Braunschweig. Der Ombudsrat und die Redaktion nehmen Stellung zur Berichterstattung über den Direktkandidaten für den Bundestag, Carsten Müller, von der CDU.

Leser Oliver Oldermann aus Braunschweig schreibt zu „Immerhin, sagt die CDU: Platz 1 in der Stadt“ vom 25. September:

Wenn Herr Noske für Herrn Müller von der CDU „das Beste erhofft“ und „die lieben Leser“ in seine guten Wünsche mit einbezieht, ist das erst mal sehr freundlich und zeugt darüber hinaus von Zustimmung und Unterstützung für den Politiker – schließlich ist die Meinungsäußerung in unserem Land ein hohes und geschütztes Gut. Für mich gehört aber die private politische Meinung eines Redakteurs maximal in eine Glosse oder einen Kommentar, der auch als solches so zu erkennen ist. Als Teil seriöser und parteiungebundener Berichterstattung über das Abschneiden unserer Braunschweiger Kandidaten taugt es gar nicht.

Herr Noske überbietet sich sogar noch in Anbiederei im Satz davor: „Schon klar: Einen wie Carsten Müller brauchen wir in Berlin.“ Da stellt sich doch für mich die Frage: Was ist hier eigentlich klar – und warum? Wofür und für wen brauchen wir nach Meinung von Herrn Noske Herrn Müller in Berlin? Aus dem Artikel geht jedenfalls die Antwort nicht hervor. Die Frage kann also weder er noch ich beantworten, und es steht mir auch nicht zu, hier das politische Gewicht von Herrn Müller zu bestimmen. Meine Kritik wendet sich gegen offene Parteinahme und Bevorzugung durch einen Redakteur im Lokalteil und ich erwarte eine sachliche, kluge, faktenreiche und neutrale politische Berichterstattung dieser Zeitung.

Der Autor des Beitrages, Henning Noske, nimmt Stellung:

Durch die genannten Passagen ist der Eindruck entstanden, der Redakteur erhoffe für den CDU-Bundestagskandidaten das Beste. Selbstverständlich hofft eine Redaktion nicht, dass der CDU-Kandidat gewinnt, denn sie ist unabhängig. Hier ging es darum, mit einer pointierten Wendung die Atmosphäre der CDU-Wahlparty am Wahlabend einzufangen. Da hing der Kandidat „in der Luft“, und alle hofften und bangten mit ihm. Das sollte ausgedrückt werden.

Mit einer ähnlich pointierten Wendung wurde übrigens ganz bewusst auch die Reportage von der SPD-Wahlparty auf derselben Seite abgeschlossen. Da geht es um den Absturz der SPD: „Sie wird wiederkommen. Sie muss wiederkommen“, schreiben wir dort. Selbstverständlich hofft eine Redaktion nicht, dass die SPD wiederkommt, denn sie ist unabhängig. Deutlich wird aber das Stilmittel, das auf dieser Seite durchgehend gewählt wurde – und eben nicht nur bei einer Partei und deshalb gerade nicht parteiergreifend. Da man Missverständnisse aber immer ausschließen sollte, wäre es besser gewesen, dieses Stilmittel deutlich zu kennzeichnen.

Der Ombudsrat ergänzt:

Hanns Joachim Friedrichs (1927 - 1995) gilt als einer der profiliertesten Journalisten der alten Bundesrepublik. Er sagte, einen guten Journalisten erkenne man daran, „dass er sich nicht gemeinmacht mit einer Sache – auch nicht mit einer guten Sache“. Für Lokaljournalisten, die einfühlsam für die Menschen vor Ort berichten wollen, wäre dieser Satz sicher problematisch, wenn er allzu dogmatisch ausgelegt würde. Mit der Brille des Lokalpatrioten betrachtet, kann es nur wünschenswert für Braunschweig und die Region sein, im neuen Bundestag von möglichst vielen Abgeordneten vertreten zu werden. Selbstverständlich darf Lokalpatriotismus nicht die journalistische Unabhängigkeit infrage stellen. Die Zuschrift des Lesers zeigt, dass die Wendung: „Einen wie Carsten Müller brauchen wir in Berlin. Hoffen wir das Beste“, missverstanden werden kann. Deshalb ist der selbstkritischen Stellungnahme des Autors wenig hinzufügen.