Washington. Nach dem krawalligen Wahlkampf hatte man auf eine Geste glaubwürdiger Demut von Donald Trump gehofft. Doch er drosch nur alte Phrasen.

Alle Amerikaner ungeachtet ihrer Rasse, Religion und politischen Heimat zu Einheit, Erneuerung und Aussöhnung aufzurufen, gehört zu den fast religiösen Ritualen, wenn in Washington ein Präsident sein Amt antritt. Auf dem Fuße folgt die Gewissheit, dass die Appelle schon bald im Schlachtenlärm des Zweiparteien-Systems verhallen. Die „Wir-gegen-die“-Rivalität setzt sich meist durch.

Unter Donald Trump, rätselhaftester und unbeliebtester Präsident der Vereinigten Staaten seit Ewigkeiten, wird sich das nicht ändern. Eher wird es noch schlimmer.

Seine Antrittsrede war inhaltlich und intellektuell eine Enttäuschung. Sie war nicht die dringend ersehnte Geste glaubwürdiger Demut nach einem niederträchtigen Wahlkampf, der oft den Tatbestand der geistigen Körperverletzung erfüllt. Sie war, im Gegenteil, eine aus bekannten Phrasen aus dem Wahlkampf kompilierte Endlosschleife, die ratlos zurücklässt. Trump klagt über „Verbrechen, Gangs und Drogen“, über „rostige Fabriken, die wie Grabsteine im Land stehen“ und über Politiker, die sich bereichern, während der einfache Amerikaner leidet. Das kannte man. Wie er es ändern will, bleibt weiter diffus.

Obama entgleisten fast die Gesichtszüge

Optimismus erzeugt das alles nicht. Der von Trump genährte Eindruck, er allein könne das Land retten und zu alter Herrlichkeit führen, was immer das auch sein mag, wird sich als Irrglaube erweisen. Er kann protektionistischen Sand ins Getriebe der Globalisierung streuen. Zurückdrehen kann er sie nicht. Sein irritierender Aufruf „Kauft amerikanisch und stellt Amerikaner ein“, sein Versprechen, die USA abzuschotten vor der bösen Welt da draußen, wirkt wie ein aus der Zeit gefallener Anachronismus.

Barack Obama, dem beim Zuhören beinahe die Gesichtszüge entglitten, hat seinem Nachfolger kein wirtschaftlich-mentales Fiasko hinterlassen, wie er es 2009 bei George W. Bush vorfand. Die USA stehen alles in allem besser dar als sämtliche konkurrierenden Machtzentren. Darauf ging Trump mit keiner Silbe ein.

Plädoyer geprägt von Nationalismus

Nach dieser Rede muss man mehr denn je davon ausgehen, dass der frisch Vereidigte den groben Vereinfacher in sich nicht an die Kette legen und die Statur eines Staatsmannes gewinnen will, der die Komplexität der Welt im Jahre 2017 anerkennt und die Vorteile von Allianzen nicht nur an Kostenfaktoren misst.

Nicht nur im Inland haben sich die Eskapaden des Milliardärs, seine Unberechenbarkeit und sein Hang zur Realitätsverweigerung längst zu einem Tsunami des Misstrauens aufgetürmt. Trumps von abgestandenem Nationalismus geprägtes Plädoyer wird die Welt noch weiter in Sorge treiben.

