Braunschweig. Nach dem Hertha-Spiel eskaliert es. Es gibt Verletzte - und sehr unterschiedliche Darstellungen von Polizei, Fans und Eintracht.

Es war ein schiedlich-friedliches 1:1 zwischen Eintracht Braunschweig und Hertha BSC. Die Braunschweiger waren in der ersten Hälfte stärker, die Berliner in der zweiten. Eine Punkteteilung war entsprechend die korrekte Folge, Eintracht sicherte sich einen wichtigen Punkt im Kampf um den Klassenerhalt in der 2. Fußball-Bundesliga, Hertha kann sich in der Tabelle weiter nach oben orientieren. Und so hätte der Samstagnachmittag in Braunschweig mit einem Gefühl der Gerechtigkeit enden können. Tat er aber nicht. Das Gegenteil ist der Fall.

Zwischen Eintracht-Fans und der Polizei ging es noch heftig zur Sache mit dem traurigen Ergebnis von zahlreichen verletzten Fans, einem geschockten fünfjährigen Kind und 13 verletzten Beamten. Wie konnte es rund um dieses Spiel so eskalieren? Und warum gibt es so unterschiedliche Darstellungen der Ausgangssituation? Der Versuch einer Rekonstruktion.

Polizei und Eintracht Braunschweig haben unterschiedliche Auffassungen über den Auslöser

Die Polizei beschrieb die Lage so: „Nach Spielende ist es hinter der Südkurve zu körperlichen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern von Eintracht Braunschweig gekommen. Eine Ordnerin, die schlichtend eingreifen wollte, wurde daraufhin ebenfalls angegriffen. Anschließend schritten Einsatzkräfte ein, um die Kontrahenten zu trennen und die Lage zu beruhigen. Durch Erscheinen der Polizei gelang dies zunächst.“

Die Eintracht, die mit vielen Fans und eigenen Mitarbeitern gesprochen hatte, sah das etwas anders: „Nach unseren Informationen kam es kurz nach dem Abpfiff zu einer durch zwei alkoholisierte Personen ausgelösten Rangelei im Umlauf der Südkurve. Diese Lage war durch das Eingreifen einer Ordnerin und mehreren Eintracht-Fans laut Zeugen beruhigt.“

200 Eintracht-Fans und Polizisten geraten aneinander

War die Situation nun schon geklärt, als die Polizei einschritt? Oder noch nicht? Die Antwort auf diese Fragen wird wichtig sein. Denn lässt sich die erste Frage gesichert mit Ja beantworten, hätte es erst gar nicht zu einer Eskalation der Lage kommen müssen. Dazu kam es aber. Und das kam so.

Fotostrecke: Eintracht spielt 1:1 gegen Hertha BSC

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Die Polizei teilte mit, nach ihrem Einschreiten am Ausgang von Block 7 hätten sich circa 200 Personen der Eintracht-Anhängerschaft solidarisiert und einen geschlossenen Block gebildet. „Diese Personen sollten aus dem Stadion geleitet werden. Einhergehend mit verbalen Provokationen wurde schließlich ein Einsatzbeamter aus der Personengruppe heraus tätlich angegriffen. Um dieses Vorgehen zu unterbinden, drängten die Einsatzkräfte die Anhänger von Eintracht Braunschweig, auch unter Anwendung unmittelbaren Zwangs, zurück. Dies führte wiederum zu massiven tätlichen Angriffen auf Einsatzkräfte. Polizisten wurden geschlagen und getreten. Des Weiteren wurden Gegenstände wie Fahnenstangen, Bierbecher, Gläser und auch Mülltonnen auf Einsatzkräfte geworfen, und es kam zu mehreren versuchten Gefangenenbefreiungen. Unter Hinzuziehung weiterer Einsatzkräfte, unter anderem auch der Reiterstaffel, konnte die Lage nach einiger Zeit unter Kontrolle gebracht werden. Dazu waren fortlaufende Zwangsmaßnahmen unter anderem auch durch den Einsatz von Pfefferspray erforderlich.“

Mindestens fünf Eintracht-Fans hätten „schwere bis sehr schwere Verletzungen erlitten“

Das traurige Ergebnis der Auseinandersetzungen aus Polizei-Sicht von Samstag, 19 Uhr: 13 verletzte Beamte, von denen vier nicht mehr dienstfähig seien. Ein verletztes Polizeipferd. Und eine verletzte Person „auf Seiten der Fanszene“, die ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Das sei „momentan bekannt“. Der Darstellung allerdings widersprachen Klub und Fans unmittelbar danach.

Denn fest stehe, „dass es neben, laut Pressemeldung der Polizei, 13 verletzten Beamtinnen bzw. Beamten, auch eine zweistellige Anzahl von verletzten Fans gibt“, teilte der Klub am Samstagabend mit. „Davon haben mindestens fünf Eintracht-Fans schwere bis sehr schwere Kopf- oder Gesichtsverletzungen erlitten und mussten, teils ambulant, teils immer noch stationär, in Braunschweiger Krankenhäusern behandelt werden. Ein fünfjähriges Mädchen wurde von Polizisten überrannt und erlitt einen schweren Schock.“ Das Fanprojekt schrieb in den Sozialen Medien: „Es gibt teilweise schwerstverletzte Fans, insbesondere unbeteiligte.“ So etwas habe es in Braunschweig „besonders im eigenen Stadionumfeld“ noch nie gegeben.

Polizei bleibt bei ihrer Darstellung des Auslösers - „zu einhundert Prozent“

Auch der Klub teilte mit: „Wir stehen mit der örtlichen Polizei in einem sehr guten Austausch und halten an dieser Stelle fest, dass Eintracht Braunschweig Gewalt gegenüber der Polizei eindeutig ablehnt. Allerdings hat es einen Einsatz mit derartigen Folgen im Eintracht-Stadion seit sehr langer Zeit nicht mehr gegeben, und das Ausmaß an Verletzungen so vieler Menschen wirft Fragen bezüglich der Verhältnismäßigkeit dieses Einsatzes und des angemessenen Einsatzes polizeilicher Mittel durch einzelne Beamtinnen und Beamte auf. Daher appellieren wir an die Polizei, diese Vorgänge transparent, lückenlos und vollständig aufzuklären.“

Am Sonntag beantwortete die Pressestelle der Braunschweiger Polizei die Frage, ob der Einsatz tags zuvor aus dem Ruder gelaufen sei, mit einem klaren Nein. Aber beim Blick auf die vielen Verletzten „wäre es vermessen zu sagen, dass es gut gelaufen ist“, erklärte Sprecher Lars Dehnert gegenüber unserer Zeitung. Die Polizei habe „sicher registriert, dass Verein und Fanvertretungen eine andere Sicht auf die Dinge haben“. Die Beamten stehen aber „zu einhundert Prozent“ zu ihrer Darstellung über den Auslöser. Es habe „diverse Auseinandersetzungen“ hinter der Südkurve gegeben, die „eine Erforderung des Einschreitens“ nötig gemacht hätten, so Dehnert. So oder so: „Es sind unschöne Vorkommnisse, die aufgearbeitet werden.“ Auch polizeiintern, das sei klar.

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