„Die Abordnungsaffäre ist Symptom einer Grunderkrankung unseres Schulsystems.“

Planung ist der Ersatz des Zufalls durch den Irrtum. Das weiß jeder, der Personal plant – freudige und weniger freudige Ereignisse setzen selbst dem Sorgfältigsten Grenzen. Man kann der niedersächsischen Schulverwaltung und Ministerin Heiligenstadt deshalb kaum vorwerfen, dass sie zum neuen Schuljahr auf Engpässe an den Grundschulen reagierte. Das Prinzip Verlässlichkeit ist gerade bei den Schulanfängern sinnvoll, es bedarf personeller Ausstattung.

Nur scheint die Art der Reaktion von geringer Klugheit beseelt zu sein. Die Lehrer, die nun an den Grundschulen aushelfen, fehlen unter anderem an den Gymnasien. Weil sie für die besonderen Herausforderungen der Kleinsten nicht geschult sind, werden sie oft nicht angemessen eingesetzt. Und die höheren Schulen konnten ihrerseits häufig kaum gegensteuern. Abordnungen am letzten Ferientag, nach abgeschlossener Planung, führten fast zwangsläufig zu Unterrichtsausfall. Die Lehrerverschickung verlagert das Problem, sie löst es nicht. Und das Versprechen, künftig jede Abordnung zu prüfen, wirkt nur peinlich.

Die ganze Affäre ist Symptom einer Grunderkrankung unseres Schulsystems. Seit langem ist klar: Die Unterrichtsversorgung in Niedersachsen steht auf wackeliger Basis. Die Aussagen der Ministerin, wonach der Unterricht gesichert sei, erweisen sich als unhaltbar, die Warnungen der Opposition und der Fachverbände waren berechtigt. Denn die Personaldecke ist zu knapp kalkuliert. Die neue Landesregierung, gleich welcher Farbe, wird nachzuholen haben, was das Kabinett Weil und die regelmäßig überfordert wirkende Ministerin versäumten.

Hoffentlich erinnern sich alle Parteien auch nach dem Wahlkampf noch ihrer guten Vorsätze. Wer es mit der Unterrichtsqualität in Niedersachsen ernst meint, der muss in Lehrerinnen und Lehrer investieren.

Dazu ist der Kassensturz nötig, den das Ministerium hartnäckig verweigert. Bisher wissen nur Schule, Kinder und Eltern, wie viel Unterricht Tag für Tag tatsächlich ausfällt.