„Trump hat die radikale Rechte seit Ausrufung seiner Kandidatur aus der Schmuddelecke geholt.“

In Krisen-Situationen suchen Amerikaner traditionell Halt bei ihrem Präsidenten. Bei Donald Trump greifen sie leider ins Leere. Sein hohl und verharmlosend wirkender Aufruf zur nationalen Einheit nach der Tragödie von Charlottesville macht auf bedrückende Weise deutlich, woran es ihm mangelt: Verantwortungsbewusstsein, moralische Klarheit, Fähigkeit zur Selbstkritik.

Besäße Trump diese Tugenden, dann hätte er sich längst in einer Live-Ansprache an die Nation von dem rassistischen und antisemitischen Mob distanziert. Er hätte sein Mitverschulden am Erstarken der Hasskappen eingeräumt, die im Multikulti-Amerika die Uhren ins 19. Jahrhundert zurückdrehen wollen: Vorfahrt für Weiße. Schwarze aufs Abstellgleis. Raus mit den Illegalen. Wirtschaftlich die Schotten dicht machen. Amerika über alles. Zu dieser Reue ist Trump aber selbst dann nicht fähig, wenn ein Mensch stirbt, weil ein rechtsgewirkter Spinner mit Absicht Amok und Andersdenkende im Stil des „Islamischen Staates“ über den Haufen fährt. Trump ist auf dem rechten Auge blind. Er hat weder Anstand noch Kompass. Der Präsident hat die radikale Rechte seit Ausrufung seiner Kandidatur im Sommer 2015 aus der Schmuddelecke in den politischen Mainstream geholt. Sein dröhnendes Schweigen zu vielen Hassverbrechen von Neonazis und grassierender Gewalt gegen Minderheiten hat die Neu-Ewiggestrigen ermutigt und wiederbelebt. Amerika hat ein veritables Problem mit Inlands terrorismus von rechts, über das Trump – anders als über die islamistische Spielart – nie redet. In seinem engsten Umfeld hat er Berater als rhetorische Zuschläger installiert, bei denen den selbst ernannten Kämpfern für die Vorherrschaft der weißen Rasse regelmäßig das Herz übergeht. Der Anschlag von Charlottesville hat eindrücklich bewiesen: Der Fisch stinkt vom Kopf.