Tests stellte sich heraus, dass sie im Gegensatz zur Kontrollgruppe überdurchschnittlich viel virtuell „gepumpt“ hatten und auch mehr Luftballons platzen ließen. Die Probanden fühlten weniger negative Emotionen, die Menschen sonst davon abhalten, Risiken einzugehen.

Insgesamt nahmen über 500 Studenten an der Studie teil. Bei einem weiteren Experiment konnte allerdings kein Zusammenhang zwischen der Einnahme des Medikaments und der Risikofreudigkeit festgestellt werden. Zusammengenommen würden die Ergebnisse der Experimente und der Befragung aber eine solche Wirkung des Schmerzmittels nahelegen, schreiben die Forscher in der Studie.

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Paracetamol könnte im Alltag die Risikoeinschätzung verändern

Der Neurowissenschaftler Baldwin Way, Co-Autor der Studie, glaubt, dass Paracetamol nicht nur die Wahrnehmung von Schmerz, sondern auch von Ängsten hemmt. Das könne weitreichende Konsequenzen für das Alltagsleben haben, meint Way: Wie oft nehme man beispielsweise eine Schmerztablette wegen anhaltender Kopfschmerzen ein und setze sich trotzdem ins Auto?

In den letzten Jahren waren immer wieder Studien erschienen, die eine psychische Wirkung von Paracetamol nachweisen. So stellten Forscher der University of Toronto 2016 fest, dass Menschen nach der Einnahme des Präparats Tylenol, dem klassischen Paracetamol-Medikament in den USA, sehr viel häufiger Fehler bei kognitiven Tests machten.

Paracetamol und Ibuprofen hemmen nicht nur physische Schmerzen

Dass Schmerzmittel wie Paracetamol und Ibuprofen nicht nur die Empfindung physischer Schmerzen, sondern auch seelischer lindern können, konnten Forscher der Universität Kentucky bereits in mehreren Studien beobachten. Gleichzeitig senkt die Einnahme der Präparate auch das Empathievermögen. Das hatte 2016 ein Team um Dominik Mischkowski von der Ohio State University herausgefunden.

Baldwin Way, der die aktuelle Studie durchführte, findet, dass man gerade wegen der Freiverkäuflichkeit von Präparaten wie Tylenol die Effekte auf die Psyche weiter untersuchen müsse. Inwiefern die Einnahme des deutschen Präparats Paracetamol-ratiopharm Ähnliches beobachten ließe, ist fraglich. Während in den USA meist Schmerzmittel mit 1000 Milligramm Paracetamol eingenommen werden, dürfen in Deutschland nur Präparate mit einer maximalen Dosierung von 500 Milligramm rezeptfrei verkauft werden.

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Den Link zur Studie finden Sie hier.