Washington . Merkel hat Trump als freundlich und ihr zugewandt erlebt. Doch die Beziehung der USA zu Deutschland hat sich geändert – grundlegend.

Er war zufrieden. Sie ist es auch. Angela Merkel nimmt aus ihrer ersten Begegnung mit dem amerikanischen Präsidenten viel mit, sogar mehr Einsichten, als die Kanzlerin erwartet hatte.

Sie hat Donald Trump als freundlich, ihr zugewandt und interessiert erlebt, als einen Mann, der sich von ihr Europa erklären und im Ukraine-Konflikt beraten lässt, der Interesse für die Bekämpfung von Pandemien und für das Problem der Antibiotikaresistenzen zeigt, die zu den Themen gehören, die sie auf die Agenda des G20-Gipfels Anfang Juli in Hamburg gesetzt hat. Das ist eine Seite des Amerikaners, die der breiten Öffentlichkeit verborgen blieb.

Trump gibt den Wutbürger

Millionen TV-Zuschauer daheim konnten sich ein völlig anderes Bild von Trump machen. Sie sahen seine maskenhafte Miene, spürten seine abweisende Art, verfolgten seine aggressiven Klagen über die unfaire Handelsbilanz („das muss aufhören“). Sie sahen keinen Staatsmann, sondern einen Wutbürger, keinen Verbündeten, sondern jemanden, der Konkurrenzgefühle auslebt.

