Barcelona . Spanien gedenkt der Anschlagsopfer. Allmählich begreift das Land, dass Barcelona nur knapp einer größeren Katastrophe entgangen ist.

Sie ist das Wahrzeichen der Stadt, noch unvollendet, aber längst weltberühmt: An diesem Sonntag gedachten Hunderte Menschen in der Kathedrale Sagrada Família der Opfer der Terroranschläge von Barcelona und Cambrils. Auch Ministerpräsident Mariano Rajoy und das spanische Königspaar Felipe VI. und Letizia nahmen an der Messe teil, nachdem sie am Tag zuvor Anschlagsopfer im Krankenhaus besucht hatten.

Der Erzbischof von Barcelona, Joan Josep Omella, sprach sich ausdrücklich gegen die Ausgrenzung von Muslimen aus. Unter den mehr als 120 Verletzten der Anschläge von Barcelona und Cambrils befänden sich auch zahlreiche muslimische Familien. Auch sie trauerten und hätten den Beistand und die Gebete dankbar angenommen.

Barcelona gedenkt der Opfer

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    Omella rief alle Anwesenden unabhängig ihrer Glaubensrichtung und ihrer Herkunft dazu auf, sich gemeinsam für Frieden, Respekt und Geschwisterlichkeit einzusetzen. Papst Franziskus ließ eine Botschaft verlesen, in der er den Betroffenen sein Beileid aussprach.

    Polizei jagt den Hauptverdächtigen

    Drei Tage nach den Terroranschlägen von Barcelona und Cambrils vermuten Ermittler, dass Spanien womöglich nur knapp einem noch größeren Anschlag entgangen ist, möglicherweise war sogar die berühmte Kathedrale von Barcelona als Anschlagsziel vorgesehen. Durch eine Panne bei den Vorbereitungen wurden solche Pläne jedoch offenbar vereitelt: Am Mittwochabend war die Bombenwerkstatt des vermutlich zwölfköpfigen Terrornetzwerks in einem Haus in Alcanar nach einer Explosion in die Luft geflogen.

    Die Ermittler fanden 120 Gasflaschen, in den Ruinen sollen zudem Spuren des hochexplosiven Sprengstoffs Triacetontri-peroxid (TATP) entdeckt worden sein. TATP wurde auch bei früheren Terroranschlägen in London und Paris benutzt. Die Polizei gehe davon aus, dass die Terrorzelle einen oder mehrere Sprengstoffanschläge in Barcelona geplant hatte, sagte der katalanische Polizeichef Josep Lluís Trapero am Sonntag. Am Sonnabend hatte die Terrormiliz IS die Anschläge für sich reklamiert.

