Braunschweig. Professor Georg F. Backhaus beschreibt den Wandel der landwirtschaftlichen Flächen. Er sagt: Ressourcen müssen geschont werden.

Künftig werden wir international die Umstellung der Wirtschaftssysteme auf die Bioökonomie beobachten. Auf landwirtschaftlichen Flächen wächst längst nicht mehr ausschließlich Nahrung für Mensch und Tier, sondern sie sind Rohstofflieferant: Baumaterial, Energie, biologisch abbaubare Polymere, selbst Gummi oder Impfstoffe lassen sich mit oder in Pflanzen produzieren.

Die Anbaufläche ist jedoch begrenzt und die Ansprüche der Gesellschaft sind ungemindert hoch: Der Anbau soll umweltfreundlich und nachhaltig sein, Artenvielfalt soll gestärkt, Wasser und Boden sollen geschont werden.

Klimawandel und wachsende Weltbevölkerung setzen uns zusätzlich unter Druck. Deshalb benötigen wir Kulturpflanzen, die fit für die Zukunft sind. Wir müssen die Anbausysteme anpassen und den „Patienten Pflanze“ weiterhin bestmöglich versorgen und schützen.

Wir benötigen Kulturpflanzen, die fit für die Zukunft sind. Sie müssen ertragsstabil und gleichzeitig widerstandsfähig sein, einerseits gegen Krankheiten, damit weniger Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden müssen, andererseits gegenüber klimatischem Stress wie Trockenheit, Hitze. Aufgabe der Forschung ist es, die genetischen Grundlagen für diese Eigenschaften aufzuklären, den Züchtungsprozess weiter zu optimieren.

Wir müssen die Anbausysteme anpassen. Fruchtfolgen müssen wieder vielfältiger werden. Es gilt, neue Kulturarten wie Andenlupine oder Silphie, aber auch ins Hintertreffen geratene Kulturen wie heimische Eiweißpflanzen einzubinden. Künftig könnte es Anbausysteme geben, bei denen mehrere Pflanzenarten gleichzeitig auf einem Feld angebaut werden. Unbedingt muss über effiziente Wassernutzung nachgedacht werden. Vielleicht werden wir auch Dächer oder Hauswände bebauen oder verlagern den Anbau vom Feld in geschützte Systeme.

Wir müssen den „Patienten Pflanze“ bestmöglich versorgen und schützen. Der globale Handel birgt Risiken. Deshalb müssen wir wissen, welche Schädlinge oder Krankheiten neu eingeschleppt werden und welche Schäden sie anrichten. Wir benötigen Diagnosesysteme, Prognosemodelle, Risikoanalysen. Wie in der Medizin, wo es individuell an Patienten angepasste Therapien gibt, geht der Trend in der Landwirtschaft zur Versorgung der Einzelpflanze.

So könnten künftig solarbetriebene Miniroboter die Pflege der Pflanzen übernehmen, mit Sensoren den Wasser- und Nährstoffstatus checken, punktgenau düngen, Unkraut erkennen und beseitigen und Pflanzenschutzmittel gezielt nur dort versprühen, wo Pilz oder Blattlaus auftritt. An Voraussetzungen für diese „schöne neue Welt“ wird bereits geforscht.

Das hat sich in den vergangenen zehn Jahren verändert

Die Möglichkeiten der Digitalisierung, mit Smartphones, mobilen Offices und Datenclouds haben die Welt stärker verändert als anfangs angenommen.

Entwicklungen wie der ungemein schnelle Datentransport, die Datenerfassung, Mustererkennungen oder Fernerkundung werden die Landwirtschaft beflügeln und – richtig eingesetzt – in nachhaltige Anbausysteme münden. Nehmen Sie als Beispiel die Forschungs-Satelliten, die die Erde umkreisen. Sie sammeln kontinuierlich Daten, machen Bilder von unseren landwirtschaftlichen Flächen. Entsprechend ausgewertet und aufbereitet, könnte man den Entwicklungsstatus der Bestände erfassen, eine Nährstoffunterversorgung erkennen, Erträge vor der Ernte abschätzen. Wir könnten die Wanderbewegungen von Bestäuberinsekten und nützlichen Gegenspielern, aber auch von Schädlingen wie Feldmäusen vorhersagen und proaktiv tätig werden. Das hatte ich vor zehn Jahren in dieser Ausprägung noch nicht im Blick … Was sich erfüllt hat, sind meine hohen Erwartungen an die Pflanzenzüchtung. Hier sind im Baukasten der Züchtungsforschung sehr innovative Verfahren hinzugekommen, die einen noch schnelleren Züchtungsfortschritt erlauben werden – und zwar ohne damit die Artgrenze zu überschreiten und gentechnisch veränderte Pflanzen zu erzeugen.

So beurteile ich die Entwicklung unserer Forschungsregion

Ich bin mit der derzeitigen Entwicklung nicht ganz zufrieden. Das Ereignis „Stadt der Wissenschaft“ vor 10 Jahren war ein immens positiver Kick für diese Zusammenarbeit. Ich würde mir wünschen, dass mehr Kraft in konkrete gemeinsame Projekte, wie das jetzige „Cloud“-Ereignis, gesteckt würde, damit die Forschungsregion für die Menschen in der Region und vielleicht auch darüber hinaus noch besser sichtbar wird. Natürlich möchte jede einzelne Einrichtung fachlich in dem Spezialgebiet anerkannt werden, in dem sie arbeitet. Unsere gemeinsame Aufgabe ist es jedoch, den Menschen klar zu machen, welche Leistungen wir für die Gesellschaft erbringen und welchen Nutzen dies hat. Im Übrigen würde diese verbesserte Sichtbarkeit auch unsere Attraktivität als Standort für Fachleute, Ingenieure und Wissenschaftler steigern.