Wolfsburg. Lukas Nmecha ist zurück und hat für Wolfsburg schon ein Tor erzielt. Im Interview geht es auch um seine Anfänge bei Manchester City

Lukas Nmecha ist wieder da. Nach langer Verletzungspause feierte der Angreifer des VfL Wolfsburg vor drei Wochen in der Partie gegen Dortmund sein Comeback. Am vergangenen Samstag gegen Stuttgart erzielte der 25-Jährige als Einwechselspieler seinen ersten Bundesligatreffer nach zuvor 16 Monaten Jubelauszeit. Im Gespräch mit unserer Zeitung erklärt der Stürmer, wo er als Kind seine ersten Tore geschossen hat, warum ihm sein Glaube so wichtig ist und wie ihn die lange Verletzungsauszeit verändert hat.

Herr Nmecha, das Knie hat lange Probleme gemacht. Aber jetzt sind Sie wieder zurück. Ist das noch der gleiche Lukas Nmecha wie früher?

Ich hatte in der Verletzungszeit viel Zeit zum Nachdenken. Insgesamt bin ich gelassener geworden. Ich weiß, dass man sein Glück nicht immer nur aus dem Fußball ziehen sollte. Dafür geht es in dem Sport zu sehr hoch und runter. Als ich gegen Dortmund zurückkam, dachte ich erst, dass mich die Nervosität packen würde. Aber es war nicht so. Ich war ruhig. Manchmal muss man einfach nur warten, dass der richtige Ball und der entscheidende Moment kommt. Ich mache mir keine Sorgen mehr um Dinge, die ich nicht kontrollieren kann.

Manche Dinge kann man aber auch selbst steuern. Haben Sie Karriere gemacht, weil Sie so viel dafür getan haben oder weil Ihnen das Talent in die Wiege gelegt wurde?

Ich hatte mehrere Phasen. In meinen ersten Jugendjahren war ich der Größte, Schnellste, Stärkste. Da konnte ich mich immer gut durchsetzen. Aber zwei Jahre später war das nicht mehr so und ich musste eine gewisse Technik aufbauen, die ich vorher so nicht gebraucht hatte. Bis vor ein, zwei Jahren habe ich nach dem Mannschaftstraining auch immer noch Extraschichten mit Schusstraining eingelegt. Mittlerweile mache ich es kalkulierter und achte darauf, dass ich bei der nächsten Einheit nicht zu müde bin.

Die eben erwähnten Jugendjahre haben Sie in England verbracht, weil Ihre Eltern aus Hamburg auf die Insel gezogen sind. Da waren Sie neun. Steckt dennoch ein bisschen „Hamburger Jung“ in Ihnen?

Ich habe ehrlich gesagt keine große Verbindung zu Hamburg aufgebaut. In dem Alter sieht man eine Stadt noch nicht wirklich. Ich kann mich an meine Schule erinnern. Und dann gab es in der Nähe unserer Wohnung einen Bolzplatz. Da lag so ein blauer Hartgummibelag drauf und es gab Gittertore. Man musste sich durchsetzen, um überhaupt bei den Größeren mitspielen zu dürfen. Das war eine gute Schule. Auch für meinen jüngeren Bruder Felix, der oft mitgekommen ist.

Auf Vereinsbasis ging es für Sie mit dem Fußball aber erst in England los. Und das sehr schnell bei Manchester City. Wie haben Sie das geschafft?

Ich kann mich erinnern, dass ich sehr froh war, dass es dort Schulmannschaften gab. Da habe ich gespielt. Und dann gab es da eine nette Frau, sie hieß Mary und sie kannte jemanden bei Manchester City. Da durfte ich dann mittrainieren und kurze Zeit später war ich Team.

Klingt wunderbar einfach. War der Verein schon damals das, was er heute ist?

Nein. Als ich dort angefangen habe, gab es nur einen Trainingsplatz. Und es standen auch nicht jeden Tag Einheiten an, nur zwei- oder dreimal die Woche. Als das neue Trainingsgelände gebaut wurde, war plötzlich alles vorhanden und es wurde hochprofessionell.

Sie haben sich dann durch die Jugendteams hochgespielt und durften im Herrenbereich früh bei den Profis reinschnuppern. Hatten Sie dort Idole?

Idole nicht. Aber es gab Spieler, die ich mir immer genau angeschaut habe, auch früher als Balljunge. Yaya Touré zum Beispiel oder auch Sergio Agüero und Vincent Kompany. Wenn man mit denen irgendwann selbst zusammenspielen kann, ist das schön. Aber man muss auch sehen, dass man nicht zu ängstlich ist und sich etwas zutraut.

Sie wurden nach Preston verliehen, wo es sportlich nicht so gut lief. Und dann ging es im Sommer 2019 auch schon zum ersten Mal auf Leihbasis nach Wolfsburg. Warum wurde das halbe Jahr zu so einer Enttäuschung?

