Washington. Seine Leitlinie überrascht nicht: „America first“, rief der neue US-Präsident Trump in die Menge. Nicht jeder war davon begeistert.
Wenn das Wetter schlechte Laune hat, ist aller Anfang trübe. Aber Donald Trump wäre nicht Donald Trump, würde er den nasskalten Nieselregen, der gestern Mittag über Washingtons niedergehen sollte, nicht zur Selbstvermarktung nutzen. „Dann sehen die Leute, dass das meine echten Haare sind“, sagte der 70-Jährige bereits am Vorabend seiner von bangen Erwartungen begleiteten Einführung in das Amt des 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika.
Es kam zum Glück anders.
Im Schlüsselmoment, als Trump um 11.59 Uhr Ortszeit, also kurz vor 18 Uhr deutscher Zeit, auf den Treppen des majestätischen Parlamentsgebäudes der Hauptstadt vor Supreme-Court-Richter John Roberts den Amtseid ableistete, blieb die sorgsam zusammengekämmte Frisur des 70-Jährigen, der mit roter Krawatte und Daumen hoch auf die Bühne kam, weitgehend trocken.
Donald Trump legt seinen Amtseid ab
Mehr Fans bei Obamas Amtseinführung
Von dort oben sahen die Ehrengäste, darunter fast alle noch lebenden Alt-Präsidenten, was sich von unten nicht auf Anhieb erschloss. Die parkähnliche Achse zwischen Obelisk und Kapitol, traditionell das Open-Air-Wohnzimmer Amerikas am Tag der Amtseinführung, war gut gefüllt. Aber bei weitem nicht so dicht wie 2009, als Obama ins Amt kam. Endgültige Zahlen wollte die Polizei erst am späten Abend bekanntgeben. Einstweilen galt die Richtschnur: „deutlich weniger als eine Million“.
Für Shari Miller sahen die Prioritäten beim feierlichen Machtwechsel der Weltmacht anders aus. Die 27-jährige Studentin aus Oregon brachte sich an der Hochsicherheitszone für geladene Besucher an der „Mall“ mit Plakaten in Stellung. „Trump bekämpfen – jeden Tag bekämpfen“, hieß es da.
Tumulte mit Verletzten
Miller ist überzeugt, dass Trump „das Land mit seinen spalterischen Attacken in den Abgrund führen wird, wenn man ihm nichts entgegensetzt.“ Friedlich, wohlgemerkt. Während der Zeremonie warfen später Vermummte wenige Kilometer entfernt vom Kapitol Autofenster und Scheiben von Niederlassungen Filialen von McDonald’s und der Bank of America ein. Zwei Polizisten wurden verletzt.
Donald Trump lässt sich feiern
Fernseh-Reporter, die entlang der Strecke berichteten, wiesen darauf hin, dass mit Ausnahme der Nixon-Vietnam-Ära in den 70er Jahren Proteste am „Inauguration-Tag“ in der mehr als 240-jährigen amerikanischen Geschichte höchst selten waren. „Die Wunden des bitteren Wahlkampfes sind eben noch nicht verheilt“, sagte an der Independence Avenue ein mit seiner Familie aus Texas angereister Soldat, „hoffentlich wird Donald Trump das berücksichtigen.“
„Kauft amerikanisch und stellt Amerikaner ein“
Ob er es in seiner Rede tat, darüber gingen die Meinungen auseinander. Darin verkündete der neue Amtsinhaber eine rigorose Hinwendung aufs Nationale. Amerika first – Amerika zuerst, diesem Prinzip würden sich alle Entscheidungen künftig unterordnen. Regel Nr. 1: “Kauft amerikanisch“. Regel Nr 2: „Stellt Amerikaner ein.“
Trump ging die politischen Verantwortlichen vor seiner Zeit massiv und unversöhnlich an. Sie hätten sich bereichert, das Ausland stark gemacht, Jobvernichtung betrieben und viel zu lange Verbrechen, Drogen und Bandenkriminalität geduldet. „Dieses amerikanische Gemetzel hört hier und heute auf.“ Ohne konkret zu werden, versprach Trump, dass Amerika „wieder zu siegen beginnen wird“. Dabei warb er für Heimatliebe. „Wenn ihr euer Herz für den Patriotismus öffnet, ist kein Platz für Vorurteile.“
„Nicht begeistert“
Nach dem offiziellen Teil zog sich der neue Commander-in-Chief mit 200 handverlesenen Gästen zum Mittagessen ins Kapitol zurück. Lobster aus Maine. Angus-Steak. Korbel-Champagner aus Kalifornien. Dazu spielte das „Smithonian“-Kammerorchester. Später dann die traditionelle Parade entlang der Pennsylvania Avenue bis zum Weißen Haus.
Unterdessen ging auf der Straße die Diskussion erst richtig los. Viele Besucher, die sich wegen des Verbots von Regenschirmen mit Langstiel in Plastik-Ponchos hüllten, reagierten „zufrieden“ aber „nicht begeistert“ auf die knapp 20 Minuten langen Ausführungen Trumps.
„Bald wissen wir mehr“
„Ich hätte mir mehr Zukunftsgewandtes gewünscht und weniger Generalabrechnung. Am Ende ist aber nicht die Rede entscheidend, sondern das, was wirklich geschieht in diesem Land“, sagte die aus Boston angereiste Architektin Madeleine Showers. Wie sie, so hielten es viele mit dem Plädoyer von Trumps Lieblingstochter Ivanka. „Lassen Sie meinen Vater doch erst ins Amt kommen, lassen Sie ihn beweisen, dass sich die Kritiker geirrt haben.“
Joe Gleisenhuber, ein aus Wisconsin stammender Ingenieur, warb für Pragmatismus: „In einem halben Jahr wissen wir mehr, ob wir mit Donald Trump auf das richtige Pferd gesetzt haben.“
Wir begleiten die Feierlichkeiten in Washington mit einem Live-Blog . Alle Einzelheiten zur Amtseinführung von Donald Trump bekommen Sie hier.