„Eine erfolgreich umgesetzte Vision ,Europa Reloaded‘ würde auch in Amerika ihre Wirkung nicht verfehlen.“

In der öffentlichen Diskussion gibt es eine Tendenz, sich hinter festgefügten Klischees zu verschanzen. Das betrifft insbesondere die Sicht auf die Europäische Union. Eines der gängigsten Meinungsmuster lautet: Die EU ist hoffnungslos gelähmt. Sie verfügt über kein Zukunftsprojekt mehr. Die zweite immer wieder gern verbreitete Einschätzung: US-Präsident Donald Trump befindet sich auf einem narzisstischen Gaga-Trip, der jeden Tag neue Blüten treibt. Ergebnis ist eine unberechenbare Politik nach dem Roberto-Blanco-Prinzip „Heute so, morgen so.“

Wesentlich anstrengender ist es, wenn man die Komfortzone der gehegten Vorurteile verlässt. Zum Beispiel, indem man Trumps Attacken gegen die EU und sein Lamento über die mangelnde Zahlungsmoral der Nato-Mitglieder hinterfragt. Könnte es sein, dass ein Teil der Kritik berechtigt ist? Ja, dem ist so. Europa war zu lange schwach und orientierungslos. Die Brüsseler Elite hatte sich zunächst in die Schaffung einer „immer engeren Union“ verbissen. Nach der Ablehnung durch weite Teile der Bevölkerung verfiel sie in Selbstmitleid.

Doch es gibt eine Rezeptur gegen die Depression. In der Krise des Trump-Chaos’ liegt auch eine Chance. Das Heilmittel für die EU heißt: Schluss mit der kafkaesken Regelungswut, den Apparat entschlacken, Konzentration auf das Wesentliche. Die neue Union sollte Kernbereiche umfassen, die bei den Bürgern auf Zustimmung stoßen. Das sind vor allem innere und äußere Sicherheit, sozial abgefedertes Wachstum sowie Europas kulturelle Vielfalt. Offenheit, Toleranz, Freiheit und nicht Abschottung sind das Markenzeichen der EU. Dass man dabei auch Selbstbewusstsein auf Basis eigener Stärke tankt, versteht sich von selbst. Aufjaulen nach jedem Schreckens-Tweet aus Washington hilft nicht weiter. Eine erfolgreich umgesetzte Vision „Europa Reloaded“ würde auch in Amerika ihre Wirkung nicht verfehlen.