Braunschweig. Bei den Metallern fordern die einen weniger, die anderen mehr Arbeitszeit. Auch beim Lohn liegen die Vorstellungen weit auseinander.

Ein Leser, der sich auf unseren Internetseiten Heinz nennt, fragt:

Sechs Prozent fordern, ist okay! Aber was kommt heraus – vier Prozent auf zwei Jahre?

Die Antwort recherchierte Andre Dolle

In der ersten Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie ist der Streit über die Arbeitszeit voll entbrannt. Der Arbeitgeberverband Niedersachsen- Metall konfrontierte die Gewerkschaft IG Metall am Mittwoch in Hannover mit Forderungen: höhere Arbeitszeiten, weniger Überstundenzuschläge und längere Befristung.

Tarifliches Entgelt Gesamtmetall

Die IG-Metall-Verhandlungsführer reagierten entrüstet. Sie fühlen sich provoziert. Angesichts der hervorragenden Lage in der Branche sei das Verhalten nicht nachvollziehbar. Die IG Metall stellte ihrerseits einen Forderungskatalog vor. Die Gewerkschaft verlangt für die 110 000 Beschäftigten in Niedersachsen sechs Prozent mehr Lohn. Ein weiteres Kernstück ist ein Recht für Arbeitnehmer, im Einzelfall befristet auf zwei Jahre die Wochenarbeitszeit auf 28 Stunden verkürzen zu können. Dies soll ohne Begründung und blockweise möglich sein. Wer zur Betreuung von Kindern oder zur Pflege von Angehörigen kürzertreten will, soll vom Arbeitgeber befristet einen Entgeltausgleich von 200 Euro brutto im Monat erhalten.

„Die Arbeitgeber stellen auf stur und verschließen sich“, erklärte Niedersachsens IG-Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger per Pressemitteilung. Angesichts der hervorragenden Lage in der Branche sei das Verhalten von Niedersachsen-Metall grotesk.

„Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, dass es sich nicht nur die Gutverdienenden leisten können, zugunsten der Kindererziehung und Pflege die Arbeitszeit zu reduzieren“, so Gröger. Das Gleiche gelte für Beschäftigte in Schichtarbeit: „Wer sich angesichts von 1,8 Milliarden Überstunden, die von den Beschäftigten geleistet wurden, weigert, ihrem berechtigten Wunsch nach selbstbestimmter Arbeitszeit auch nur ansatzweise entgegenzukommen, der scheint nicht nur vergessen zu haben, wem er diesen Erfolg zu verdanken hat, sondern auch, in welcher Zeit wir leben. Doch keine Angst“, sagte Gröger, „wir werden sie schon noch daran erinnern, mit einem lauten Weckruf.“

Dieser Weckruf könnte für die Arbeitgeber schneller kommen, als ihnen lieb ist. Die Friedenspflicht endet Ende Dezember. Davor gibt es nur noch einen Verhandlungstermin: am 6. Dezember. Eine Einigung noch vor Jahresfrist ist so gut wie ausgeschlossen. Das sehen auch die Beteiligten so.

Garnet Alps von der IG Metall Braunschweig ist Mitglied der Tarifkommission, war am Mittwoch bei den Verhandlungen in Hannover dabei. Sie spricht von einer „harten Blockadehaltung“ der Arbeitgeber, was Lohnzuwachs und Arbeitszeiten betrifft. Theoretisch bestehe ab dem 1. Januar die Möglichkeit für Warnstreiks. Alps drohte: „Wenn die Arbeitgeber nicht einlenken, werden wir im Januar unseren Forderungen Nachdruck verleihen.“ Die Auftragsbücher sind voll. Ein Warnstreik würde die Unternehmen empfindlich treffen.

Das sieht auch Florian Bernschneider so, der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Region Braunschweig. Auch er zählt zur Tarifkommission, war am Mittwoch bei den Verhandlungen in Hannover. Bernschneider aber hat die mittel- bis langfristige Perspektive der Unternehmen im Blick. Er sagte: „Jedes Unternehmen schmerzt es natürlich, wenn die Bänder durch einen Streik still stehen. Noch mehr würde es aber schmerzen, die Bänder irgendwann zu demontieren, weil wir die Wettbewerbsfähigkeit verloren haben.“

Die Arbeitgeber verweisen auf die hohen Lohnzuwächse der vergangenen Jahre. Demnach habe jeder Beschäftigte in der Branche seit 1991 jedes Jahr durchschnittlich einen Einkommenszuwachs von 900 Euro erhalten. Per Mitteilung erklärten die beiden Niedersachsen-Metall-Verhandlungsführer Torsten Muscharski und Volker Schmidt nach der Tarifrunde gestern: „Die Gewerkschaft baut ihre 6-Prozent-Forderung aus Produktivität und Inflation zusammen und pumpt sie, da wo ihre Argumente nicht mehr ausreichen, mit Hilfe einer Umverteilungskomponente auf, die sie nicht begründen kann.“

Auch bei Volkswagen steht eine Tarifrunde an. Auch hier fordert die IG Metall sechs Prozent mehr Lohn. Zudem fordert die Gewerkschaft eine verbesserte Altersversorgung. Die Verhandlungspartner treffen sich Mitte Dezember erstmals. Bei Volkswagen läuft der Tarifvertrag noch bis zum 31. Januar.