    Barcelona trauert nach dem Anschlag

    Ein Täter war am Donnerstag mit einem Lastwagen in die Flaniermeile Las Ramblas gefahren. Bis jetzt fahndet die Polizei nach dem Haupttäter, der möglicherweise noch immer auf freiem Fuß ist. Die Stadt trauert.
    Ein Täter war am Donnerstag mit einem Lastwagen in die Flaniermeile Las Ramblas gefahren. Bis jetzt fahndet die Polizei nach dem Haupttäter, der möglicherweise noch immer auf freiem Fuß ist. Die Stadt trauert. © dpa | Manu Fernandez
    Bei dem Anschlag starben mehr als ein Dutzend Menschen, außerdem gab es viele Verletzte. Am Samstag lagen noch mehr als 50 Terroropfer verletzt im Krankenhaus, wie die katalanischen Notfalldienste mitteilten.
    Bei dem Anschlag starben mehr als ein Dutzend Menschen, außerdem gab es viele Verletzte. Am Samstag lagen noch mehr als 50 Terroropfer verletzt im Krankenhaus, wie die katalanischen Notfalldienste mitteilten. © REUTERS | ALBERT GEA
    In der Basilika Sagrada Familia in Barcelona wurde am Wochenende mit einer Trauerfeier der Terroropfer gedacht.
    In der Basilika Sagrada Familia in Barcelona wurde am Wochenende mit einer Trauerfeier der Terroropfer gedacht. © REUTERS | SUSANA VERA
    Auch das spanische Königspaar Felipe VI. (mitte, li.) und Letizia (mitte, re.) sowie Barcelonas Bürgermeister Ada Colau legten auf der Flaniermeile Kerzen nieder. Der Monarch sagte: „Wir haben keine Angst und werden niemals Angst haben.“
    Auch das spanische Königspaar Felipe VI. (mitte, li.) und Letizia (mitte, re.) sowie Barcelonas Bürgermeister Ada Colau legten auf der Flaniermeile Kerzen nieder. Der Monarch sagte: „Wir haben keine Angst und werden niemals Angst haben.“ © dpa | Emilio Morenatti
    Die Menschen sind fassungslos: Die Terrormiliz Islamischer Staat reklamierte die Angriffe in Spanien für sich. Mehrere Glaubenskämpfer hätten sie ausgeführt und „Kreuzfahrer“ ins Visier genommen, teilte der IS im Internet mit.
    Die Menschen sind fassungslos: Die Terrormiliz Islamischer Staat reklamierte die Angriffe in Spanien für sich. Mehrere Glaubenskämpfer hätten sie ausgeführt und „Kreuzfahrer“ ins Visier genommen, teilte der IS im Internet mit. © REUTERS | STRINGER
    „Es waren Tage von Tränen und Menschlichkeit“, sagte Weihbischof Sebastià Taltavull. Das Volk habe keine Angst.
    „Es waren Tage von Tränen und Menschlichkeit“, sagte Weihbischof Sebastià Taltavull. Das Volk habe keine Angst. © REUTERS | ALBERT GEA
    Die Menschen teilen ihre Gefühle auf Plakaten: „Liebes Barcelona, liebe Welt, man muss immer mit Liebe weitergehen.“
    Die Menschen teilen ihre Gefühle auf Plakaten: „Liebes Barcelona, liebe Welt, man muss immer mit Liebe weitergehen.“ © dpa | Matthias Oesterle
    Vielerorts zeigen die Menschen in Schweigeminuten ihre Solidarität mit den Opfern von Barcelona. So auch hier beim Fußballspiel Schalke 04 gegen RB Leipzig in Gelsenkirchen.
    Vielerorts zeigen die Menschen in Schweigeminuten ihre Solidarität mit den Opfern von Barcelona. So auch hier beim Fußballspiel Schalke 04 gegen RB Leipzig in Gelsenkirchen. © REUTERS | WOLFGANG RATTAY
    Wenige Stunden nach dem Anschlag in Barcelona starb eine Frau in der südlich gelegenen Küstenstadt Cambrils, wo offenkundig ein weiterer Anschlag vereitelt wurde. Sie wurde von Verdächtigen auf der Flucht überfahren. Die Ermittler gehen davon aus, dass die Attacken in Barcelona und Cambrils von einem Netzwerk aus rund einem Dutzend Verdächtigen verübt wurden.
    Wenige Stunden nach dem Anschlag in Barcelona starb eine Frau in der südlich gelegenen Küstenstadt Cambrils, wo offenkundig ein weiterer Anschlag vereitelt wurde. Sie wurde von Verdächtigen auf der Flucht überfahren. Die Ermittler gehen davon aus, dass die Attacken in Barcelona und Cambrils von einem Netzwerk aus rund einem Dutzend Verdächtigen verübt wurden. © dpa | Matthias Oesterle
    Rund 200 Muslime marschierten unter dem Motto „Wir sind Muslime, keine Terroristen“ über die Ramblas.
    Rund 200 Muslime marschierten unter dem Motto „Wir sind Muslime, keine Terroristen“ über die Ramblas. © dpa | Santi Palacios
    Am Ende bleibt die quälende Frage: „Wie konnte das passieren?“ Drei Tage nach der Terrorattacke von Barcelona sucht die katalanische Polizei noch immer nach Antworten. .
    Am Ende bleibt die quälende Frage: „Wie konnte das passieren?“ Drei Tage nach der Terrorattacke von Barcelona sucht die katalanische Polizei noch immer nach Antworten. . © REUTERS | SUSANA VERA
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    Die spanische Polizei fahndete unterdessen auch am Sonntag weiter nach dem Haupttäter, der den Lieferwagen auf die Flaniermeile Las Ramblas gesteuert haben soll. Hier und im Ferienort Cambrils waren am Donnerstag 14 Menschen ums Leben gekommen, unter den Verletzten sind auch 13 Deutsche. Eine der schwer verletzten Deutschen sei in einem extrem kritischen Zustand. Am Sonnabend lagen insgesamt noch 54 Terroropfer verletzt im Krankenhaus, wie die katalanischen Notfalldienste mitteilten. Zwölf Patienten seien in kritischem Zustand, 25 weitere schwer verletzt.

