Berlin. In der Nacht zu Montag werden die Oscars verliehen. Auch drei Deutsche können sich Hoffnung machen. Die Gala dürfte spannend werden.

  • In der Nacht zum Montag werden die diesjährigen Oscars verliehen
  • Unter den Nominierten befinden sich auch drei Deutsche
  • Wer auf einen Goldjungen hoffen kann

Jeder kann jetzt einen Oscar kriegen. Man muss dafür nur in Los Angeles ins Museum der Film Academy, die auch die Oscars verleiht. Dort wird eine „Oscars Experience“ angeboten. Dabei wandelt man über einen roten Teppich in einen Raum, in dem die vier Kilo schwere, 34 Zentimeter hohe Trophäe steht. Der eigene Name wird aufgerufen, ein virtuelles Publikum klatscht, „und dann kann man eine echte Oscar-Statue in die Hand nehmen und auch mal fühlen, wie schwer die ist“, so die Museumskuratorin Jessica Niebel, eine Deutsche, die zuvor beim Frankfurter Filmmuseum gearbeitet hat. Man darf uch eine kleine Dankesrede halten. Das alles wird gefilmt und dem „Sieger“ später zugemailt.

Absurd: Zwei Deutsche treten beim Auslands-Oscar an

Für drei Deutsche könnte diese „Oscars Experience“ ein bisschen realer sein, wenn am Sonntagabend (Ortszeit) die Oscars zum 96. Mal verliehen werden. Weshalb die Gala, auch wenn sie zeitversetzt erst ab ein Uhr nachts bei uns zu schauen ist, auch hierzulande mit viel Spannung verfolgt werden dürfte. Sandra Hüller ist für „Anatomie eines Falls“ als beste Hauptdarstellerin nominiert, nachdem sie schon zahllose Preise für diese Rolle gewann. Bislang hat nur eine deutsche Schauspielerin in dieser Kategorie reüssiert, Luise Rainer (sogar zwei Mal, 1937 und 1938). Aber das ist fast ein Jahrhundert her.

In der Kategorie Bester Internationaler (früher: nicht-englischsprachiger) Film ist Deutschland mit Ilker Çataks Drama „Das Lehrerzimmer“ mit Leonie Benesch vertreten. Allerdings tritt in derselben Kategorie auch Wim Wendersan – mit „Perfect Days“, keiner deutschen, sondern einer japanischen Produktion. Das findet auch der Regisseur etwas seltsam, aber amüsant.

Sie räumt gerade mit „Anatomie eines Falls“ weltweit lauter Darstellerpreise ab:  Sandra Hüller.
Sie räumt gerade mit „Anatomie eines Falls“ weltweit lauter Darstellerpreise ab: Sandra Hüller. © DPA Images | Annette Riedl

Der 78-Jährige habe aber schon „drei Mal da gesessen“, und auch wenn viele meinen, diesmal sei er „dran“, macht er sich wenig Illusionen. Çatakhat dagegen vorab für Unmut gesorgt, weil er kritisierte, dass die anderen deutschen Oscar-Mitstreiter namentlich genannt würden, bei ihm aber nur der Filmtitel – worin er einen Fall von strukturellem Rassismus sieht. Könnte es nicht schlicht sein, dass sein Name noch nicht so bekannt ist und der Titel seines Films mehr Assoziationen weckt?

Lesen Sie hier: Drei gute Gründe, die Oscar-Nacht vor dem TV zu verbringen

Lily Gladstone wäre die erste Native-American-Siegerin

Vermutlich wird der Abend aber kein ähnlicher Triumph für das deutsche Kino wie im Vorjahr, als „Im Westen nichts Neues“ von Edward Berger gleich vier Oscars, so viel wie keiner zuvor, abgeräumt hat. Sandra Hüller wird mit großer Wahrscheinlichkeit, wie schon beim Golden Globe, Lily Gladstone aus Scorseses „Killers of the Flower Moon“ unterliegen. Damit würde sogar Oscar-Geschichte geschrieben. Gladstone wäre die erste Native American, der das gelingt. Noch dazu für einen Film, der ein dunkles Kapitel über den Umgang mit Indigenen aufdeckt.

