Braunschweig. Nimmt man nur die Spiele unter dem neuen Trainer zur Hand, belegen die Braunschweiger Rang 6. Fünf Gründe, warum das so ist.
Eine Halbserie ist rum für Eintracht Braunschweig. Nein, nicht im Kontext des Saison-Kalenders – sondern in der Zeitrechnung unter dem neuen Coach. In der Post-Jens-Härtel-Ära sozusagen. Oder in der Daniel-Scherning-Tabelle. Wie auch immer. In der stehen die Blau-Gelben in der 2. Fußball-Bundesliga auf Rang 6. Die Braunschweiger haben sich in 17 Spielen unter der Leitung des Ostwestfalen in diversen Bereichen verbessert. Und das auch, weil der neue Trainer viele neue Ansätze hat. Seit er übernommen hat, gibt es bei den Blau-Gelben oft weniger. Wie das zum Erfolg führen kann? Hier kommen fünf Argumente, warum weniger eben doch manchmal mehr ist.
Weniger Gegentore: Während des ersten Saisondrittels gab‘s bei Eintracht die Wochen der offenen Tür. Satte 24 Gegentore setzte es in zwölf Partien. Das hat sich grundlegend geändert.
Warum? Weil Scherning die Stabilität zurückgebracht hat. Auch wegen seiner persönlichen Flexibilität. Bevor er nach Braunschweig kam, ließ der 40-Jährige seine Teams bevorzugt in einer Viererkette verteidigen. Bei den Löwen wählte er den Dreierverbund. Und zwar, weil sein Personal dazu passt. Allen voran Ermin Bicakcic. Der Routinier hält mit seiner Erfahrung, seinem Fußball-IQ, seinen rigorosen Zweikämpfen und seiner Führungsstärke das Abwehrnetz zusammen.
Dazu bringen Robert Ivanov und Hasan Kurucay die passenden Komplementär-Stärken mit. Das Zusammenspiel der Verteidigung passt. Zudem ackert das ganze Team mit. Und Ron-Thorben Hoffmann bietet im Tor einen starken Rückhalt. Das Ergebnis: Nur noch 17 Gegentreffer in 17 Spielen. Nur Tabellenführer Holstein Kiel kassierte weniger.
Weniger Experimente: Seit Scherning an der Seitenlinie steht, ist Eintrachts Spiel klarer und strukturierter geworden. Warum? Weil der Ostwestfale sein System und seine Ausrichtung an die Stärken seiner Spieler angepasst hat – und nicht umgekehrt versucht, das Personal in ein Korsett zu quetschen, das diesem gar nicht passt. Scherning verzichtet auf gewagte Experimente.
Und das tut der Mannschaft gut. Jeder Spieler weiß genau, was seine Aufgabe ist. Das macht es einfacher, auf dem Platz Automatismen zu entwickeln, Abläufe einzuschleifen. Auf unnötige Schnörkel wird verzichtet. Und das spiegelt sich auch in der Offensive wider. Mit nur sieben Treffern aus zwölf Spielen war die vor Scherning so harmlos wie ein Boxer mit gebrochenen Armen. Seit dem Trainerwechsel haben die Blau-Gelben 23 Mal geknipst.
Weniger Furcht vor unbeschriebenen Blättern: Es gibt ein paar Spieler im Eintracht-Kader, die zu Saisonbeginn keine Rolle gespielt haben – und dann plötzlich aufblühten. Allen voran Rayan Philippe und Marvin Rittmüller. Beide kamen im Sommer, um den nächsten Entwicklungsschritt zu gehen. Beide sahen keinen Stich – bis Scherning kam.
Und der Coach setzt die beiden Fußballer nicht nur ein, weil sie so sympathische Typen sind. Vor allem bringen sie Leistung. Philippe hat seine fünf Tore und drei Vorlagen allesamt unter Scherning verbuchen können. Zuvor hatte er nur sechs Mal mitspielen dürfen – und nie länger als 27 Minuten.
Auch Rittmüller kam unter Härtel fast gar nicht zum Zug. Scherning machte ihn ebenfalls zum Stammspieler. Mit einem Top-Speed von 36,13 km/h ist der gebürtige Erfurter noch immer der viertschnellste Spieler der Liga. Auf der rechten Außenbahn hat er sich auch mit seiner hartnäckigen Spielweise festgespielt – und ist dort mittlerweile beinahe konkurrenzlos.
Weniger Träumerei: Die Verantwortlichen verklärten die Situation in der frühen Saisonphase noch zu häufig. Der Ernst der Lage wurde spät erkannt. Zu spät? Offenbar nicht, da die Eintracht nach einem Katastrophenstart wieder mittendrin ist im Kampf um den Klassenerhalt. Schernings Kommunikation intern wie extern spielt da mit rein. Weniger Träumerei, mehr Klartext. Als er die Eintracht im November übernommen hatte, „da waren wir tot“, sagte der Trainer am Sonntag nach dem 0:0 im Niedersachsen-Derby gegen Hannover 96.
Scherning sucht weniger Ausreden, spricht Fehler klar an, vermeidet aber zugleich, einzelne Spieler öffentlich in den Senkel zu stellen, wenn diese mal Fehler gemacht haben. Sein Verhältnis zur Mannschaft ist intakt durch die sportliche Entwicklung einhergehend mit positiven Ergebnissen. Und wenn es mal nicht läuft, wie in der Vier-Spiele-Sieglos-Phase im Frühjahr, dann wird er eindeutig. Und träumt nicht herum.
Weniger Verschlossenheit: Jens Härtels Körpersprache kam oftmals destruktiv, fast schon schwermütig rüber. Mitreißend hingegen präsentiert sich Scherning vom ersten Tag an. Seine klare Kommunikation spielt da mit rein, aber generell weniger Verschlossenheit und Misstrauen der Öffentlichkeit gegenüber. Er steht für Fragen zur Verfügung, gibt lockere Interviews und ermöglicht Einblicke ins Heiligtum: die Kabine.
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Fans und Begleiter fühlen sich mitgenommen, wenn Scherning freimütig berichtet, wie er Bicakcic und Kurucay zu sich ins Büro holte, um sie zu „provozieren“. Vor dem Elversberg-Spiel hatte er den Verteidigern so mitgeteilt, dass er unzufrieden sei mit der Ausbeute nach Standards. Die Provokation verfehlte ihre Wirkung nicht, Bicakcic und Kurucay erzielten zusammen drei Tore beim 5:0 gegen SVE. Alle nach Standards. Und der Trainer? Der musste seinen Spielern ein Essen spendieren.
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