Wolfsburg. Der erfahrene Mittelfeldspieler erzielt gegen Borussia Dortmund das Wolfsburger Tor - Für Initialzündungen ist Gerhardt bekannt.
Ein Tor kann manchmal Balsam für die strapazierte Fußballerseele sein. So schien es am Samstag auch bei Yannick Gerhardt zu sein. Der 29-Jährige war in den vergangenen Wochen beim VfL Wolfsburg nicht so zum Zug gekommen, wie er es sich vorgestellt hatte. Ledigich in der Partie in Heidenheim hatte der Routinier über 90 Minuten spielen dürfen – aber auch nur, weil mit Aster Vranckx und Mattias Svanberg zwei Akteure für die Doppelsechs-Position ausgefallen waren. Beim 1:1-Remis des Fußball-Bundesligisten gegen Borussia Dortmund war es erneut eine Verletzung Svanbergs, die Gerhardts Teilzeit-Einsatz begünstigte. Aber das spielte diesmal eine untergeordnete Rolle. Mit seinem Ausgleichstor hatte Gerhardt dem VfL nach seiner Pausen-Einwechslung einen wichtigen Zähler gerettet.
„Normalerweise ist das Kopfballspiel nicht so meine Stärke, aber ich hatte wirklich ein gutes Timing“, beschrieb Gerhardt die Szene in der 64. Minute. Vorausgegangen war ein Eckball von Lovro Majer, den BVB-Keeper Gregor Kobel mit der Faust aus dem Strafraum befördert hatte. Doch VfL-Kapitän Maximilian Arnold köpfte das Leder wieder zurück in die Box, wo Dortmunds Marco Reus eine Kerze fabrizierte. Der Ball war lange in der Luft. Mehrere Spieler nahmen den Luftkampf auf. Doch Gerhardt war am entschlossensten, gewann ihn und nickte den Ball zum 1:1 ins Netz. Von einer „Riesenerleichterung“ sprach der Mittelfeldspieler in Bezug auf seinen Treffer und die war ihm auch nach Abpfiff noch anzusehen.
Mattias Svanberg musste angeschlagen in der Kabine bleiben
Wichtig sei es für ihn gewesen, zumindest diese eine Halbzeit auf dem Platz zu stehen. „Als Profi willst du immer auf dem Platz stehen und der Mannschaft helfen, gerade wenn es nicht so läuft“, meinte er. Sich im Training anzubieten, sei die eine Seite. „Leichter ist es, wenn du bei Spielen Erfolgserlebnisse lieferst“, meinte er. Im Wintertrainingslager habe er durch das Testspiel gegen Schalke 04 schon ein kleines Signal vom Trainer bekommen, dass es für ihn schwieriger werde. In der Partie gegen den Zweitligisten war Gerhardt erst in der 68. Minute eingewechselt worden.
Doch der Teamplayer ist keiner, der aufmuckt. Man müsse dann eben den Trainer anhören, was er sich dabei so denke, erklärte Gerhardt und glaubt zu wissen, dass sein Defensivverhalten der Grund für seine Reservistenrolle sei. „Wenn ich mich mit Aster vergleiche, dann ist der schon zweikampfstärker“, meinte Gerhardt mit Blick auf Mannschaftskollege Aster Vranckx, der gegen den BVB jedoch ebenfalls nur auf der Bank saß. Stattdessen spielte auf der Doppelsechs neben Arnold Mattias Svanberg. Der Schwede war in den ersten 45 Minuten gleich dreimal auf der rechten Seite durch und sorgte so auch offensiv für Impulse – doch angeschlagen musste Svanberg zur Pause in der Kabine bleiben. Vermutlich auch, weil der VfL zu diesem Zeitpunkt mit 0:1 hinten lag, ersetzte ihn Wolfsburg-Trainer Niko Kovac durch Gerhardt und nicht durch Vranckx.
Partie war wegen Fanprotesten mehrfach unterbrochen
Vorausgegangen war eine erste Hälfte, in die Wolfsburg schwungvoll und mutig mit aggressivem Pressing gestartet war. Bereits in der vierten Minute prüfte Kevin Behrens Dortmund-Keeper Kobel mit einem Schuss aus mehr als 20 Metern, den Nachschuss setzte Lovro Majer daneben. Kurz darauf aber der Schockmoment: Nach langem Pass von Sabitzer ging Marco Reus über die linke Seite durch, seine Hereingabe drückte Niclas Füllkrug in der Mitte zum 0:1 über die Linie (8.). Viel zu einfach, müssen die Wölfe-Anhänger in diesem Moment gedacht haben. Ihren Frust über den Gegentreffer durften die Fans sogleich in Form des ersten Fanprotests herauslassen. Tennisbälle flogen auf den Rasen, später noch weitere Gegenstände. Schiedsrichter Martin Petersen musste die Partie mehrfach unterbrechen.
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Richtig gefährlich wurden die Grün-Weißen im ersten Durchgang erst wieder in der Nachspielzeit. Nach schöner Vorarbeit von Ridle Baku und Svanberg war Behrens durch, doch Kobel lenkte den Schuss des Angreifers an den Pfosten. Gleich darauf war der Stürmer nach Pass von Jonas Wind erneut frei vor dem Dortmunder Tor, traf aber nur das Außennetz. Allerdings hatte der Unpartteiische auch auf Abseits entschieden.
Kommt erneut der Yannick-Gerhardt-Effekt?
In der zweiten Hälfte litt das Spiel unter weiteren Unterbrechungen, diesmal flogen die Tennisbälle aus dem Gästeblock. Wie erstarrt war die schwarz-gelbe Anhängerschaft dann aber, als Gerhardt nach gut einer Stunde am höchsten sprang und das 1:1 für den VfL erzielte. Die ganz klaren Torgelegenheiten gab es danach weder auf der einen noch auf der anderen Seite. Wolfsburg stand hinten kompakt, auch weil der gute Kevin Paredes hinten links als fünfter Mann in die Abwehrkette eingerückt war. Lediglich in der Nachspielzeit kam der BVB noch einmal zu einer Großchance durch Niklas Süle, doch wie in vielen anderen Szenen fehlte dem Terzic-Team hier die letzte Präzision. Der VfL hielt kämpferisch stark dagegen und wurde nach dem Schlusspfiff von den Fans mit kräftigem Beifall verabschiedet.
„Wie die Mannschaft das in der Offensive gemacht hat, war richtig gut“, lobte Kovac später auch die Angriffsbemühungen seiner Mannschaft. Das Team habe richtig stark gespielt. Leidenschaft und Intensität hätten absolut gestimmt, so der Coach, der „richtig stolz“ auf seine Jungs war.
Stolz und glücklich war auch Yannick Gerhardt, der sich wünscht, möglichst schnell wieder zum Stammpersonal zu gehören. „Ich glaube, dass ich als erfahrener spieler der Mannschaft helfen kann, wieder in die Erfolgsspur zurückzufinden“, erklärte er. Es wäre nicht das erste Mal, dass es in Wolfsburg einen sogenannten Yannick-Gerhardt-Effekt geben würde. Im Saisonendspurt der Serie 2021/2022 war das bereits unter Ex-Coach Florian Kohfeldt der Fall. Und auch in der vergangenen Spielzeit unter Kovac hatte Gerhardt am achten Spieltag gegen den VfB Stuttgart das 3:2-Siegtor erzielt und die Wende zum Guten eingeleitet. Ob es so auch jetzt kommt, darauf wird die kommende Partie bei Eintracht Frankfurt am Sonntag einen Hinweis geben.