„Rechtfertigt der Kinderwunsch einer Witwe die Zeugung eines Kindes, dem schon vorher ein Elternteil fehlt?“

Die Situation möchte sich wohl niemand vorstellen: Man lebt mit jemandem zusammen, wünscht sich ein Kind, es klappt nicht – und dann ist der Partner plötzlich tot. Das ist einer 35-jährigen Frau aus Bayern passiert. Weil es mit dem Kinderwunsch nicht klappte, hatte das Paar eine künstliche Befruchtung geplant. Das Sperma des Mannes war schon eingelagert, nach seinem Tod wollte die Frau sich in der Klinik befruchten lassen – doch die verweigerte das.

Der Streit landete vor Gericht, gestern nun gab auch das Oberlandesgericht in München der Klinik Recht. Begründung: Das Gesetz zum Schutz von Embryonen verbiete eine Befruchtung mit dem Sperma nach dem Tod des Spenders. Die Frau kann nun noch vor den Bundesgerichtshof ziehen.

Das Gericht ist bei seinem Urteil an Gesetze gebunden und hat dementsprechend sicher richtig entschieden. Aber wird das Urteil auch der Situation der Witwe gerecht?

Die Frage ist schwer zu beantworten. Klar, das Paar hatte sich ein Kind gewünscht und die künstliche Befruchtung schon geplant. Der Wunsch der Frau ist es nach wie vor, ein Kind von diesem – nun toten – Mann auszutragen. Insofern kann man der Ansicht sein, dass die Ausführung nun auch den Wunsch des Mannes erfüllen würde. Aber der Mann hatte, als er den Kinderwunsch hatte, wohl nicht mit seinem Tod gerechnet. Würde er wollen, dass sein Kind nun ohne Vater aufwächst? Offenbar hat er jedenfalls kein entsprechendes Dokument hinterlassen – wir wissen es nicht.

Und selbst wenn: Rechtfertigt der Kinderwunsch der Eltern die Zeugung eines Kindes, dem schon zu diesem Zeitpunkt ein Elternteil fehlt? Bei dem sogar schon vor der Zeugung klar ist, dass es seinen Vater nie wird kennenlernen können? Hier sind mindestens Zweifel angebracht. Deshalb ist die Entscheidung der Richter letztlich die einzig richtige. Sie dürfte ihnen nicht leichtgefallen sein.