„Nach dem SPD-Vorstoß war klar, dass es für die ,Ehe für alle‘ im Bundestag ein dickes Ja-Wort geben wird.“

„Ich wünsche mir eine Diskussion, die eher in Richtung einer Gewissensentscheidung geht.“
Angela Merkel zur Frage nach der „Ehe für alle“ am Montag

Thomas_Roth_Portraits_425_frei

Die „Ehe für alle“ ist beschlossen – die Bundestagsabgeordneten stimmten mit großer Mehrheit dafür, das Ja des Bundesrats ist nur eine Formalie. Und doch gibt es selbst für die Befürworter nicht nur Grund zum Feiern.

Da gibt es einerseits rechtliche Bedenken. Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, etwa geht davon aus, dass zunächst das Grundgesetz geändert werden müsste – sonst sei das Gesetz zur „Ehe für alle“ verfassungswidrig.

Dass diese Frage nicht endgültig geklärt ist, liegt auch an einem anderen Problem: Die „Ehe für alle“ ging im Schnellverfahren durchs Parlament. Auch wenn es schon lange einen Entwurf gab, ausführliche Diskussionen konnten nun kaum mehr geführt werden. Ausgangspunkt der jetzigen Debatte: Das vorangestellte Zitat von Bundeskanzlerin Angela Merkel auf eine Frage bei einer Veranstaltung der Zeitschrift „Brigitte“. Eine typische Merkel-Aussage: ein wenig verschroben, nicht ganz auf den Punkt. War Merkels Antwort Taktik, um sich eines leidigen Themas vor der Bundestagswahl zu entledigen? Immerhin hatten die möglichen Koalitionspartner klar gemacht, dass sie die „Ehe für alle“ für eine Hochzeit mit der CDU nach der Wahl zur Voraussetzung machen würden.

Oder war es doch eine Entscheidung aus dem Bauch heraus? In jedem Fall war die Aussage gehaltvoll genug, um etwas in Gang zu setzen, was so nur kurz vor einer Wahl funktioniert. Da sieht der bisherige Koalitionspartner eine Chance, sich gegen die CDU zu profilieren – zugegeben mit einem Thema, das die SPD schon lange auf dem Schirm hatte. Schnell nimmt Parteichef Martin Schulz die Aussage auf, die SPD setzt gemeinsam mit der Opposition das Thema auf die Tagesordnung. Zwei Dinge waren ab da klar: Einerseits, dass die Große Koalition immer öfter einen Streit offen austragen wird und der Wahlkampf auch im Bundestag angekommen ist, und andererseits, dass es für die „Ehe für alle“ ein dickes Ja-Wort geben wird.

Was es leider nicht gegeben hat: Eine Diskussion, die klar machte, um was es geht. Eine Diskussion, die Befürworter, aber auch Gegner der „Ehe für alle“ auf Augenhöhe alle Argumente austauschen ließ. Eine Diskussion, die deutlich gemacht hätte, dass es vor allem um Änderungen im Adoptionsrecht geht. Die hätte zeigen können, wie abstrus die bisherige Situation war: So trauten etwa die Jugendämter gleichgeschlechtlichen Paaren zu, Pflegekinder aufzunehmen. So konnte etwa jeder einzeln nacheinander ein Kind adoptieren. Nur gemeinsam ein Kind adoptieren, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen, das war bisher nicht möglich.

Doch um all diese Punkte ging es in dieser Woche kaum mehr. Eher um die Deutungshoheit, wer sich wann wie für die „Ehe für alle“ eingesetzt hatte und wer sich darüber freuen darf.

Wer Recht hat, das war auch bei einem anderen wichtigen Thema in dieser Woche wichtig: Vor dem Landgericht in Braunschweig gab es bei der mündlichen Verhandlung der Klage gegen VW den ersten Hinweis darauf, dass es eher keinen Schadenersatz für die Kunden von Myright.de geben wird. Die große Frage, ob VW bewusst getäuscht hat, steht nicht im Mittelpunkt der Verhandlung, sondern Fragen zur Zulassung. Es geht hier ebenfalls um Details. Es geht um die Frage, ob der Europäische Gerichtshof schon jetzt zuständig ist. Es geht um Schadenersatz für Kunden. Und es geht, das ist sicher, für Myright.de zudem darum, ob sich mit dem Dieselskandal viel Geld verdienen lässt. Ein Schnellverfahren wie in der Politik wird es hier nicht geben. Es bleibt also weiter eine Hängepartie, was auf VW und seine vielen Mitarbeiter noch alles zukommen kann.