Wolfsburg. Der ehemalige VfL-Trainer und der neue Coach des HSV kennen sich seit gemeinsamen Zeiten in Wolfsburg und halten seitdem den Kontakt.

Als Spieler war Steffen Baumgart für ihn „herausfordernd“, gibt Wolfgang Wolf zu. In der Saison 1998/99 arbeiteten die beiden für ein Jahr beim VfL Wolfsburg zusammen. Wolf als Trainer, Baumgart als Spieler. Und Letzterer war damals nicht immer mit der Aufstellung seines Vorgesetzten einverstanden. „Steffen hat bei mir nicht so oft gespielt, weil seine Leistungen schwankend waren“, erinnert sich der heute 66-jährige Wolf im Gespräch mit unserer Zeitung, als wir ihn auf den neuen Trainer des Hamburger SV ansprechen.

Unvergessen ist Wolf, der den VfL von März 1998 bis März 2003 in der Fußball-Bundesliga trainierte, vor allem ein Erlebnis mit Baumgart. Nach einem Spiel, als der damalige Stürmer als Einwechselspieler ein Tor erzielt hatte, richtete er vor den damaligen Kollegen das Wort an seinen Trainer und sagte: „Ich hoffe, dass ich das nächste Mal von Anfang spiele.“ Wolfs Reaktion? „War doch klar, dass er dann nicht von Anfang an gespielt hat“, erinnert sich der ehemalige VfL-Coach. Er hat den Spieler Baumgart trotzdem sehr schätzen gelernt. „Steffen war bereits damals ein sehr gradliniger Typ“, sagt Wolf. Und weil er selber ein Trainer war, der zwar harte Entscheidungen traf, aber auch „offen und ehrlich“ mit seinen Akteuren kommuniziert habe, hat auch er sich eine große Wertschätzung bei Baumgart erarbeitet.

Wolf riet Baumgart zum HSV-Engagement

Der neue Trainer des HSV, der zuvor in Paderborn und Köln mit seiner Art sowie den Erfolgen seiner Mannschaften bundesweit auf sich aufmerksam machte, bezeichnete Wolf mal in einem Interview als einen Mentor für sich. Nicht nur, weil sich beide aus der gemeinsamen Zeit beim VfL Wolfsburg kannten, sondern auch weil Baumgart unter Wolf bei Hansa Rostock eine seiner ersten Stationen im Trainergeschäft erlebte. Er assistierte seinem Ex-Coach damals als Co-Trainer. „Steffen hatte mich angerufen, weil er da gerade keinen Job hatte. Ich habe ihn ein Probe-Training absolvieren lassen, und dann war er dabei“, erinnert sich Wolf. Und danach hat er mit Wohlwollen die weitere Entwicklung seines Schützlings verfolgt. „Ich denke, er hat von mir einiges für seinen Weg mitgenommen, wie meinen Umgang mit den Spielern. Aber letztlich ist er seinen Weg allein gegangen, und ich bin richtig stolz, wie er es gemacht hat“, sagt Wolf.

Dieser Weg hätte Baumgart vielleicht sogar zurück zum VfL führen können. Zumindest wurde der 52-Jährige schon mal als ein möglicher Nachfolger vom aktuellen Wolfsburger Trainer Niko Kovac gehandelt, der nach den schwachen Ergebnissen der vergangenen Monate angeschossen wirkt. Doch Baumgart ging nach seinem Aus in Köln nun nach Hamburg. Für „Mentor“ Wolf eine fast schon zwangsläufige Entscheidung. Er habe Baumgart zum Engagement in der Hansestadt geraten, als dieser ihn vor der Unterschrift angerufen habe. „Der HSV war ja schon immer Steffens Lieblingsverein, und ich bin überzeugt, dass das für ihn nach Köln der richtige Schritt ist. Er hat Köln wachgeküsst, und er wird auch den HSV wachküssen“, ist sich Wolf sicher. Er wagt sogar eine sehr positive Prognose über die Zukunft seines ehemaligen Spielers, mit dem ihn heute eine „Freundschaft“ verbindet. „Ich bin mir sicher, dass er das schafft, woran viele Trainer zuletzt gescheitert sind - den HSV zum Aufstieg zu führen“, sagt Wolf.