Ich kam nach einer U21-EM, bei der ich für Deutschland einige Male spielen durfte, obwohl ich noch jünger war als der Rest des Teams. Wenn du dann zu einem anderen Verein kommst, denkst du: Dort wirst du auch gebraucht und spielst. Aber das war nicht so. Nur einmal in Dortmund stand ich in der Startelf. Die Zeit war frustrierend, für mich war es in der Zusammenarbeit mit dem Trainer (Oliver Glasner, Anm. d. Red.) nicht immer einfach.

Die Leihe wurde vorzeitig beendet. Anschließend in Middlesbrough setzte der Trainer ebenfalls nicht auf Sie. Erst im belgischen Anderlecht gelang Ihnen der Durchbruch. Warum kamen Sie nach den schlechten Erfahrungen im Sommer 2021 ein weiteres Mal nach Wolfsburg?

Ich hatte ja kein Problem mit dem Verein. Mit Marcel Schäfer bin ich auch immer gut ausgekommen. Also habe ich Josuha Guilavogui angerufen und gefragt: Wie ist es gerade in Wolfsburg? Dann habe ich mit Mark van Bommel geredet. Seine Ideen, seine Trainerphilosophie – das hat mir gefallen. Außerdem wollte ich unbedingt Champions League spielen. Da habe ich gesagt: Das mache ich. Dass der Trainer dann so schnell wieder weg war, fand ich schade. Aber so ist das eben im Fußball.

Doch dann kamen schon bald die Verletzungen. In der ersten Saison das Sprunggelenk, in der zweiten das Knie. Die WM in Katar war passé. Haben Sie das Turnier eigentlich trotzdem verfolgt?

Ja, so wie man es als normaler Deutschland-Fan vor dem Fernseher macht. Aber natürlich war immer der Gedanke da: Wie schön wäre es, jetzt dabei sein zu können.

Obwohl es so schlecht lief? Und obwohl es so viel Wirbel um „Mund-zu-Geste“ und Regenbogenbinde gab?

Es ist immer eine Ehre, für sein Land spielen zu dürfen. Und ja, das mit der Geste war im Nachhinein vielleicht nicht die beste Idee. Schließlich gibt es innerhalb einer Mannschaft ja auch unterschiedliche Meinungen, wie man mit so einer Situation umgeht.

Sind Sie jemand, der für seine Ideale gerne öffentlich eintritt?

Ja, aber man muss es mit Bedacht tun. Wenn man mit Dingen anderen vor den Kopf stößt, bringt es nur Probleme.

Das hat im Sommer auch ihr Bruder erfahren. Sie sind bekennender Christ, posten hier und da auch mal etwas über die sozialen Netzwerke. Gibt es da manchmal Gegenwind?

Ich nutze die sozialen Netzwerke nicht in extremem Maße. Aber natürlich kann ich darüber meinen Glauben verbreiten. Es ist manchmal schwierig. Wir leben in einer Gesellschaft, in der Respekt und Toleranz eingefordert wird. Aber wenn es um christliche Überzeugungen geht, werden diese oft negativ bewertet und man wird dafür attackiert.

Sie beten, gehen in die Kirche, haben Kontakte zu anderen Christen. Was machen Sie noch in Ihrer Freizeit?

Ich schaue gerne Serien und zocke manchmal. Außerdem gehe ich gerne mit meinem Labrador raus.

Sie leben alleine. Kochen Sie ab und zu für sich?

Ich habe einen Thermomix, aber richtig kochen tue ich eher nicht (lacht). Zum Glück gibt es beim VfL sehr gute Köche. Wir bekommen hier Frühstück und Mittagessen. Für abends nehme ich mir dann oft noch etwas mit oder gehe essen. Auf die eigene Ernährung zu achten, ist bei Leistungssportlern wichtig. Gerade wenn es darum geht, den Heilungsprozess nach einer Verletzung zu fördern.

Am Wochenende geht es mit dem Team nach Leverkusen. Wie groß ist die Hoffnung auf eine Überraschung?

Es wird schwer, keine Frage. Aber in den letzten Jahren haben wir in Leverkusen nie verloren. Ich bin guter Dinge.

Ihr Vertrag läuft nächstes Jahr aus. Welche Ziele haben Sie noch?

Über den Vertrag mache ich mir im Moment keine Gedanken. Ich versuche, komplett fit zu werden und mal schauen, was dann passiert. Ich würde gerne einmal mit einer Mannschaft etwas Großes erreichen. Etwas, mit dem vorher keiner gerechnet hat. Ein großer Titel wäre klasse. Konkrete Ziele wie Tormarken in einer Saison setze ich mir nicht mehr. Man muss als Angreifer nur bereit sein, wenn die Chancen da sind. Aber manchmal kommen die richtigen Bälle - und manchmal eben auch einfach nicht.