Er war schon drei Mal für einen Oscar nominiert, hat aber noch nie einen gewonnen: Filmemacher Wim Wenders.
Er war schon drei Mal für einen Oscar nominiert, hat aber noch nie einen gewonnen: Filmemacher Wim Wenders. © DPA Images | Sebastian Gollnow

Und auch beim Internationalen Film wird vermutlich weder Wenders noch Çatak triumphieren. Sondern „The Zone of Interest” von Brian Glazer. Eine britische Produktion, die deshalb in der internationalen Kategorie nominiert wurde, weil hier Deutsch gesprochen wird. Und so könnte Sandra Hüller doch triumphieren, spielt sie doch mit Christian Friedel die Hauptrollen in diesem Film um Rudolf Höß, den Lagerkommandanten von Auschwitz, der direkt vor dem KZ ein grausliges Familienidyll lebt.

Der Favorit des Abends ist „Oppenheimer“ mit 13 Nominierungen

Das Barbenheimer-Duell der letzten Monate wird sich bei den Oscars wohl nicht wiederholen. Christopher Nolans Biopic „Oppenheimer“ über den Vater der Atombombe ist Greta Gerwigs „Barbie“-Verfilmung zwar ant den Kinokassen unterlegen, in der Award Season aber verhält es sich genau umgekehrt. Bei den Oscars ist „Oppenheimer“ mit 13 Nominierungen der klare Favorit des Abends. „Barbie“ wurde dagegen inzwischen von „Poor Things“ überholt, der seine feministischen Untertöne weit kräftiger formuliert. Yorgos Lanthimos‘ FIlm ist in elf Kategorien nominiert, „Barbie“ dagegen landet nach „Killers of The Flower Moon“ (mit 10) mit acht Nominierungen nur auf Platz 4.

Regisseur Ilker Çatak sieht in der Oscar-Vorberichterstattung einen Fall von strukturellem Rassismus.
Regisseur Ilker Çatak sieht in der Oscar-Vorberichterstattung einen Fall von strukturellem Rassismus. © DPA Images | Chris Pizzello

Wobei weder Hauptdarstellerin Margot Robbie noch Regisseurin Greta Gerwig nominiert sind. Einige sehen darin genau jene Frauenfeindlichkeit, die „Barbie“ parodiert. Und auch Ryan Gosling, der für seinen Ken als bester Nebendarsteller nominiert ist, hat sich kritisch geäußert: Es sei „eine Untertreibung, wenn ich sagen würde, ich sei enttäuscht darüber, dass die beiden nicht nominiert sind.“ Sollte er gewinnen, könnten ein paar kritische Worte in seiner Dankesrede fallen. Auch wenn mehr Frauen nominiert sind als in den Vorjahren, machen sie insgesamt doch nur ein Drittel aus.

Erstmals greifendie neuen Diversitäts-Regeln der Academy

Das würde die Academy an einem neuralgischen Punkt treffen. Gelten in diesem Jahr doch erstmals die neuen Diversitäts-Regeln, die sich die Veranstalter, nach den #Oscarssowhite-Vorwürfen der Vorjahre, selbst auferlegt haben, um mehr Vielfalt zu demonstrieren. Ein Film muss von vier Standards (Diversität auf der Leinwand, in der Crew, Zugang zur Filmindustrie und Vielfalt beim Marketing) mindestens zwei erfüllen, um überhaupt nominiert zu werden. Damit soll Minderheiten und marginalisierten Gruppen mehr Sichtbarkeit verliehen werden.

Die Frage ist, ob das nur für die Nominierungen gilt. Oder ob das auch bei der Abstimmung der über 10.000 Wahlberechtigten der Academy eine Rolle spielt. Dann wäre der Oscar für Lily Gladstone eigentlich gesetzt. Und „Oppenheimer“ könnte doch wanken. Denn jüngst wurde der Film dafür kritisiert, dass er die tödlichen Folgen eines Atombombentests in New Mexico für die dortige indigene Bevölkerung nicht thematisiert hat. Es wird also spannend, wie politisch der Abend im Dolby Theatre von Los Angeles wird. Und inwieweit Jimmy Kimmel, der wie im Vorjahr moderiert, darauf Bezug nimmt.