„Künftig dürfen sich Politiker nicht mehr vor vollendete Tatsachen stellen lassen, da müssen Kontrollmechanismen früher greifen.“

Mehr Zuschauer, mehr Schulden – die Bilanz der Documenta 14 ist so zwiespältig wie die Diskussionen über ihren Kunst- und Mehrwert bei den Besuchern und Kritikern. 891 500 Zuschauer allein in Kassel, das ist beachtlich, gerade angesichts über weite Strecken vor allem politisch anklägerischer Werke, bei denen sich die Kunst ganz im Konzept verbirgt.

Dass die Schau 5,4 Millionen Euro mehr gekostet hat als geplant, ist in Anbetracht des zweiten Großstandorts Athen wenig überraschend. Trotzdem kann man nicht wie der künstlerische Leiter Adam Szymczyk nassforsch argumentieren, die Politiker hätten sein Konzept gewollt, da hätte ihnen klar sein müssen, dass es teuer wird. Am Ende werden Land und Stadt zähneknirschend zahlen. Aber künftig dürfen sich Politiker nicht mehr vor vollendete Tatsachen stellen lassen, da müssen Kontrollen früher greifen.

Ganz klar sollte es weitergehen mit der Weltkunstschau, die Menschen so unmittelbar mit verschiedenen Kunstpositionen konfrontiert. Aber ebenso klar sollte sie sich künftig wieder auf Kassel konzentrieren. Und selbst in Kassel müssen nicht die entlegensten Orte bespielt werden, auch da täte eine Konzentration auf Fridericianum, Karlsaue und Hohes Ufer gut. Die moderne Kunst neigt zur Entgrenzung, räumlich, formal, inhaltlich. Werke zerfließen zur Performance, Aussagen zu Diskussionen. Es könnte der Kunst guttun, sich wieder zu sammeln, auf den Punkt zu kommen, die schlagende Form für ihr Anliegen zu finden. Auswahl-Jury und Politiker müssten sich trauen, einen Kurator zu verpflichten, der nach so unzeitgemäßen Positionen sucht und nicht bloß den angesagten kunsttheoretischen und sozialkritischen Diskurs bedient. Dann kann sich der Documenta-Besuch wieder von der Lehrveranstaltung zum Kunsterlebnis wandeln, das lockt, schreckt, begeistert – und nicht bloß ein schlechtes Gewissen macht.