jsfgsaggfhalsgf

Angela Merkel am Weißen Haus in Washington: Die Bundeskanzlerin traf am 17. März US-Präsident Donald Trump zum ersten Mal persönlich.
Angela Merkel am Weißen Haus in Washington: Die Bundeskanzlerin traf am 17. März US-Präsident Donald Trump zum ersten Mal persönlich. © dpa | Pablo Martinez Monsivais
Als Merkels gepanzerter Wagen vor dem West Wing vorfuhr, begrüßte Trump die Kanzlerin.
Als Merkels gepanzerter Wagen vor dem West Wing vorfuhr, begrüßte Trump die Kanzlerin. © dpa | Pablo Martinez Monsivais
Bei dieser Gelegenheit reichte der US-Präsident der Kanzlerin noch die Hand.
Bei dieser Gelegenheit reichte der US-Präsident der Kanzlerin noch die Hand. © dpa | Pablo Martinez Monsivais
Dass er das im Oval Office nicht tat, sorgte für viel Aufregung in den Medien.
Dass er das im Oval Office nicht tat, sorgte für viel Aufregung in den Medien. © REUTERS | JONATHAN ERNST
Nach einem kurzen Gespräch unter vier Augen wurden die Fotografen und Kameraleute ins Zentrum der Macht gelassen, um Bilder in die Welt zu schicken. Als die beiden Regierungschefs mit „Handshake, Handshake“-Rufen gebeten wurden, noch ein weiteres – und eigentlich übliches – Motiv zu liefern, reagierte Trump nicht.
Nach einem kurzen Gespräch unter vier Augen wurden die Fotografen und Kameraleute ins Zentrum der Macht gelassen, um Bilder in die Welt zu schicken. Als die beiden Regierungschefs mit „Handshake, Handshake“-Rufen gebeten wurden, noch ein weiteres – und eigentlich übliches – Motiv zu liefern, reagierte Trump nicht. © dpa | Evan Vucci
In Videos ist zu hören, wie die Kanzlerin den Präsidenten fragt, ob er noch einmal die Hände schütteln wolle: Auch darauf reagierte Trump nicht.
In Videos ist zu hören, wie die Kanzlerin den Präsidenten fragt, ob er noch einmal die Hände schütteln wolle: Auch darauf reagierte Trump nicht. © dpa | Evan Vucci
Ein angestrengter Moment, der sowohl in den traditionellen als auch in den sozialen Medien viel kommentiert wurde.
Ein angestrengter Moment, der sowohl in den traditionellen als auch in den sozialen Medien viel kommentiert wurde. © dpa | Michael Kappeler
Anschließend das Roundtable-Gespräch: Merkel und Trump trafen mit ihren Delegationen zu Gesprächen zusammen. Neben den Politikern waren Manager großer Unternehmen dabei – und Trumps Tochter Ivanka.
Anschließend das Roundtable-Gespräch: Merkel und Trump trafen mit ihren Delegationen zu Gesprächen zusammen. Neben den Politikern waren Manager großer Unternehmen dabei – und Trumps Tochter Ivanka. © dpa | Michael Kappeler
Als der Präsident das Wort ergriff, dankte er erst seiner Tochter für die Organisation des Treffens und dann der Bundeskanzlerin für ihr Kommen.
Als der Präsident das Wort ergriff, dankte er erst seiner Tochter für die Organisation des Treffens und dann der Bundeskanzlerin für ihr Kommen. © dpa | Michael Kappeler
Die erste gemeinsame Pressekonferenz von Angela Merkel und Donald Trump im prächtigen East Room.
Die erste gemeinsame Pressekonferenz von Angela Merkel und Donald Trump im prächtigen East Room. © dpa | Pablo Martinez Monsivais
Themen waren unter anderem das Bekenntnis zur Nato, der Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“, aber auch Flüchtlingspolitik.
Themen waren unter anderem das Bekenntnis zur Nato, der Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“, aber auch Flüchtlingspolitik. © dpa | Michael Kappeler
Merkel hob die Notwendigkeit eines fairen Handels zwischen Deutschland und den USA hervor. In beiden Volkswirtschaften stecke großes Potenzial, beide Seiten müssten gewinnen können. Die Globalisierung solle offen gestaltet werden, forderte Merkel. Sie machte deutlich, dass Freizügigkeit gerade auch für die deutsche Wirtschaft wichtig sei.
Merkel hob die Notwendigkeit eines fairen Handels zwischen Deutschland und den USA hervor. In beiden Volkswirtschaften stecke großes Potenzial, beide Seiten müssten gewinnen können. Die Globalisierung solle offen gestaltet werden, forderte Merkel. Sie machte deutlich, dass Freizügigkeit gerade auch für die deutsche Wirtschaft wichtig sei. © dpa | Pablo Martinez Monsivais
Trump sagte, er erwarte „großartige Handelsbeziehungen mit Deutschland“. Er betonte: „Wir wollen Fairness, keine Siege.“
Trump sagte, er erwarte „großartige Handelsbeziehungen mit Deutschland“. Er betonte: „Wir wollen Fairness, keine Siege.“ © REUTERS | JIM_BOURG
Trump wies den Eindruck zurück, er setze auf Abschottung. „Wir sind ein sehr starkes Land, vielleicht bald auf einem Level, das es noch nie gegeben hat“. Dennoch sei er als US-Präsident ein Handelsmann und in keinerlei Hinsicht ein Isolationist.
Trump wies den Eindruck zurück, er setze auf Abschottung. „Wir sind ein sehr starkes Land, vielleicht bald auf einem Level, das es noch nie gegeben hat“. Dennoch sei er als US-Präsident ein Handelsmann und in keinerlei Hinsicht ein Isolationist. © dpa | Michael Kappeler
Eine deutsche Journalistin sprach Trump auf sein angespanntes Verhältnis zu kritisch berichtenden Medien an. Trump gab keine Antwort.
Eine deutsche Journalistin sprach Trump auf sein angespanntes Verhältnis zu kritisch berichtenden Medien an. Trump gab keine Antwort. © dpa | Evan Vucci
Merkel sagte Trump zu, die deutschen Verteidigungsausgaben weiter zu erhöhen. Deutschland habe sich auf das Nato-Ziel verpflichtet, bis 2024 zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für das Militär auszugeben. „Wir werden auch weiter in diese Richtung arbeiten.“
Merkel sagte Trump zu, die deutschen Verteidigungsausgaben weiter zu erhöhen. Deutschland habe sich auf das Nato-Ziel verpflichtet, bis 2024 zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für das Militär auszugeben. „Wir werden auch weiter in diese Richtung arbeiten.“ © dpa | Evan Vucci
Nicht nur Journalisten besuchten die Pressekonferenz der beiden Regierungschefs, auch Ivanka Trump und ihr Mann Jared Kushner, ein Berater des Präsidenten, waren dabei.
Nicht nur Journalisten besuchten die Pressekonferenz der beiden Regierungschefs, auch Ivanka Trump und ihr Mann Jared Kushner, ein Berater des Präsidenten, waren dabei. © REUTERS | JIM_BOURG
Chefstratege Stephen Bannon und Stabschef Reince Priebus (v.r.) im East Room.
Chefstratege Stephen Bannon und Stabschef Reince Priebus (v.r.) im East Room. © REUTERS | JIM_BOURG
Einen leicht ungläubigen Blick erntete Trump, als er auf eine Frage nach seinen Überwachungsvorwürfen antwortete. Ein Journalist wollte wissen, ob er weiter an seiner nicht belegten Behauptung festhalte, Präsident Obama habe seine Telefone abgehört. Trump sagte in Anspielung auf die Überwachung von Merkels Handy durch US-Geheimdienste, da habe er wohl etwas gemeinsam mit der Kanzlerin. Der feine Unterschied: Obama gab 2013 zu, dass Merkels Handy überwacht worden war und entschuldigte sich. Für Trumps Behauptungen gibt es keine Beweise.
Einen leicht ungläubigen Blick erntete Trump, als er auf eine Frage nach seinen Überwachungsvorwürfen antwortete. Ein Journalist wollte wissen, ob er weiter an seiner nicht belegten Behauptung festhalte, Präsident Obama habe seine Telefone abgehört. Trump sagte in Anspielung auf die Überwachung von Merkels Handy durch US-Geheimdienste, da habe er wohl etwas gemeinsam mit der Kanzlerin. Der feine Unterschied: Obama gab 2013 zu, dass Merkels Handy überwacht worden war und entschuldigte sich. Für Trumps Behauptungen gibt es keine Beweise. © REUTERS | JONATHAN ERNST
Nach dem Affront im Oval Office beendete Trump die Pressekonferenz mit einem Handschlag.
Nach dem Affront im Oval Office beendete Trump die Pressekonferenz mit einem Handschlag. © REUTERS | JIM_BOURG
Dann gingen Merkel und Trump zu einem gemeinsamen Essen.
Dann gingen Merkel und Trump zu einem gemeinsamen Essen. © REUTERS | JOSHUA ROBERTS
1/21

