„Der Einzug ins Weiße Haus katapultiert Donald Trump in eine Wirklichkeit, die er nur von außen kannte.“

Alle Amerikaner ungeachtet ihrer Rasse, Religion und politischen Heimat zu Einheit, Erneuerung und Aussöhnung aufzurufen, gehört zu den Ritualen, wenn in Washington ein Präsident sein Amt antritt. Auf dem Fuße folgt die Gewissheit, dass die Appelle bald im Schlachtenlärm des Zweiparteien-Systems verhallen. Unter Donald Trump, rätselhaftester und unbeliebtester Präsident der Vereinigten Staaten seit Ewigkeiten, wird sich das nicht ändern. Eher wird es noch schlimmer.

Seine Antrittsrede war inhaltlich und intellektuell eine Enttäuschung. Sie war nicht die ersehnte Geste glaubwürdiger Demut nach einem niederträchtigen Wahlkampf. Sie war eine Endlosschleife aus bekannten Wahlkampf-Phrasen. Trump klagt über „Verbrechen, Gangs und Drogen“, über „rostige Fabriken“ und über Politiker, die sich bereichern, während der einfache Amerikaner leidet. Das kannte man. Wie er es ändern will, bleibt diffus.

Nach dieser Rede kann man nicht davon ausgehen, dass der frisch Vereidigte den groben Vereinfacher in sich an die Kette legen und die Statur eines Staatsmannes gewinnen will.

Trump muss nun endlich Verlässlichkeit demonstrieren. Europa, Deutschland vorneweg, ist aufgefordert, den neuen Mann im Weißen Haus davon mit Selbstbewusstsein aktiv zu überzeugen. Über Trump aus der Ferne zu lamentieren und in Talkshows weiter das Ende alter Gewissheiten zu beklagen, ist kindisch. Selbst wenn man jetzt ahnen muss, dass die leise Hoffnung trügt, aus Trump könne im Regierungsalltag vielleicht doch so etwas wie ein Reformer mit Augenmaß werden.

Aber: Jede Rede ist nur so groß wie die Taten, die folgen. Ob Trumps Taten seine Versprechen beglaubigen oder entwerten werden, steht dahin. Der Einzug ins Weiße Haus katapultiert Donald Trump in eine Wirklichkeit, die er nur von außen kannte. Hoffentlich findet er sich in ihr zurecht.