Wolfsburg. Warum dem Trainer des Bundesligisten VfL Wolfsburg bei einer Pleite gegen den BVB das gleiche Schicksal wie sieben Vorgängern droht.

Die Luft ist verdammt dünn für Niko Kovac. Der Trainer des Fußball-Bundesligisten VfL Wolfsburg benötigt am Samstag (Anpfiff 15.30 Uhr, VW-Arena/live bei Sky) ein Erfolgserlebnis im Heimspiel gegen Borussia Dortmund. Sonst könnte zum achten Mal in der Erstliga-Geschichte der Wölfe eine Chefcoach-Amtszeit im ersten Quartal eines Jahres zu Ende gehen. Vergleichbar unbefriedigende Statistiken wie seine sieben Vorgänger, die dieses Schicksal um diese Jahreszeit ereilte, weist Kovac allemal auf. Den Rückhalt beim harten Kern der Fans hat er zudem größtenteils schon verloren.

Nach der unglücklichen 0:1-Niederlage bei Union Berlin vor einer Woche kamen deutlich vernehmbare „Kovac raus“-Rufe aus dem mit mehr als 2000 mitgereisten VfL-Fans gut gefüllten Gästeblock. In der anschließenden Pressekonferenz behauptete Kovac, die Rufe nicht gehört zu haben, nahm diese dann aber hin. „Das ist so“, antwortete er und betonte: „Wir arbeiten gut mit der Mannschaft zusammen. Was jemand sagt oder schreibt, kann ich nicht beeinflussen. Ich kann nur das beeinflussen, was wir in der Woche machen. Dafür kann ich auch dementsprechend zur Verantwortung gezogen werden.“ Seine Meinung: „Die Mannschaft ist am Leben und agiert. Die Ergebnisse in den vergangenen Wochen stimmten aber nicht. Im Moment klebt irgendwas am Schuh.“

Kovac nicht beliebt bei Fans des VfL Wolfsburg

Dass ihm diese Aussagen Bonuspunkte beim eigenen Anhang bringen, ist unwahrscheinlich. Im Gegenteil: Im Maschinenraum der Nordkurve, auf der die aktive Fanszene der Grün-Weißen steht, wird Kovac eher als kühl wahrgenommen. Mangelnde Fan-Nähe und fehlende authentische Verwurzelung beim VfL werden ihm unter anderem vorgeworfen. Solange er Erfolg mit der Mannschaft hatte, störte es die Fans nur bedingt. Überspitzt gesagt: Viele reagieren mit einer gewissen Gleichgültigkeit auf den Trainer, weil sie nicht das Gefühl haben, dass Kovac sich ihnen besonders verbunden fühlt. Der 52-Jährige hat es in seinen bisher eineinhalb Saisons hier versäumt, eine emotionale Bindung zum eigenen Anhang aufzubauen. Geht es nun gegen Dortmund schief, werden höchstwahrscheinlich viele ohne Skrupel lautstark seinen Rauswurf fordern. Rückhalt hat er kaum bis keinen in den Blöcken 1 bis 12, wo das Wolfsburger Fan-Herz am höchsten schlägt.

Auch auf Marcel Schäfer, den Geschäftsführer Sport des VfL, wächst der Druck. Bislang hat sich der ehemalige Kapitän und Publikumsliebling immer schützend vor Kovac gestellt, will mit diesem eigentlich unbedingt die Saison beenden, auch wenn vieles schon darauf hindeutet, dass im Sommer die Zusammenarbeit ein Jahr vor Auslaufen des Trainer-Vertrags vorzeitig endet. Doch Schäfer darf es auch nicht riskieren, zu lange an Kovac festzuhalten und den Klub in Richtung Abstiegszone taumeln zu lassen. Das ausgegebene Ziel Europapokal klar zu verpassen, ist schon peinlich. Aber einen nervenaufreibenden Kampf um den Klassenerhalt wie in den Relegationsjahren 2017 und 2018 kann der VfL so sehr gebrauchen wie einen Blinddarmdurchbruch.

Das droht dem VfL Wolfsburg bei einer Pleite

Beim Blick auf den Tabellenstand und die jüngsten Ergebnisse (seit sechs Spielen ohne Sieg) unter Kovac kann es einem schon die Sorgenfalten auf die Stirn treiben. Nach 21 Spieltagen liegt der VfL mit 23 Punkten nur auf Platz 12 und hat sieben Zähler Vorsprung auf Relegationsrang 16. Im Falle einer Niederlage gegen den BVB kann es für ihn hinuntergehen bis auf Platz 15. Der Vorsprung vor den Kölnern als Sechzehnte könnte zudem auf vier Zähler zusammenschmelzen. Das würde sicher die Alarmglocken zum Schrillen bringen.

Zum Vergleich kommen hier die Situationen, die sieben Kovac-Vorgänger beim VfL zu einem vergleichbaren Zeitpunkt der Saison den Kopf kosteten.

