„Kinder aus armen Familien können sich vieles nicht leisten, was für ihre Altersgenossen selbstverständlich ist.“

Armut in Deutschland bedeutet in den seltensten Fällen Hunger oder Obdachlosigkeit. Armut bedeutet Verzicht. Kinder aus armen Familien können sich vieles nicht leisten, was für ihre Altersgenossen selbstverständlich ist. Ins Kino gehen, ein solides Fahrrad fahren, ein gutes Paar Winterschuhe kaufen, von Urlaubsreisen erzählen. Sie schämen sich und stehen unter Stress, weil die Armut nicht sichtbar sein soll.

Mehr als jedes fünfte Kind in Deutschland lebt laut einer neuen Studie länger als fünf Jahre in armen Verhältnissen. Nicht zum ersten Mal warnen Forscher davor, dass sich Armut vererbt und über Generationen verfestigt. Und dass zu viele Kinder mit dem Gefühl groß werden: Es lohnt sich ja doch nicht. Doch wie lässt sich die Vererbung von Armut durchbrechen?

Sollten sich Union, FDP und Grüne auf eine Regierung einigen, dürften vor allem Mittelschichtfamilien profitieren. Höhere Kinderfreibeträge? Davon hätten nur Eltern etwas, die jetzt schon nennenswert Steuern zahlen. Höheres Kindergeld? Käme nur solchen Familien zugute, die oberhalb der Hartz-IV-Grenze liegen; bei allen anderen wird es mit der Sozialhilfe verrechnet.

Sicher, auch den möglichen Jamaika-Partnern ist Kinderarmut nicht egal. Die FDP etwa will Hartz-IV-Empfängern mehr Möglichkeiten geben, Geld dazuzuverdienen, ohne dass jeder Euro angerechnet wird. Auch Mini-Jobber sollen durch eine Anhebung der 450-Euro-Grenze mehr Spielraum haben, sich selbst aus der Armut zu befreien. Teuer, aber vernünftig ist auch die Forderung der Union nach einem Rechtsanspruch auf Ganztagsschule. Denn schaffen es die Eltern nicht, ist die Schule der einzige Ort, an dem Kinder lernen können, dass es sich lohnt und wie man es anstellt, der Armut zu entkommen.

In vier Jahren wolle sie nicht noch einmal sagen müssen, jedes fünfte Kind lebe in Armut, erklärte Grünen-Spitzenfrau Katrin Göring-Eckardt am Montag. Ein gewagter Satz. Kommt es zu einem Jamaika-Bündnis, werden sie sich daran messen lassen müssen.