„Es geht bei den Beziehungen zwischen Deutschland und Israel um sehr viel mehr als nur um Gabriel und Netanjahu.“

Es hätte alles so würdevoll sein können: Der Bundesaußenminister macht zum wichtigsten Gedenktag Israels seinen Antrittsbesuch und betont die historische Verantwortung der Deutschen. Israels Führung unterstreicht im Gegenzug die großartige Entwicklung der Beziehungen nach der Jahrhundert-Katastrophe der Shoa. Gemeinsam kommt man zu einem kritisch-konstruktiven Austausch über Probleme der Region und wie Deutschland helfen kann.

Doch diese Chance ist vertan. Sigmar Gabriels Besuch in Israel hat sich völlig überraschend zum diplomatischen GAU entwickelt, und der angerichtete Schaden ist groß. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hat es einmal mehr geschafft, einen der wichtigsten Unterstützer Israels vor den Kopf zu stoßen. Nach US-Präsident Barack Obama, dem Netanjahu in herzlicher Abneigung verbunden war, hat es jetzt den deutschen Außenminister getroffen.

Dass Netanjahu Gabriel wie den Vertreter eines Schurkenstaates hat stehen lassen, ist ein gewaltiger Affront, und er trifft nicht nur den deutschen Chef-Diplomaten. Die Absage ist ein Schlag für die gesamte Bundesregierung und beschädigt leider die mühselige Arbeit all derjenigen, die sich im Alltag um gute Beziehungen zu Israel bemühen und die mithelfen, dem Leben der jüdischen Gemeinde in Deutschland zu neuer Blüte zu verhelfen.

Natürlich hat Netanjahu überzogen. Aber die alte Volksweisheit, dass zu einem Streit immer zwei gehören, trifft leider auch in diesem Fall zu. Es ist ein bemerkenswertes Versagen, dass es dem Auswärtigen Amt nicht gelungen ist, ausgerechnet zum Holocaust-Gedenktag ein unfallfreies Besuchsprogramm abzustimmen. Zu einem solchen Showdown hätte es niemals kommen dürfen. Schließlich geht es bei den Beziehungen zwischen Deutschland und Israel um sehr viel mehr als nur um Gabriel und Netanjahu.