Wolfsburg. Heikler Protest: Ein Teil der Wölfe-Fans hinterfragt sogar, ob Werksklubs wie der VfL Wolfsburg noch Konzern-Töchter sein sollten.

Die Fanproteste in den deutschen Fußball-Stadien bleiben das beherrschende Thema , auch beim VfL Wolfsburg: Da demonstrierte ein Teil der Anhänger in der Nordkurve am Samstag anlässlich des Bundesliga-Heimspiels gegen Borussia Dortmund nicht nur mehr gegen den geplanten Einstieg eines Großinvestors in die Deutsche Fußball-Liga (DFL), sondern stellte nun auch die Ausnahmeregelung, die es dem VfL erlaubt, eine Konzerntochter von Volkswagen zu sein, infrage.

Zehn Spruchbänder wurden am Samstag im Unterrang der Nordkurve, wo das Wolfsburger Fan-Herz schlägt, hochgehalten. Die bezogen sich nicht direkt auf den geplanten Einstieg eines DFL-Investors. Auch nicht darauf, dass bei der ersten Abstimmung der insgesamt 36 Klubs aus der 1. und 2. Bundesliga die knappe Mehrheit für den Einstieg möglicherweise nur zustandekam, weil Hannover-96-Geschäftsführer Martin Kind entgegen des Rates seines eigenen Vereins für den Deal gestimmt haben soll. So lautet jedenfalls der Vorwurf, nachdem nach und nach das Abstimmungsverhalten der anderen Klubs an die Öffentlichkeit gekommen war.

Fans des VfL Wolfsburg mit Spruchband-Aktion

Die jüngsten Spruchbänder in der VW-Arena sollen vielmehr an der eigenen Konstellation mit VW als Mutterkonzern Beispiele geben, wie sich der Einstieg von Investoren negativ auf den Fußball, das Stadionerlebnis und die Fan-Kultur auswirken können. Die Schlagworte „Identifikationsverlust“ und „Neues Logo“ (Abschaffung des alten Zinnenlogos), „blaue Trikots“, „pinke Schals“ und „orange Trikots“ (Vorwurf einer zu kommerziellen Kreation der Fan-Kollektionen) sind keine neuen Kritikpunkte.

Wohl aber die Punkte „Verlustausgleich“, „Gewinnabführung“, „Wettbewerbsverzerrung“ und nicht zuletzt „Wir wissen, wie es ohne ist: 50+1 erhalten!“. Die genaue Deutung der Spruchbänder blieb am Wochenende erst einmal offen. Unsere Zeitung suchte am Montag den Kontakt zu den Urhebern und ließ sich bestätigen: Ja, ein Teil der Fans fordert damit die bestehenden Ausnahmeregelungen von der 50+1-Regel zu hinterfragen. Von der profitieren derzeit die Werksklubs VfL Wolfsburg und Bayer Leverkusen, deren Lizenz-Fußballer als Konzerntöchter firmieren. Normalerweise besagt die 50+1-Regel der DFL, dass Kapitalanleger nicht die Stimmenmehrheit bei Kapitalgesellschaften übernehmen dürfen, in die Fußballvereine ihre Profi-Mannschaften ausgegliedert haben.

VfL Wolfsburg profitierte von „Lex Leverkusen“

Ausnahmen gab es bisher nur dann, wenn „ein anderer Rechtsträger seit mehr als 20 Jahren den Fußballsport des Muttervereins ununterbrochen und erheblich gefördert hat (...), den Amateurfußballsport (...) weiter fördert sowie die Anteile an der Kapitalgesellschaft nicht weiterveräußert“, wie es laut Satzung des Liga-Verbandes hieß. Diese anfangs „Lex Leverkusen“ genannte Ausnahmeregelung kam 1999 im Fall Bayer zum Einsatz. Zwei Jahre später beantragte auch VW für den VfL die Anwendung. Seit 2007 sind die Wolfsburger Bundesliga-Fußballer eine 100-prozentige VW-Tochter.

Eine solche offen kommunizierte Forderung von VfL-Anhängern hatte es bisher nicht gegeben. Angesichts der vielen Anfeindungen durch Fans anderer Klubs und der Kritik durch Verantwortliche anderer Klubs hatten in diesem Punkt Anhang und VfL-Führung in der Vergangenheit bislang das Konstrukt immer verteidigt und eine Wagenburg gebildet. Schließlich hat der Dreiklang „Werk, Stadt, Verein“ seinen Ursprung in der aktiven Fanszene. Darauf, so betonen die nun Protestierenden, sei man auch nach wie vor stolz und sehe den Unterschied zu beliebigen Investoren. Es klingt wie ein Widerspruch.