    Fahndungsschwerpunkt ist die Grenzregion zu Frankreich

    Fünf mutmaßliche Terroristen waren in Cambrils getötet worden, vier sind in Haft. Nach dreien werde gefahndet, teilte die Polizei am Sonntag mit, ihre Identität sei geklärt. Es könnte aber sein, dass zwei von ihnen bereits tot seien, da in den Trümmern des Hauses in Alcanar die Überreste von mindestens zwei Menschen gefunden worden seien.

    Bislang richtet sich die Aufmerksamkeit der Ermittler auf den 22-jährigen Marokkaner Younes Abouyaaqoub, er könnte der Todesfahrer von Barcelona sein. Fahndungsschwerpunkt ist die Grenzregion zu Frankreich rund um die Stadt Ripoll am Fuße der Pyrenäen. Die Mutter des jungen Marokkaners appellierte an ihren Sohn, sich zu stellen. „Mir ist es lieber, er kommt ins Gefängnis, als dass er stirbt“, sagte sie bei einer Versammlung der muslimischen Bewohner von Ripoll.

    Imam soll Radikalisierung befördert haben

    Ebenfalls im Fokus der Ermittler steht ein Imam, bei dem es sich um den Kopf der Zelle handeln soll. Abdelbaki Es Satty predigte bis Juni in der Moschee der Ortschaft Ripoll rund 100 Kilometer nördlich von Barcelona und dürfte die Radikalisierung der jungen Männer befördert haben. Er verbüßte eine vierjährige Haftstrafe wegen Drogenhandels und soll auch Kontakte zu den Verantwortlichen der Zuganschläge 2004 in Madrid gehabt haben, wie die Zeitung „El País“ berichtete.

    Die vier in Katalonien festgenommenen Terrorverdächtigen sollen voraussichtlich am Dienstag dem zuständigen Ermittlungsrichter vorgeführt und verhört werden. Sie würden mit speziellen Polizeifahrzeugen von Barcelona aus zum nationalen Staatsgerichtshof in der Hauptstadt Madrid gebracht, berichtete die Zeitung „El País“ am Sonntag unter Berufung auf die Ermittler. Bei den Verdächtigen handele es sich um drei Marokkaner sowie um einen Mann aus der spanischen Exklave Melilla.

    Hinweise auf Ermittlungs- und Sicherheitspannen

    Weiter hieß es, die fünf Männer, die in der Küstenstadt Cambrils von der Polizei erschossen worden waren, hätten wahrscheinlich Anschläge mit Messern geplant. Zunächst war unklar gewesen, was die mit Attrappen von Sprengstoffgürteln ausgerüsteten Terroristen im Einzelnen geplant hätten.

    Inzwischen mehren sich auch Hinweise auf Ermittlungs- und Sicherheitspannen. Die Unabhängigkeitspolitik Kataloniens, das sich von Spanien abtrennen will, habe auch in den gemeinsamen Anti-Terror-Kampf einen Keil getrieben, hört man. Misstrauen herrsche zwischen den Ermittlern Kataloniens und Spaniens, berichten Insider. Erkenntnisse würden nicht so ausgetauscht, wie es für eine effiziente Arbeit notwendig wäre.