„Donald Trump scheint erkannt zu haben: Er muss als erstes seine Wahlkampf-Rhetorik einfangen.“

Hail to the chief! Frank Zappa, der ein musikalisches Universalgenie und Amerikas bissigster Satiriker seit Mark Twain war, hätte in dieser Nacht viel neues Material gefunden. Amerika wählte Donald Trump zum Präsidenten – einen Mann, der Wahlkampf mit den Mitteln eines reaktionären Fernsehpredigers führte. Ist Amerika verrückt geworden? Bei sehr oberflächlicher Betrachtung ist für uns Europäer kaum nachvollziehbar, dass die Wähler so viel Macht in die Hände eines ökonomischen Hasardeurs legen, dessen Weltbild rassistische und sexistische Züge trägt. Der Wahlsieg Donald Trumps wirkt wie die Nachricht aus einem fremden Land.

So einfach liegen die Dinge aber nicht. Erste Analysen scheinen zu belegen, dass er vor allem dort Erfolg hatte, wo Amerika in Not ist. Gottes eigenes Land hat in den acht Obama-Jahren schwere wirtschaftliche Rückschläge erlebt. Die Mittelschicht steht in den meisten Bundesstaaten unter Druck, die sozialen Spannungen sind weiter gestiegen in einem Land, das von sozialen Sicherungssystemen nach europäischem, gar deutschem Muster weit entfernt ist.

Viele hoffen auf den starken Mann, der Amerika wieder groß macht und die unübersichtlich gewordene Welt in den Griff nimmt. Trumps Plan eines Mauerbaus an der mexikanischen Grenze steht sinnbildlich für den Glauben, die Vereinigten Staaten könnten sich gegen alle Fährnisse abschotten.

Trumps Wahl erscheint als Verzweiflungstat von Bürgern, die Amerikas Politik als inkompetent und korrupt erleben, die sich von den Etablierten alleingelassen und benutzt fühlen. Die Partei des Wahlsiegers trägt daran Mitschuld. Die Republikaner setzten Obama per Dauerblockade matt; auch sie gehören zu dem System, das Trump unablässig attackierte. Dies ist deshalb kein Wahlsieg der Republikaner, sondern ausschließlich des Donald Trump.

Gegen diese Verkörperung des amerikanischen Topos vom einsamen Helden sah Hillary Clinton blass aus. Sie überzeugte die Amerikaner nicht davon, dass sie für mehr steht als ein „Weiter so“. Trump stellte sie in die Ecke des nicht vertrauenswürdigen Establishments – und dort passte sie ja auch hin, mit all ihren großen und kleinen Affären. Die jüngsten FBI-Manöver mögen ihr den Rest gegeben haben, aber das Misstrauen reicht tiefer. Viele haben die Whitewater-Manipulationen der Clintons nicht vergessen.

Die vorübergehende Panik an den Börsen zeigte, dass der ökonomische Sachverstand der westlichen Führungsmacht nicht an die Segnungen des Protektionismus glaubt. Viele fürchten die Unsicherheit, die der irrlichternde Trump bringt.

Mit Trump dürften schwere Zeiten für die internationalen Beziehungen anbrechen, keineswegs nur auf der atlantischen Seite. Auch in Asien herrscht große Sorge, dass dieser Mann versuchen könnte, mit Strafzöllen und Kanonenbooten Politik zu machen. Die Hoffnung, dass es nicht ganz so schlimm kommt, speist sich derweil aus mehreren Tatsachen: Trump wird die Grenzen seiner Macht rasch zu spüren bekommen. Er konnte gegen das System die Wahl gewinnen, aber er wird nicht außerhalb des Systems regieren können. Stimmen konnte er mit Emotionen sammeln – bewähren muss er sich in der Sachpolitik. Trump scheint erkannt zu haben: Er muss seine eigene Wahlkampfrhetorik einfangen. Er will nun Präsident aller Amerikaner sein – seine Rede nach der Wahl hätte, „versöhnen statt spalten“, von Johannes Rau stammen können.

Trumps einfache Antworten werden sich hart an der Komplexität der Welt reiben. Die schönste Polemik setzt ja nicht die Gesetze der globalen Politik und Ökonomie außer Kraft. Ein Beispiel: Mit Trump dürfte es keine Freihandelsabkommen geben, die Europa akzeptieren könnte. Aber Trumps Amerika wird nicht den internationalen Verkehr von Waren und Dienstleistungen einstellen.

Die größte Gefahr droht unserer exportabhängigen Wirtschaft von Symbolhandlungen. Die Kritik an den deutschen Handelsbilanzüberschüssen etwa war ein Wahlkampfschlager. Will Trump nicht unglaubwürdig werden, muss er Zeichen setzen – namentlich der US-Automarkt könnte zum Spielfeld der Profilierung werden.

Im Wahlkampf war der tosende Trump so weit gegangen, die Beistandspflichten im Rahmen der Nato infrage zu stellen. Diese Kraftreden werden sachlichen Forderungen weichen, der nach größeren militärischen Anstrengungen der Europäer etwa. Tatsächlich sind die USA überproportional belastet, die militärische Kleinstaaterei der Europäer führt zu geringer Effizienz.

Wird Trump, der König der Pöbler, am Ende ein ganz normaler Präsident? Wenn er sich am Riemen reißt, könnte er jedenfalls einer der wirkungsvollsten werden. Die republikanische Mehrheit im Kongress gibt ihm weitreichende Möglichkeiten, im Guten wie im Schlechten.