VfL-Geschäftsführer hält an alter Regelung fest

In der VfL-Geschäftsführung findet dieser neue Fanprotest keine Zustimmung. „Die Protestierenden kritisieren anscheinend eine Wettbewerbsverzerrung in der Bundesliga und sind Verfechter der 50+1-Regel, deren Grundregel sie nun wohl auch gern beim VfL Wolfsburg hätten. Wir jedenfalls halten die aktuelle Regelung nach wie vor für ausgewogen und damit für einen zielführenden Ausgleich der unterschiedlichen Interessen“, teilte VfL-Geschäftsführer Michael Meeske auf Anfrage unserer Zeitung mit.

Geschäftsführer Michael Meeske vom VfL Wolfsburg hält Fan-Proteste für unverhältnismäßig.
Geschäftsführer Michael Meeske vom VfL Wolfsburg hält Fan-Proteste für unverhältnismäßig. © regios24 | Darius Simka

Meeske kann den aktuellen Fan-Protest gegen den Investoren-Einstieg ohnehin nur bedingt verstehen. In einem Radio-Interview mit dem Sender NDR Info sagte er in der vergangenen Woche: „Wir können nachvollziehen, dass es gerade bei der aktiven Fanszene, die sich sehr verbunden fühlt mit den fußballkulturellen Aspekten, die Sorge vor grundlegenden Veränderungen gibt, die durch solch einen Partner entstehen könnten.“ Es gebe aber zum Beispiel in puncto Spielplan (mögliche Zerstückelung des Spieltags) und Spielorte (mögliche Verlegung von Partien ins Ausland) ganz klare „rote Linien“, die nicht überschritten würden. „Deshalb halten wir die Sorge für unbegründet und den Protest für unverhältnismäßig.“

Meeske hält Kommerzialisierung für notwendig

Meeske sagte weiter: „Die Kommerzialisierung des Fußballs muss es zwingend geben, wenn wir weiter wettbewerbsfähig sein wollen.“ Beim VfL hatte man für den Einstieg eines Investors gestimmt. Die DFL möchte eine Milliarde Euro generieren und im Gegenzug 20 Jahre lang acht Prozent der Erlöse aus den TV-Rechten an den Investor abführen. Mit Blick auf den Vertrag mit einem Investor führt der VfL-Geschäftsführer an: „Wir haben die roten Linien. Die definieren unserer Einschätzung nach sehr klar, welche Einflussbereiche der Partner hat (...). Er hat nirgendwo die Mehrheit (...), Dinge gegen den Willen der Vereinsvertreter als Mitgesellschafter durchzusetzen.“ Allerdings räumt Meeske im NDR-Interview ein, dass ein Investor, „wenn die Zahlen nicht stimmen“ Druck ausüben könnte.

Ob der Investoren-Einstieg zustande kommt, steht in den Sternen. Mittlerweile ist nur ein interessierter Investor übriggeblieben. Der heißt CVC, sitzt in Luxemburg, hat seine Wurzeln in den USA und ist eine etwa 188 Milliarden Euro schwere Beteiligungsgesellschaft. Als solche steht CVC bei einem Einstieg in ein Unternehmen diesem in der Regel beratend zur Seite.

VfL Wolfsburg toleriert Spielabbrüche nicht

Die anhaltenden deutschlandweiten Fan-Proteste sorgen derzeit nicht gerade dafür, einem Investor den Einstieg zu erleichtern. Die zuletzt häufigen Spielunterbrechungen aufgrund von Tennisball- und Flummi-Würfen aus den Fankurven aufs Spielfeld hätten fast schon zu Spielabbrüchen geführt. Auch die Partie des VfL bei Union Berlin stand kurz davor. Zudem gab es reichlich Unterbrechungen zuletzt im Heimspiel gegen Dortmund. „Zu Verständnis im Sinne von Spielabbrüche tolerieren sagen wir ganz klar nein“, unterstrich Meeske im NDR-Interview.

Vorerst werden die Fan-Proteste in den Stadien wohl weitergehen. In Wolfsburg könnten sie aufgrund der neuen Aussagen eines Teils der Anhänger neue Dimensionen bekommen. Die Frage ist auch, welche Reaktion sie in der Diskussion um die Ausnahmegenehmigungen beim 50+1 hervorrufen. Das Thema ist sensibel, erst kürzlich teilte das eingeschaltete Bundeskartellamt mit, den seit langem ausgehandelten, aber noch nicht finalisierten Kompromiss noch einmal überprüfen zu wollen. Wankt der Status des VfL?

Gespräche mit Fans beim VfL Wolfsburg?

Zur Einordnung muss man aber wissen: Bei der jüngsten Spruchband-Aktion handelt es sich um eine Initiative der Ultras. Die sind eine sehr aktive Gruppierung innerhalb der aktiven Fanszene des VfL, vertreten aber nicht die Meinung aller Anhänger. Es dürfte sich bei den Wölfen um einige hundert Personen handeln. Trotzdem täte die VfL-Geschäftsführung gut daran, das Gespräch zu suchen. „Wir stehen auf verschiedenen Arbeitsebenen in einem regelmäßigen Austausch mit den Fangruppierungen und werden im Kontext dieses Austausches wie immer auch über die gezeigten Botschaften sprechen“, sagte Meeske dazu.