„Was vor zehn Jahren zum Rücktritt von allen Ämtern geführt hätte, dient heute dem Stimmenfang.“

Dies ist eine Woche der Geschichtsentsorger. Da schwadroniert der Thüringer AfD-Rechtsaußen Björn Höcke in Dresden, „unser liebes Volk“ sei „erstmals in seiner Existenz tatsächlich elementar bedroht“, beschimpft die Bundesregierung als „Regime“ und die Abwendung der Deutschen von der Nazi-Ideologie als „Umerziehung“. Wer im Internet die Niederschrift seiner Rede nachliest, setzt sich einem demagogischen Ineinander und Durcheinander von Vorurteilen, Diffamierungen, Unterstellungen und Halbwahrheiten aus, das man bei NPD oder DVU nicht weniger bejubelt hätte als bei der Jugendorganisation der AfD. Nur eines hat er nicht getan: Höcke bestreitet an keiner Stelle, dass der Holocaust eine Schande ist. Er kritisiert aber, dass Deutschland sich seiner dunklen Vergangenheit stellt – die Obszönität ist auch so groß genug.

Dietmar Bartsch wiederum, der Linken-Fraktionschef im Bundestag, möchte die DDR nicht Unrechtsstaat nennen. Zwar habe es „schlimmes Unrecht“, aber auch „rechtsstaatliche Bereiche“ gegeben. Was aber wäre denn ein Unrechtsstaat, wenn nicht einer, der Bürger erschießen ließ, weil sie über die Grenze wollten und der Menschen in Gefängnis warf, weil sie ihre Meinung sagten?

Manfred Casper, der ehemalige Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Braunschweig, macht den katastrophalen Irrtum Bartschs mit maßvollen, klugen Worten deutlich.

Über Twitter schrieb der Journalist Konstantin Nowotny: „Um die schleichende Normalisierung des Faschismus zu begreifen, reicht es, sich die Höcke-Rede vor etwa 10 Jahren vorzustellen.“ In der Tat: Was damals zum Rücktritt von allen Ämtern geführt hätte, dient heute dem Stimmenfang.

Höckes Hetzrede und der unsägliche Relativismus Bartschs sind in Inhalt und Niveau nicht vergleichbar. Und doch lassen beide für den Bundestagswahlkampf Übles erwarten.