Kann es sein, dass die Kanzlerin das Treffen beschönigt („es war mir eine große Freude“), weil jeder Misserfolg auch auf sie zurückfallen würde und weil sie ihre Wähler im Glauben lassen möchte, alles unter Kontrolle zu haben? Sie muss sich durchlavieren und ist erst einmal froh, dass sie zum Präsidenten einen Gesprächsfaden gefunden hat. Wie belastbar das Verhältnis ist, das muss sie erst einmal herausfinden.

Mit Trump beginnt neue Zeitrechnung

Trump ist ein neuer Politikertypus. Eigentlich ist er gar kein Politiker und vor allem kein Transatlantiker. Er beschwört keine Freundschaften, redet ohne jede Sentimentalität über Europa. Die Nachkriegszeit scheint für ihn nicht 70, sondern 700 Jahre zurückzuliegen. Es beginnt eine neue Zeitrechnung. Ab jetzt: Der Trump-Kalender.

Er hat Vorstellungen, die gefestigt sind und die er so schnell nicht ändern dürfte, etwa die Forderung, dass Verbündete mehr zur Verteidigung tun müssen oder andernfalls für den amerikanischen Schutzschirm zahlen sollen. Politische Prozesse interessieren ihn kaum. Ergebnisse will er sehen, mehr Jobs für seine Landsleute, militärische Macht für Amerika, und zwar nicht erst in fünf oder zehn Jahren, nicht perspektivisch, sondern jetzt und gleich.

Für Trump ist Merkel ein unbeschriebenes Blatt

Merkel war für ihn „white paper“, in gewisser Weise ein unbeschriebenes Blatt. Das klingt einerseits seltsam, weil sie zwölf Jahre im Amt und im internationalen Geschäft so erfahren wie wenige andere ist. Andererseits entspricht es der Realität: Was bisher war, zählt für Trump wenig.

Dear Mr. Trump: Das müssen Sie über Merkel wissen

weitere Videos

    Er sieht sich selbst nicht in der Kontinuität von irgendjemand. Sie kann froh sein, wenn er nach dem Treffen aus dem unbeschriebenen Blatt keinen Papiertiger zusammenfaltet, sondern der Kanzlerin mit Respekt begegnet. Von Vertrauen, von Verlässlichkeit zu reden, wäre unangemessen und verfrüht.