Austausch über VfL mit Herbie beim Kaffee

Er wird in den nächsten Monaten genau verfolgen, wie sich Baumgart beim HSV schlägt. Genauso interessiert verfolgt er aber auch die Entwicklung bei Ex-Klub VfL. Vor allem seit Wolfsburgs ehemaliger Zeugwart Heribert Rüttger, den Wolf einst zu den Grün-Weißen holte, wieder in der Pfalz ist, der Heimat der beiden. „Ich wohne in Bad Dürkheim, Herbie in der Nähe. Wir treffen uns regelmäßig zum Kaffee, auf eine Weinschorle oder zum Karten spielen“, berichtet Wolf. In diesen Runden ist neben dem 1. FC Kaiserslautern dann oft der VfL das Hauptthema. „Der Herbie wird schon ganz verrückt, weil die immer unentschieden spielen“, meint Wolf zur aktuellen Situation der Grün-Weißen.

Die haben mit dem 1:1 zuletzt gegen Borussia Dortmund zwar einen Achtungserfolg gelandet, der auch Trainer Kovac den Rücken stärkt, doch die Sieglos-Serie nagt vor dem Auswärtsspiel am Sonntag (15.30 Uhr) bei Eintracht Frankfurt an der VfL-Seele. Die Wolfsburger warten in diesem Jahr noch auf ihren ersten Sieg in der Bundesliga. Wolf leidet mit „Herbie“ aus der Ferne mit, allerdings sieht er die Lage seines Ex-Klubs nicht so pessimistisch wie viele Fans und Beobachter. „Der VfL hat eine Ergebniskrise“, sagt Wolf, die Leistung würde dagegen meistens stimmen. „Von den letzten Unentschieden hätte man ein paar gewinnen müssen. Marcel Schäfer (Geschäftsführer Sport) macht einen guten Job, die Mannschaft ist gut“, findet der Ex-Trainer.

Wolf glaubt an Kovac als VfL-Trainer

Und auch seinem aktuellen Nachfolger auf dem Wolfsburger Trainerstuhl, Niko Kovac, stärkt Wolf den Rücken. „Wenn dein Team immer unentschieden spielt, hast du als Trainer wenige Argumente. Aber der VfL spielt gut, ist in vielen Spielen die bessere Mannschaft“ so Wolf. Er glaubt auch nicht daran, dass die Beziehung von Kovac und dem VfL spätestens nach dieser Saison zu Ende geht. „Mit drei Siegen in Folge sieht die Sache schon wieder ganz anders aus“, rechnet er vor und hält selbst die Qualifikation für Europa über Platz 7 nicht für ausgeschlossen.

Sollte es damit und letztlich auch mit Kovac und dem VfL auf Dauer nicht klappen, würde er aber nicht mehr für den Trainerposten in der Autostadt zur Verfügung stehen. Der 66-Jährige, der 2020 mit Regionalligist Lok Leipzig zuletzt ein Team betreute, hat mit dem Trainerjob abgeschlossen. „Ich habe Friedhelm Funkel vor kurzem gesagt: Du arbeitest, ich mache Urlaub“, meint er mit einem Augenzwinkern auf das Comeback des Fußball-Rentners Funkel bei Zweitligist Kaiserslautern. Er würde seine freie Zeit genießen: Urlaub mit seiner Frau machen, Angeln gehen in Norwegen oder Schweden und hin und wieder mit dem anderen Ex-Wolf Rüttger über den Ex-Klub fachsimpeln oder nun auf die Entwicklung seines ehemaligen Schützlings Baumgart in Hamburg schauen.