„Es ist mutig von Angela Merkel und auch ein Zeichen von Pflichtbewusstsein, erneut anzutreten.“

Nun ist es also endlich raus. Angela Merkel strebt ihre vierte Kanzlerschaft an. Wenn sie es schafft, wird sie nicht nur als erste Frau im Kanzleramt in die Geschichte eingehen. Sie wird am Ende auch die Amtszeit Konrad Adenauers überdauert haben, der Deutschland stolze 14 Jahre lang regierte.

Der vierte Wahlkampf um das mächtigste Amt in Deutschland wird für Angela Merkel der härteste werden. Wie in der Spätphase Kohls ist ein Teil der Wählerschaft Merkel-überdrüssig. Das gilt auch für ihre Partei. Merkels Kurs in der Flüchtlingsfrage hat sowohl im Volk als auch in der Union echten Widerstand ausgelöst. Auch ihr homöopathisch dosierter Kurswechsel konnte diesen bislang nicht brechen.

Hinzu kommt der deftige Frust in einer Partei: Tiefschwarz war die politische Landkarte Deutschlands in Angela Merkels erstem Amtsjahr. Elf Jahre später stellt die Union nur noch in fünf von 16 Ländern den Regierungschef. Und mit der Macht schwinden auch die Mandate und Posten, mit deren Verteilung Helmut Kohl die CDU immer bei Laune hielt.

Gleichzeitig fehlt Merkel die Fortune für die Posten, die zu vergeben sind. Nicht einmal für das höchste Amt im Staat konnte sie in den eigenen Reihen einen Mann oder eine Frau finden. Eine „Niederlage“ nennt das Wolfgang Schäuble, der als einer der wenigen in der Union die Lage schonungslos beschreiben darf. Recht hat er. In den Ohren Merkels mag all das ungerecht klingen. Sie hat sich aufgerieben in einer Kanzlerschaft, die mehr Katastrophen als die meisten anderen sah. In zwei Finanzkrisen musste sie – mit Hilfe der SPD – die Welt vor dem finanziellen Untergang retten. Ein Atom-Gau hat ihr Energiekonzept geschreddert und im zerfallenden Europa ist Angela Merkel nicht mehr als Gestalterin, sondern als Trümmerfrau unterwegs. Sie liest Scherben auf, pflegt die politisch Verwundeten und versucht in Brüsseler Nachtarbeit neue Schäden zu verhindern. Dazu kommen heiße Konflikte in Nahost und der Ukraine. Dass der wichtigste Verbündete jetzt auch noch einen unberechenbaren Präsidenten bekommt, macht den Job für Merkel nicht leichter. Deshalb ist es mutig von Merkel und auch ein Zeichen von Pflichtbewusstsein, erneut anzutreten. Und vielleicht liegt gerade in der globalen Unruhe ihre größte Chance. Gerät die Welt aus den Fugen, schätzen die Deutschen politische Stabilität im eigenen Land. So lautete früher ein politisches Naturgesetz. Ob es noch gilt, werden wir im Herbst 2017 sehen.