    Merkel sichert Ausweitung der Verteidigungsausgaben zu

    Merkel hat sich nicht selbst und ihre Politik verleugnet, sie hat beim ersten Treffen schon die Unterschiede markiert – etwa, was den Umgang mit Flüchtlingen betrifft – aber sie kam dem Präsidenten weit entgegen. Sie hat sich nicht zum ersten Mal, aber nun wohl unwiderruflich und verbindlich auf die Position festlegen lassen, die Ausgaben für Verteidigung massiv auszuweiten.

    Hingegen hat er keine Option vom Tisch genommen, auch nicht die Drohung mit Strafzöllen. Sie sind ein nicht zu unterschätzendes Risiko für eine Exportnation wie Deutschland. Sie sind momentan nur deshalb nachrangig, weil andere Pläne in Washington mehr drängen: zum Beispiel einen Ersatz zu finden für die Gesundheitsreform seines Vorgängers, einen Haushalt durchzubekommen oder alle Schaltstellen im Regierungsapparat zu besetzen.

    Merkel fährt auf Sicht

    Weil die langen Linien, die über viele Jahrzehnte das Verhältnis geprägt haben, nicht mehr viel gelten, wird Merkel auf Sicht fahren. Sie wird Trump testen, auf dem Nato-Gipfel, beim Weltwirtschaftsgipfel, bei G20, sie wird sehen, was mit ihm geht und was nicht. Sie wird ein Gefühl für die richtige Ansprache finden und ahnt, auf wen sie wofür zugehen muss. In Trumps Welt verteilt sich die Macht mitunter auf Menschen, die dazu gar nicht demokratisch legitimiert sind: die Tochter zum Beispiel.

    Er vertrete amerikanische und sie deutsche Interessen, hat die Kanzlerin in Washington gesagt. Das klang fast schon verständnisvoll. Bloß: Gut und fair ist in Trumps Welt nur, was sich für die USA auszahlt. Da wird der Egoismus zur Staatsräson. Trump macht sich gar nicht die Mühe, sich in die Lage anderer zu versetzen, die Kultur, die Traditionen, die Geschichte, die Zwänge seiner Partner zu verstehen.

    Trump stellt Forderungen per Twitter

    Dass die Deutschen zum Beispiel ihre Militärausgaben drastisch erhöhen sollen, auf zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung, empfindet er als deren Pflicht und Schuldigkeit. Es ist schon ein Wunder, dass er der Bundesrepublik nicht eine Rechnung präsentiert für den militärischen Schutzschirm der vergangenen 60 Jahre.

    Selbst das ist nicht ausgeschlossen. In seiner Kurzmitteilung nach dem Treffen schrieb Trump auch: „Deutschland schuldet der Nato riesige Summen, und die Vereinigten Staaten müssen besser für ihre mächtige und kostspielige Verteidigung bezahlt werden, die sie Deutschland bieten!“

    Empfohlener externer Inhalt
    An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
    Externer Inhalt
    Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

    Empfohlener externer Inhalt
    An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
    Externer Inhalt
    Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

    Empfohlener externer Inhalt
    An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
    Externer Inhalt
    Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

    Trump ahnt nicht, was Merkel bevorsteht

    Trump hat keine Ahnung davon, was Merkel in den nächsten Wochen und Monaten – im Fall einer Wiederwahl: Jahren – an Überzeugungsarbeit bevorsteht. Sie muss rechtfertigen, warum die Verteidigungsausgaben, die heute schon bei 36 Milliarden Euro liegen, bis 2024 auf 60 oder mehr Milliarden steigen sollen.

    Trump wird von ihr Jahr für Jahr Mehrausgaben verlangen. Daran werden sich innenpolitisch wiederum Verteilungskonflikte entzünden. Schon warnt Außenminister Sigmar Gabriel überdies davor, dass in der Mitte Europas „ein Militärbulle“ entstehen könne.

    Solidarität der USA nicht mehr das, was sie mal war

    Die Botschaft war unschwer zu entziffern: Das müssen Merkel und ihre Partei allein vertreten und durchsetzen. Die mons­trösen Verteidigungsausgaben sind ein Alleinstellungsmerkmal, das ihr keiner streitig machen wird, weder rechts noch links. Merkel traut sich nicht, auszusprechen, was ist: Die Solidarität der USA ist nicht mehr gelebte Normalität. Der Freund ist fremd geworden.