Donald Trump legt seinen Amtseid ab

Er ist der 45. US-Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika: Donald Trump erscheint unter Applaus zu seiner Amtseinführung.
Er ist der 45. US-Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika: Donald Trump erscheint unter Applaus zu seiner Amtseinführung. © REUTERS | LUCY NICHOLSON
Er ist der neue US-Vizepräsident: Mike Pence lässt sich von den Zuschauern feiern.
Er ist der neue US-Vizepräsident: Mike Pence lässt sich von den Zuschauern feiern. © REUTERS | CARLOS BARRIA
Das Kaiptol ist festlich geschmückt.
Das Kaiptol ist festlich geschmückt. © REUTERS | CARLOS BARRIA
Ein historischer Moment: Der 44. US-Präsident Barack Obama begrüßt den 45. US-Präsidenten Donald Trump.
Ein historischer Moment: Der 44. US-Präsident Barack Obama begrüßt den 45. US-Präsidenten Donald Trump. © REUTERS | BRIAN SNYDER
Hunderttausende Menschen verfolgen die Zeremonie.
Hunderttausende Menschen verfolgen die Zeremonie. © REUTERS | BRIAN SNYDER
Die Familie von Donald Trump ist bei den Feierlichkeiten natürlich dabei. Trumps Ehefrau Melania wird zu ihrem Platz begleitet.
Die Familie von Donald Trump ist bei den Feierlichkeiten natürlich dabei. Trumps Ehefrau Melania wird zu ihrem Platz begleitet. © REUTERS | RICK WILKING
Auch der gemeinsame Sohn Barron Trump (l.) lässt sich den besonderen Moment seines Vaters nicht entgehen.
Auch der gemeinsame Sohn Barron Trump (l.) lässt sich den besonderen Moment seines Vaters nicht entgehen. © REUTERS | CARLOS BARRIA
Ivanka Trump erscheint mit ihrem Bruder Donald Trump Jr. zur Amtseinführung.
Ivanka Trump erscheint mit ihrem Bruder Donald Trump Jr. zur Amtseinführung. © REUTERS | POOL
Die bereits erwachsenen Kinder von Donald Trump: Tiffany Trump, Donald Trump Jr. und Ivanka Trump (v.l.). Im Hintergrund stehen die Ehepartner von Donald Trump Jr. und Ivanka.
Die bereits erwachsenen Kinder von Donald Trump: Tiffany Trump, Donald Trump Jr. und Ivanka Trump (v.l.). Im Hintergrund stehen die Ehepartner von Donald Trump Jr. und Ivanka. © REUTERS | KEVIN LAMARQUE
Sie werden von ihrem Vater Donald Trump begrüßt.
Sie werden von ihrem Vater Donald Trump begrüßt. © REUTERS | KEVIN LAMARQUE
Für die neue First Lady Melania gibt es einen Kuss auf die Wange.
Für die neue First Lady Melania gibt es einen Kuss auf die Wange. © REUTERS | CARLOS BARRIA
Es ist ein Triumph für ihn: Zu Beginn des Wahlkampfs hatte kaum einer damit gerechnet, dass es Donald Trump zum US-Präsidenten schafffen würde.
Es ist ein Triumph für ihn: Zu Beginn des Wahlkampfs hatte kaum einer damit gerechnet, dass es Donald Trump zum US-Präsidenten schafffen würde. © REUTERS | LUCY NICHOLSON
Das ist der wichtigste Augenblick in seinem Leben: Donald Trump wird als US-Präsident vereidigt.
Das ist der wichtigste Augenblick in seinem Leben: Donald Trump wird als US-Präsident vereidigt. © REUTERS | CARLOS BARRIA
Melania Trump hält die zwei Bibeln, auf die Trump schwor. Eine ist seine eigene, die andere ist die des früheren US-Präsidenten Abraham Lincoln.
Melania Trump hält die zwei Bibeln, auf die Trump schwor. Eine ist seine eigene, die andere ist die des früheren US-Präsidenten Abraham Lincoln. © REUTERS | KEVIN LAMARQUE
Der Vorsitzende des Obersten Gerichtshofs gratuliert Trump als Erster.
Der Vorsitzende des Obersten Gerichtshofs gratuliert Trump als Erster. © REUTERS | CARLOS BARRIA
Danach hält Trump eine Rede. Darin kündigt er einschneidende Veränderungen in Washington an. Zu lange hätten Politiker profitiert, aber nicht die einfachen Leute, die ihre Arbeit verloren hätten. „Das ändert sich alles, jetzt beginnt es, genau hier“, sagt Trump. „Das ist Euer Moment, das ist Euer Tag. Die USA sind Euer Land.“
Danach hält Trump eine Rede. Darin kündigt er einschneidende Veränderungen in Washington an. Zu lange hätten Politiker profitiert, aber nicht die einfachen Leute, die ihre Arbeit verloren hätten. „Das ändert sich alles, jetzt beginnt es, genau hier“, sagt Trump. „Das ist Euer Moment, das ist Euer Tag. Die USA sind Euer Land.“ © REUTERS | CARLOS BARRIA
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Lamentieren bringt nicht weiter

Mit jovialen Interview-Sprüchen ist es da nicht getan. Trump muss nach Zweideutigkeiten endlich Verlässlichkeit demonstrieren. Und Achtung vor den Institutionen daheim und global. Europa, Deutschland vorneweg, ist aufgefordert, den neuen Mann im Weißen Haus davon mit Selbstbewusstsein aktiv zu überzeugen.

Über Trump aus der Ferne zu lamentieren und in Talkshows weiter das Ende alter Gewissheiten zu beklagen, ist kindisch. Selbst wenn man jetzt ahnen muss, dass die leise Hoffnung, dass aus dem Zerstörer Trump im Regierungsalltag vielleicht doch so etwas wie ein Reformer mit Augenmaß werden könnte, trügt.

Das Amt übernimmt auch den Mann

Aber: Jede Rede ist nur so groß ist wie die Taten, die ihr folgen. Ob Trumps Taten seine Versprechen beglaubigen oder entwerten werden, steht dahin. Die Uhr läuft. Am Freitag übernahm nicht nur ein Mann ein Amt, sondern auch ein Amt einen Mann. Der Einzug ins Weiße Haus katapultiert Donald Trump in eine Wirklichkeit, die er nur von außen kannte. Hoffentlich findet er sich in ihr zurecht.