Willi Reimann (hinten) coachte den VfL Wolfsburg 1997 in die Bundesliga, hatte dort aber nur anfangs Erfolg mit den Wölfen.
Willi Reimann (hinten) coachte den VfL Wolfsburg 1997 in die Bundesliga, hatte dort aber nur anfangs Erfolg mit den Wölfen. © picture-alliance / dpa | Holger_Hollemann

Willi Reimann hatte 1997 den VfL in die Bundesliga geführt. Nach tollem Start dort brachen die Leistungen jedoch ein. Nach sieben Spielen ohne Sieg wurde Reimann am 15. März 1998, einen Tag nach einer 1:2-Heimniederlage gegen den Karlsruher SC, gefeuert. Der VfL lag da nach 26 Spieltagen mit 29 Punkten auf Platz 13.

Wolfgang Wolf passte nicht nur vom Namen her perfekt zum VfL Wolfsburg, sondern prägte auch eine Ära von 1998 bis 2003.
Wolfgang Wolf passte nicht nur vom Namen her perfekt zum VfL Wolfsburg, sondern prägte auch eine Ära von 1998 bis 2003. © picture-alliance / dpa/dpaweb | Rainer_Jensen

Wolfgang Wolf wurden ein 1:1 in Nürnberg und eine Phase mit nur einem Sieg und sechs Zählern aus neun Spielen zum Verhängnis. Am 4. März 2003 musste er seinen Hut nehmen. Die Wölfe waren damals nach 23 Spieltagen Elfter mit 28 Punkten.

Jürgen Röber kam im Frühjahr 2003 als Feuerwehrmann zum strauchelnden VfL Wolfsburg. Ein Jahr später wurde er selbst abgelöst.
Jürgen Röber kam im Frühjahr 2003 als Feuerwehrmann zum strauchelnden VfL Wolfsburg. Ein Jahr später wurde er selbst abgelöst. © picture-alliance / dpa/dpaweb | Peter_Förster

Jürgen Röber setzten die VfL-Verantwortlichen am 4. April 2004 den Stuhl vor die Tür, nachdem die Grün-Weißen zuvor mit 1:5 zu Hause gegen den VfB Stuttgart untergegangen waren. Es war die vierte Pleite in Folge. Seinerzeit stand der VfL nach 27 Spieltagen mit 31 Punkten auf dem elften Rang.

Armin Veh (links) trat 2009 in die großen Fußstapfen von Meistermacher Felix Magath – und versank schnell in ihnen.
Armin Veh (links) trat 2009 in die großen Fußstapfen von Meistermacher Felix Magath – und versank schnell in ihnen. © picture-alliance/ dpa | Jochen Lübke

Armin Veh erwischte es am 25. Januar 2010 nach einer 2:3-Heimniederlage gegen den 1. FC Köln. Neun Pflichtspiele in Folge waren die Wölfe ohne Sieg geblieben und hatten die ersten beiden Partien nach der Winterpause vergeigt. Trotzdem standen sie immerhin noch mit 24 Zählern auf dem zehnten Platz nach dem 19. Spieltag. Zu wenig für den damals amtierenden Meister.

Hier ist der Engländer Steve McClaren im Februar 2011 in seinem letzten Spiel für den VfL Wolfsburg zu sehen. Nach einem 0:1 in Hannover flog der ehemalige englische Nationaltrainer hochkant raus.
Hier ist der Engländer Steve McClaren im Februar 2011 in seinem letzten Spiel für den VfL Wolfsburg zu sehen. Nach einem 0:1 in Hannover flog der ehemalige englische Nationaltrainer hochkant raus. © picture alliance / dpa | Peter Steffen

Steve McClaren musste nach einem 0:1 bei Hannover 96 und nur einem Sieg aus zwölf aufeinanderfolgenden Pflichtspielen am 7. Februar 2011 gehen. Mit 23 Punkten lag der VfL seinerzeit auf dem 13. Platz nach 21 Spieltagen. Eine Bilanz, die Kovacs sehr ähnelt...

Valerien Ismael (Foto) schaffte es beim VfL Wolfsburg nicht, nach der Amtsübernahme 2016 aus dem langen Schatten seines Vorgängers Dieter Hecking zu treten.
Valerien Ismael (Foto) schaffte es beim VfL Wolfsburg nicht, nach der Amtsübernahme 2016 aus dem langen Schatten seines Vorgängers Dieter Hecking zu treten. © picture alliance / Marius Becker/dpa | Marius Becker

Valerien Ismael flog am 26. Februar 2017 raus, weil die Wolfsburger nach einem 1:2 am 22. Spieltag zu Hause gegen Werder Bremen auf den 14. Rang (22 Zähler) abgerutscht waren. In seinen letzten sechs Pflichtspielen war dem Franzosen nur ein Sieg mit dem Team gelungen.

Martin Schmidt zog in der Saison 2017/18 beim VfL Wolfsburg selbst die Reißleine und trat vom Traineramt zurück.
Martin Schmidt zog in der Saison 2017/18 beim VfL Wolfsburg selbst die Reißleine und trat vom Traineramt zurück. © picture alliance/dpa | Swen Pförtner

Martin Schmidt kam vielleicht einer späteren Beurlaubung zuvor und trat am 19. Februar 2018 nach einer 1:2-Heimniederlage gegen Bayern München von selbst zurück. Ein Sieg aus den letzten sieben Pflichtspielen genügte offenbar ebenso nicht seinen Ansprüchen wie Rang 14 mit 24 Punkten nach 23 Spieltagen.

Wie gesagt: Die Luft wird immer dünner für Kovac.